- Sedisprivationismus
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Der Begriff Sedisvakantismus (von lat.: sedes Sitz; vacans leer) bezeichnet die Auffassung, dass es aktuell keinen rechtmäßigen Papst gebe.
Im Unterschied zu einer natürlichen Sedisvakanz des Heiligen Stuhles durch Ableben oder Rücktritt eines Papstes unterstellen Sedisvakantisten eine außerordentliche Sedisvakanz, indem behauptet wird, dass der gerade amtierende Papst kein gültiger Amtsträger sei.
Inhaltsverzeichnis
Allgemeines
Schismen tauchten in der Kirchengeschichte wiederholt auf. So gab es in der Kirchengeschichte immer wieder Gruppen, die zwar das Papsttum anerkannten, einen bestimmten Papst aber ablehnten und sich deshalb abspalteten, meist aus theologischen, aber auch aus politischen oder kirchenrechtlichen Gründen. Dies führte mehrmals zur Aufstellung von Gegenpäpsten. Der Begriff Sedisvakantismus ist jedoch neueren Ursprungs.
Die Vakanz des Stuhles Petri ist nach Auffassung der römisch-katholischen Kirche ein schwerer Notstand, da letzte Binde- und Lösegewalt der Kirche in dieser Zeit nicht ausgeübt werden kann, der Fels der Kirche fehlt. Daher muss auch eine Vakanz so schnell wie möglich beendet werden. Wer eine außerordentliche Vakanz (trotz eines vorhandenen Titelträgers) aufgrund theologischer (nicht kirchenrechtlicher) Kriterien behauptet, steht vor der großen Schwierigkeit, sein eigenes Urteil über das des formalrechtlich legitimen Papstes stellen zu müssen. Das bedeutet im Kern die Aufhebung des papalen zugunsten des subjektiven Prinzips.
Der Sedisvakantismus zu Ende des 20. und Beginn des 21. Jahrhunderts ist im wesentlichen in katholisch-traditionalistischen Kreisen verbreitet, welche die letzten Päpste einschließlich des gegenwärtigen für Häretiker halten. Hinsichtlich des Beginns der Sedisvakanz gibt es unterschiedliche Meinungen, genannt werden beispielsweise der Beginn des Pontifikats Johannes XXIII. oder auch Pauls VI., überwiegend wird jedoch vertreten, Papst Pius XII. sei der letzte legitime Papst. Inhaltlich wird die Auffassung meist damit begründet, dass die Lehre des Zweiten Vatikanischen Konzils zahlreiche Häresien enthalte und darum ein Amtsverlust ipso facto der diese Lehren vertretenden Päpste eintrete. Ein Teil der Sedisvakantisten beruft sich dabei auf die Theorie des papa haereticus von Robert Bellarmin und der absoluten Temerität des Lehramtes, einer These der Neuscholastik. Die erste ausführliche Begründung der These einer nachkonziliaren Sedisvakanz legte der Theologe Johannes Rothkranz in seinem zweibändigen Werk Die Konzilserklärung über die Religionsfreiheit (1995) dar. Pater Manfred Adlers Schrift Das allgemeine Recht auf Religionsfreiheit. Anmerkungen zu einem Buch von Johannes Rothkranz versucht einen theologischen Gegenentwurf.
Abgrenzung zum Sedisprivationismus
Im Unterschied zum Sedisprivationismus, der den Heiligen Stuhl lediglich als de jure (formaliter) unbesetzt ansieht, betrachtet ihn der Sedisvakantismus auch als de facto (materialiter) vakant, weshalb einige Sedisvakantisten wie Johannes Rothkranz, Árpád Kovács und Rolf Hermann Lingen die Römisch-katholische Kirche als von einem „Pseudopapst“ geführte „Sekte“, ihre jeweils eigenen Anhängerschaften hingegen als papstlose „katholische Kirche“ (welche „die Sedisvakanz zur Kenntnis nehme“) bezeichnen, was zu einer für Außenstehende oft verwirrenden Terminologie in einschlägigen Publikationen führt.
Gruppen und Personen
- Die Kulturvereinigung St. Pius X. betreibt heute noch je einen Gottesdienst in Karlsruhe und Heilbronn. Personell ist sie teilweise verflochten mit der heute kaum noch aktiven Bewegung für Papst und Kirche e.V., die sich sehr gewandelt hat, seitdem Walter Hoeres den Vorsitz abgab. Sie ist im übrigen nicht mit der gleichnamigen Priesterbruderschaft St. Pius X. zu verwechseln.
- Günther Storck und Pierre Martin Ngô Đình Thục waren sedisvakantistische Bischöfe.
- der Soziologe Wigand Siebel leitet das Oratorium von der göttlichen Wahrheit
- Bekennender Sedisvakantist war ferner der 2007 verstorbene Münchener Philosophieprofessor Reinhard Lauth, Vertreter der Transzendentalphilosophie im deutschen Sprachraum und Herausgeber der Fichte-Gesamtausgabe.
- Die Sammlung glaubenstreuer Katholiken (Saka) existiert heute nur noch in Basel, nachdem die Saka-Informationen im Streit mit Siebel eingestellt wurden.
Einige kleine Gruppen riefen mehrere alternative Päpste aus, um die angenommene Sedisvakanz des Heiligen Stuhles zu beenden. Solche Gruppen sind dann nicht mehr sedisvakantistisch zu nennen, sondern schismatisch („conclavist“ auf Englisch). So auch die Palmarianisch-Katholische Kirche, die nach dem Tod Papst Pauls VI. entstand und auf angeblichen Marienerscheinungen und Visionen des Spaniers Clemente Domínguez y Gomez zurückgeht. Andere schismatische „Päpste“ sind Viktor von Pentz („Linus II.“), David Bawden („Michael I."), und Lucian Pulvermacher („Pius XIII.“), aber Sedisvakantisten betrachten diese Thronprätendenten nicht als gültige Päpste.[1] Eine weitere Gruppe ist die Sektengemeinschaft "Apostel der unendlichen Liebe".
Priesterausbildung
In München existiert das von Bischof Günther Storck zu Beginn der 1980er Jahre gegründete St.-Athanasius-Priesterseminar Heilig Blut. Es wurde bis zu seiner Auflösung vom Förderverein St. Athanasius e.V. getragen, wobei nach dem Tode von Dr. Storck lange Jahre mangels Seminaristen und Dozenten kein Lehrbetrieb stattgefunden hatte. Der langjährige Vorstandsvorsitzende und formelle Leiter Dr. Josef Filser bemühte sich jahrelang darum, dass der Lehrbetrieb wieder aufgenommen werden kann. Er starb Anfang des Jahres 2009 und ist in Freising vom jetzigen Leiter des Haues, Pfarrvikar Dr. Joseph M. B. Magobeko Kamama beigesetzt. Der am 30. Juni 1930 geborene Afrikaner hält derzeit den Vorlesungsbetrieb aufrecht.
Die deutschen Seminaristen studieren im Seminar von Bischof Donald Sanborn in den USA und werden von diesem bzw. dem litauischstämmigen Bischof Mark A. Pivarunas geweiht.
Manche Gruppierungen empfehlen Priesteramtskandidaten aber eine Ausbildung bei der Priesterunion Trento in Mexiko, wo es derzeit weltweit die wohl größte Anzahl von sedisvakantistischen Gläubigen gibt. Die Priesteramtskandidaten werden in Mexiko von Bischof Davila Gandara geweiht.
Publizistik
Das auflagenstärkste Periodikum aus den Reihen der Sedisvakantisten waren ursprünglich die monatlich erscheinenden Saka-Informationen, die von Alfons Eisele redigiert und ab 1976 von der Sammlung glaubenstreuer Katholiken (Saka) in Basel herausgegeben wurden. Nach dem Tode von Eisele übernahm Wigand Siebel die Redaktion und den Vorsitz der Saka. Doch wenige Monate später wurde er wieder abgewählt und die Saka-Informationen mangels Personals eingestellt, weil Siebel bei einer Jahrestagung unbedingt ein homöopathisches Medikament (Oratoriumswasser) bekannt machen und verbreiten wollte.
Die von der Liga katholischer Traditionalisten e.V. herausgegebene Zeitschrift Kyrie eléison erschien ab 1972 quartalsweise im Format A 5. Nach dem Tode des Chefredakteurs Manfred Böker Anfang 2004 wurde ihr Erscheinen eingestellt.
Etwa 2001 wurde die 1992 begründete Zeitschrift „Athanasius“ (ehem. ISSN 0949-6165) eingestellt. Sie wurde vom Förderverein St. Athanasius e.V. des Priesterseminars Heilig Blut in München herausgegeben und von Dr. Josef Filser redigiert.
Heute existiert noch die Einsicht des Freundeskreises der Una Voce - Gruppe München, nicht zu verwechseln mit der Internationalen Föderation der Una Voce. Chefredakteur ist der promovierte Philosoph und Lektor Eberhard Heller. Er gehörte zum Kreis um Reinhard Lauth. Die Einsicht ist zwar das momentan am weitesten verbreitete Periodikum, aus der Sicht einiger Sedisvakantisten (z.B. Johannes Rothkranz, Rolf Hermann Lingen, P. Seraphin u.a.) arbeitet sie jedoch kontraproduktiv.
Eher spirituell und theologisch gemäßigt sind die zweimonatlich erscheinenden Beiträge zur geistlichen Erneuerung aus dem katholischen Glauben. Der Arbeitskreis Katholischer Glaube gibt das Heft heraus.
In Deutschland bietet seit 1988 der Verlag Anton Schmid, u. a. mit seinem Verlagsprogramm Pro Fide Catholica, kirchenkritische Schriften aus traditionell-katholischer Sicht an, aber auch Literatur zu politischen und zeitgeschichtlichen Themen sowie erbauliche Literatur und Devotionalien. In einem vom Bistum Augsburg angestrengten Prozess erreichte der Verlag in dritter Instanz, sich und sein Buchprogramm weiterhin „katholisch“ nennen zu dürfen.
Der kleine Verax-Verlag in Müstair (Schweiz) war ursprünglich der Priesterbruderschaft St. Pius X. nahestehend, bis der Inhaber Andreas Pitsch eine sedisvakantistische Position annahm. Über die allgemein sedisvakantistische Ansicht, dass die Bischofs- und Priesterweihen der „Konzilskirche“ seit der Einführung des neuen Ritus 1969 nicht mehr gültig gespendet werden, hinaus vertritt er die Ansicht, dass die Bischofsweihen durch Erzbischof Marcel Lefebvre zwar gültig, jedoch nicht erlaubt waren und auch die Sakramente durch Geistliche der Piusbruderschaft oder des Sedisvakantismus unerlaubter Weise gespendet werden. Die Ausübung des katholischen Glaubens müsse sich daher in der derzeitigen Notlage der Katholischen Kirche auf das Gebet beschränken. Der Verlag Verax verlegt traditionell katholische Bücher, u.a. das Schrifttum von Robert Mäder, und wurde bekannt durch seine Publikationen zu den nicht anerkannten Erscheinungen von Medjugorje. Der Inhaber Andreas Pitsch veröffentlichte am 6. August 2008 zusammen mit den Erstunterzeichnern Armin Benedikter aus Girlan (Italien) und Hans-Jürgen Krug aus Bad Säckingen (Deutschland) eine Erklärung (Öffentliche Glaubenserklärung vom 6. August 2008), in der die Autoren bekannt geben, dass sie von einer Vakanz des päpstlichen Stuhles seit dem Tode Pius XI. (10.02.1939) ausgehen. Die Zahl der Unterzeichner hat sich bereits vergrössert und nach deren Meinung besteht diese Vakanz aus schweren und objektivierbaren Gründen, deren doktrinärer Bezug beispielsweise die von Papst Pius IX. im Syllabus von 1864 verurteilte 23. These ist, sowie das Apostolische Rundschreiben "Satis cognitum" (1896) von Papst Leo XIII. (vgl. insbes. Denzinger-Hünermann DH 3305). In der Erklärung geben sie die ihrer Meinung nach objektiven Bedingungen an, die ein Glied der katholischen Kirche unter diesen Umständen erfüllen muss. Ebenso veröffentlichte Andreas Pitsch eine kritische Untersuchung der Ekklesiologie Erzbischof Lefebvres, die ebenfalls im August 2008 im Verax-Verlag erschien und kritisch auf dessen seiner Meinung nach häretische Ekklesiologie Bezug nimmt.
Der kleine wissenschaftliche Verlag Christian Jerrentrup bringt seit einigen Jahren die Publikationen des Transzendentalphilosophen Reinhard Lauth heraus und das auch im mehreren Sprachen.
Literatur
Primärliteratur:
- Anonymus (Christkönigsfreunde): Die Verfinsterung der Kirche. Anton Schmid, Durach 2004, ISBN 3-929170-42-6, Originaltitel: L'Eglise Eclipsée? Réalisation du complot maconnique contre l'Eglise. Editions Delacroix, o.O.(Chateauneuf) ³1999
- José Franklin Urbina Aznar: Grundsatzerklärung zur Wahl eines Papstes aufgrund der aktuellen Vakanz des Apostolischen Stuhles. Aus dem Spanischen übertragen und mit einem Nachwort versehen von Johannes Rothkranz, Anton Schmid, Durach 2000, ISBN 3-932352-49-1
- Anton Holzer: Vatikanum II. Reformkonzil oder Konstituante einer neuen Kirche. Saka, Basel 1977
- Reinhard Lauth: Die verstoßene Kirche. Dokumente zum Kirchenkampf. Christian Jerrentrup, München 2003, ISBN 3-935990-03-0 (Band I), ISBN 3-935990-04-9 (Band II)
- Oratorium von der Göttlichen Wahrheit (Hrsg.): Katechismus des Oratoriums. Römisch-katholischer Katechismus und Unterweisung der Gläubigen für die heutige Zeit. 2. Auflage, Saka, Saarbrücken 1990, ISBN 3-928198-00-9
- Johannes Rothkranz: Falsche Brüder. Wie Marranen und andere Judaisierer den Rest der wahren katholischen Kirche sabotieren, Anton Schmid, Durach 2006, ISBN 3-932352-89-0
- Johannes Rothkranz: Die Konzilserklärung über die Religionsfreiheit. Ein Dokument des Zweiten Vatikanums und seine Folgen. Anton Schmid, Durach 1995, Gesamt-ISBN 3-88096-898-5
- Johannes Rothkranz: Papsttreue - Heilige Pflicht jedes Katholiken. Anton Schmid, Durach 1997, ISBN 3-932352-24-6
- Johannes Rothkranz: Die Sedisvakanzthese widerlegt? Antwort auf eine untaugliche Kritik von P. Gérard Mura. Anton Schmid, Durach 1999, ISBN 3-932352-38-6
- Oskar Schmitt: Ein würdiger Verwalter im Weinberg unseres Herrn Jesus Christus: Bischof Pierre Martin Ngo-dinh-Thuc, Norderstedt 2006, Books on Demand, ISBN 3-8334-5385-0
- Wigand Siebel: Katholisch oder konziliar? Die Krise der Kirche heute. Langen Müller, München 1978, ISBN 3-7844-1706-X
- Wigand Siebel: Philosophie und Theologie Karol Wojtylas. Saka, Basel 1986
- Hanno Zahnker-Jost (Pseudonym f. Johannes Rothkranz): Wie können wir wahrhaft katholisch bleiben? Eine kritische Auseinandersetzung mit dem Vortrag von H.H. P. Franz Schmidberger am 4. September 2005 in Fulda. Anton Schmid, Durach 2006, ISBN 3-938235-18-7
- Andreas Pitsch: Die ekklesiologischen Irrlehren von Marcel Lefebvre. Entstehungsgeschichte, Rechtfertigung und Auswirkungen, Müstair 2008, ISBN 978-3-909065-29-5
Kritik:
- Manfred Adler: Das allgemeine Recht auf Religionsfreiheit. Anmerkungen zu einem Buch von Johannes Rothkranz. Eos, St. Ottilien 1999, ISBN 3-88096-898-5
Weblinks
- Arbeitskreis Katholischer Glaube (AKG)
- Zweimonatsschrift Einsicht
- Priesterbruderschaft St. Pius V.
- Gemeinde von Maria Unbefleckter Königin
- Novus Ordo Watch
- Eclipse of the Church
Belege
- ↑ Obskure Gruppen und religiöse Hardliner, ORF, abgerufen am 14. April 2008
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