Schloss Haniel

Schloss Haniel

„Haus Maria in der Aue“ (früher als „Schloss Haniel“ bekannt) ist ein Anwesen bei Dabringhausen im Bergischen Land.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Im Jahre 1379 bekennen Bruin von Garderode und seine Gattin Metza mit Zustimmung ihrer Kinder an dem Gericht zu Dabringhausen ihren Hof zum Steinhaus an Abt Johann II der Abtei Altenberg verkauft zu haben. Auf diesem Land liegt Schloß Haniel. Am 1. März 1925 kauft Landrat a.d. Dr. Karl Haniel und Ehefrau Edith geb. Schleicher das Gut Steinhausen mit 157 Morgen Land für 80.000 Mark ohne Inventar (s.Literatur) und ließ ihn zu einem modernen landwirtschaftlichen Betrieb ausbauen.

Das gesamte Areal von Schloss Haniel umfasste auch die, seit dem Ende des Ersten Weltkriegs, also erst vor wenigen Jahren auf alliiertes Verdikt stillgelegten und zerstörten Anlagen und zum Verkauf stehenden Grundstücke der Schwarzpulvermühlen entlang der Dhünn bis Altenberg.

Bau des "Großen Hauses" und NS-Zeit

Dr. Karl Haniel 1920
Wappen Haniel 1920

In den Jahren 1927/1928 ließ der Großindustrielle und Landrat a.D. Dr. Karl Haniel das Schloss, genannt „Das große Haus“, nahe der Dhünn an der Grenze zu Altenberg als Jagd- und Gästehaus im barocken Stil und mit allem Komfort nach Plänen des Berliner Architekten Otto Walter für 16 Millionen Reichsmark erbauen. Ausgestattet mit einem beheizten Schwimmbad im Keller, aus Holz gefertigter Kegelbahn in einem Seitenflügel, großer kostbarer Bibliothek, geräumigem Speisesaal mit Großküche, weitläufigen Salons, einer Bar sowie einer Orgel mit 20 Registern stellte es eine besonders großartig angelegte Villa damaliger Großindustrieller dar. Das gesamte Gelände war eingezäunt und mit schmiedeeisernen Toren und zumeist unversperrten gusseisernen Drehtüren versehen. Über einer der Drehtüren war ein Schild befestigt mit dem Hinweis „Der Wanderer ist hier willkommen“. Heute sind nur noch die Mauerpfeiler aus Bruchstein erhalten. Das Wappen der Familie Haniel ist als Supraporte über dem Türsturz eingemeißelt (und über der Tenne des benachbarten Hofes Steinhausen eingeschnitzt) und besteht aus drei Eselsköpfen nach dem französischen Wort für Esel "ane". In der Eingangshalle des Schlosses finden sich die Eselsköpfe in den Marmorboden eingelassen. Über dem Toreingang steht in Latein eingeschnitzt: "Dieser Platz lächelt mir auf Erden am meisten zu".

Zum weitläufigen Anwesen gehörten ferner eine Gärtnerei, ein Bauernhof („Gut Steinhausen“, das zeitgleich durch den Architekten Walter deutlich umgestaltet und zu einem leistungsfähigen modernen landwirtschaftlichen Betrieb vergrößert wurde), und im Tal eine neu erbaute Remise mit Kutschen- und Autogaragen und Pferdestall (später „Brunnenhaus“ genannt, weil dort bis 1982 die Wasserversorgung der Aue untergebracht war, heute Seminarzentrum), Forsthaus (ehemaliger „Helenenhof“, heute in Privatbesitz) und Reitplatz sowie Tennisplätzen mit Erholungsräumen und in einer Sprengschutzaufschüttung einer ehemaligen Pulvermühle ein (ungeheiztes) Freibad. Die mit Felssprengungen einhergehende Ausführung und Überwachung der Baumaßnahmen, bei der zeitweise bis zu 400 Arbeiter beschäftigt waren, lag bei Karl Haniels Ehefrau Edith.

Schon 1934 zog die vierköpfige Familie gedrungenermaßen wieder aus: Edith Haniel war – nach den Maßstäben der nationalsozialistischen Nürnberger Gesetze – nicht rein arisch und konnte sich nur auf Grund rechtzeitiger Tipps ihres Vaters, eines einflussreichen Mannes in der NS-Zeit, vor dem Regime schützen, indem sie sich mit ihrem Gatten und den beiden angenommenen Söhnen ins sichere Ausland absetzte. Die „Nationalsozialistische Volkswohlfahrt“ kaufte 1941 das Anwesen samt 30 Morgen Land für 600.000 Reichsmark und richtete ein Kindergärtnerinnen-Seminar ein als Nebenstelle der NS-Ordensburg Vogelsang in der Eifel; zeitweilig wohnte auch der Kölner Gauleiter in dem Haus.

Nachkriegszeit

„Schloss Haniel“ heute, Südseite

Nach dem Krieg ging das Schloss zunächst an die alliierten Besatzungsmächte und anschließend auf das Land Nordrhein-Westfalen zu Nutzung durch das Innenministerium über, das es bis 1953 als Kindererholungsheim betrieb.

Im April 1953 hatte Pastor Karl Geerling, der Gründer des Vereins Familien-Ferien-Werk e.V. (FFW), von dem zum Verkauf stehenden „Schloss Haniel“ bei Altenberg gehört und es auch besichtigt, wurde aber durch einen kurze Zeit später erlittenen Herzinfarkt an weiteren Aktivitäten gehindert. So dauerte es bis zu einem erneuten Anlauf fast zwei Jahre: Im Februar 1955 wanderte Geerling mit seiner Schwester Anna und dem FFW-Vorstandsmitglied und Architekten Ständer von Altenberg aus zu dem Schloss, um in Erfahrung zu bringen, ob es noch zum Verkauf stand. Fast ein Jahr später, am 13. Juli 1956, erwarb das FFW das „Haus Maria in der Aue“ samt dem angrenzenden Brunnenhaus und einem stattlichen Waldgebiet vom Land Nordrhein-Westfalen zum Preis von 184.000 DM. Die Bundesregierung stellte hierbei aus ihrem erstmals geführten Haushaltstitel „Familienerholung“, der 500.000 DM umfasste, einen Betrag in Höhe von 150.000 DM zur Verfügung. Unter der Obhut von Klemens Heckeley, der die Leitung des Hauses am 1. April 1956 übernahm, wurde das Haus vom FFW für seine Familien-Ferien-Freizeiten genutzt: 13 Familien mit etwa 55 Kindern fanden seinerzeit hier Platz; das ebenfalls mitgekaufte Brunnenhaus, das damals die hauseigene Wasserversorgung sicherstellte, bot nach einem Umbau ab dem Jahr 1958 weiteren vier Elternpaaren und 32 Kindern Platz; im Gärtnerhaus schliefen zeitweise die älteren Jungen. Betreut wurde das Haus lange Jahre von den Hausmeisterfamilien Kölligan und Schraven.

Großbrand und Wiederaufbau

„Schloss Haniel“, Ostseite

In diesem Rahmen wurde das „Haus Maria in der Aue“ genutzt, bis in den heißen Mittagsstunden des 18. September 1971 ein Kurzschluss im Dachgebälk einen Großbrand verursachte, der große Teile des Anwesens zerstörte. Auf dem pittoresken Jugendstilgarten (Teichanlagen) entstand im Rahmen des Wiederaufbaus das seit langen Jahren geplante Kinderhaus (zunächst in Waschbetonbauweise mit Flachdach). Der eigentliche Wiederaufbau des Schlosses begann dann am 4. April 1974. Fast exakt zwei Jahre später wurde das neu errichtete Haus vom seinerzeitigen Vorsitzenden des FFW, Prälat Georg Alfes, im internen Kreis gesegnet, und am 3. April 1976 begannen die ersten Familien-Ferien-Freizeiten in dem nunmehr vergrößerten Haus. Jetzt fanden 26 Ehepaare mit 98 Kindern hier Platz. Der Kölner Kardinal Joseph Höffner weihte das „neue alte Haus“ am 25. August 1976 in festlichem Rahmen mit zahlreichen Gästen aus Politik, Kreis- und Stadtverwaltung offiziell ein.

Gegenwart

Nach erneuter zweijähriger Umbau- und Renovierungsphase von 1994 bis 1996 präsentiert sich das Seminar- und Familienhotel „Haus Maria in der Aue“ mit zeitgemäßen, individuell gestaltbaren Räumlichkeiten für Tagungen, festliche Veranstaltungen und – in den Sommer- und Herbstferien – für Familien-Ferien-Freizeiten, heute mit 73 Doppel- und 14 Einzelzimmern. Es gibt eine öffentliche Gastronomie. Auch wurde die Fläche für parkende Autos deutlich erweitert und nach einer Einbruchsserie im Jahre 1984 zudem beleuchtet. Jedoch hat das gesichtslose, „zeitgemäße“ und praktische Interieur des beliebig wirkenden Tagungshotels keineswegs mehr die hochherrschaftliche luxuriöse Ausstrahlung jener Epoche seiner Erstellung, die es auch bis zu dem Großbrand noch besaß.

Literatur

  • Nicolaus J. Breidenbach: Steinhauser Hof. – In: Nicolaus J. Breidenbach (Hrsg.): Die Abtei Altenberg. Ihre Güter und Beziehungen zu Wermelskirchen. (= Altenberger Hefte, Nr. 35.) Odenthal-Altenberg, 2006. (ohne ISBN)

Weblinks

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