Severikirche (Otterndorf)

Severikirche (Otterndorf)
Severikirche in Otterndorf
Severikirche („Bauerndom“) aus der Ferne

Die Severikirche in Otterndorf, der sogenannte Bauerndom, ist die größte Kirche in Hadeln und stammt wahrscheinlich in ihren ältesten Teilen aus der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts. Nach der Reformation um 1526 genoss die Kirchengemeinde Otterndorf durch eine eigene Hadelner Kirchenordnung große Privilegien. So war die Kirche vom Jahr 1620 an der Sitz des Konsistoriums für das Land Hadeln, und die Superintendentur für das Hochland in Hadeln hatte bis 1976 ebenfalls ihren Sitz in Otterndorf.

Der lang anhaltende Wohlstand Otterndorfs und des Landes Hadeln wird auch durch die reichhaltige, dabei aber fröhliche Ausstattung der Kirche St. Severi wie auch der anderen Hadler „Bauerndome“ und weiteren großzügigen Kirchen der verschiedenen Kirchspiele deutlich.

Inhaltsverzeichnis

Bauwerk

Aus den alten Grenzen des Kirchspiels, den Gemeindegrenzen zu den benachbarten Kirchspielen Altenbruch, Osterbruch sowie Neuenkirchen wird ersichtlich, dass die Kirche zu Otterndorf schon im 11. Jahrhundert existiert hat. Nachweise finden sich aber erst im Jahre 1261 durch die Erwähnung „Godefridus plebanus in Otterntorpe“.

Durch die vielen Veränderungen in der Kirche ist nur eine ungefähre Datierung möglich. Da aber die Grundzüge des fünfachsigen Kirchenschiffs mit kleineren Fensteröffnungen etwa um 1300 Verwendung fanden, wird dieser Zeitraum angenommen.

Kirchturm

Kirchturm

Der westlich gelegene, runde Kirchturm aus der Zeit um 1100 wurde 1556 abgerissen, dessen Nachfolgeturm ereilte wegen Baufälligkeit im Jahr 1804 das gleiche Schicksal. In den Versen „An den Wind“ aus dem Jahr 1780 stand: „Auch unser krummer Kirchturm, mein Nachbar, hat nicht gerne Sturm: Sonst fällt das alte Übel noch gar auf meine Giebel“. Verfasser dieser Verse war der Rektor der Otterndorfer Lateinschule und Gelehrte Johann Heinrich Voß.

Der heutige Turm stammt aus dem Jahr 1807, gebaut – damals ohne Spitze – vom Maurermeister Chr. Mebelumg. Wegen der fehlenden Spitze, konnte er von 1837 bis 1850 als optischer Telegraf genutzt werden (für die Linie Cuxhaven––Stade––Hamburg); die Otterndorfer nutzten den Kirchturm auch als Wasserturm. 1876 erhielt er einen 48 Meter hohen Turmhelm.

Bei Renovierungen im Jahre 1974 entdeckte man einen aus Backstein gemauerten Gang zutage. Welchen Zweck dieser bis zur Medem führende Gang tatsächlich hatte, ist nicht geklärt, vermutlich nutzten ihn die Kirchgänger aus Pedingworth und anderer, an der Medem gelegenen Orten, die per Boot zur Messe kamen. Dagegen spricht allerdings, dass ein „Flanieren“ vor dem Kirchgang so nicht möglich war. Nach alten Aufzeichnungen war die Kirche im Mittelalter Zentrum verschiedener unterirdischer Gänge. Ein weiterer soll zum ehemaligen Kloster (später das Haus des Kaufmannes Cent) führen, ein anderer zu einem Kellerverlies im „Sparniechtschen Haus“ in der direkten Nachbarschaft der Kirche.

Hallenchor

Der heutige Hallenchor mit den drei zu drei Jochen wurde nach Aufzeichnungen 1585 gebaut. Diese Jahreszahl erweist sich bei näherer Betrachtung allerdings als falsch, denn anderen Aufzeichnungen zufolge diente der Otterndorfer Hallenchor als Vorbild für den Altenbrucher Chor, der 1494 gebaut wurde.

Diese Gruppe von architektonisch gleichen Hallenchören, zu denen auch die Chöre von Dorum (gebaut um 1510) und Lüdingworth (gebaut um 1520) gehören, musste bereits 1609 repariert (Altenbruch) beziehungsweise von Grund auf erneuert werden (Lüdingworth im Jahre 1720). Es ist anzunehmen, dass es sich um große Instandsetzungen handelte. Dafür spricht auch die etwas einfachere Form des Otterdorfer Hallenchors, der eher 100 Jahre früher anzusiedeln ist.

Um 1740 wurde das Kirchenschiff grundlegend renoviert beziehungsweise repariert, so dass einige Texte von einem Neubau sprachen, aber nach heutiger Ansicht wurden die Wände nur mit Backsteinen verkleidet, nachdem die Fenster vergrößert wurden. Das erklärt die spätromanisch-frühgotischen Portale und eine Wandstärke von 1,25 Metern.

Ausstattung

Altar

Altar und Kanzel

Der zweigeschossige, reich verzierte Barockaltar mit dem Bild des Heiligen Abendmahls und einem Kreuzigungsbild mit Maria unter dem Kreuz wird von reichen Ornamenten und Putten eingerahmt. Vergleiche mit dem Altar im Dom zu Ratzeburg von 1629 und dem Epitaph für den Herzog August von Sachsen-Lauenburg von 1649 lassen den Künstler Gebhard Jürgen Titge als Baumeister vermuten.

Kanzel

Die Kanzel ist mit einer Empore verbunden, der Kanzelkorb ruht auf der Trägerfigur Moses, der die Gesetzestafeln in der Hand trägt. An der östlichen Brüstung sind die Künstler des Werkes und die Auftraggeber genannt. Der Figurenschnitzer war „M. Jürgen Krübeln/Bildthawer in der Gluckstatt“, der in seinem Sterbejahr 1644 dieses Werk schuf.

Erst 1659 wurde es von dem hamburgischen Schildermaler Erich Schröder farbig gestaltet. Der Bildhauer Kriebels erschuf auch die Kanzel des Bremer Doms, allerdings ist diese Fassung der Kanzel nicht mehr erhalten, da sie nicht durch Farbe konserviert wurde.

Predigtstuhl

Der Predigtstuhl, Prieche genannt, mit der Darstellung biblischer Gestalten, wurde 1661 vom Bildschnitzer Jürgen Heydtmann dem Jüngeren geschaffen.

Der Name Jürgen Heydtmann, teilweise auch mit „i“ geschrieben, ist im Hadler Raum bekannt, da er in einigen Hadler Kirchen tätig war. Sein Vater gleichen Namens stammte aus Wilster in Dithmarschen und war ebenfalls Meister seines Faches. Kurz nachdem sich Jürgen Heydtmann der Jüngere in Otterndorf niederließ, bekam er 1651 den Auftrag, diese Prieche zu bauen.

Die Stifter, Eheleute Hey und Anna Go(o)s, deren Wappen auf der Rückwand unter der Kreuzigungsgruppe zu sehen ist, gehörten dem Schifferstand an und waren zu einigem Wohlstand gekommen. Der Predigtstuhl stand früher in der Südostecke des Chores und diente dort als kleine Sakristei.

Taufbecken

Taufbecken

Der bronzene Taufkessel aus der Mitte des 14. Jahrhunderts ist ein sogenannter Dreiträgertyp. Das für die Volltaufe bemessene Becken wird von drei Jünglingen getragen.

Die Ähnlichkeit mit den Taufbecken in Bramstedt, Hollern, Beydenfleth und Kellinghusen deutet auf eine einzige Werkstatt, zumindest aber auf eine enge Verwandtschaft der Werkstätten hin. Die Form der Jünglinge, die Schriftgestaltung und die Reliefdarstellung der durch Schnüre unterteilten Kesselwandung lassen darauf schließen.

Gestühl

Das Gestühl der Kirche stammt aus dem 18. Jahrhundert und musste von den Otterndorfer Kirchenbesuchern selbst bezahlt werden. Dafür durften sie ihre Freude am Gestalten des Platzes frei entfalten. Diese verschiedenen Gestaltungen, vielmehr die Bemalung der Banklehnen und -wangen, sind heute nur noch an einer kleinen Stelle am äußeren Gang der Südseite zu sehen. Der Rest ist in der Vergangenheit einheitlich überstrichen worden, die alte Bemalung wurde probehalber freigelegt.

Stollenschrank

Der viertürige, mit eisernen Bändern beschlagene und mit kunstvollen Schlössern versehene Stollenschrank des 13. Jahrhunderts ist ein seltenes Exemplar aus der Frühgotik. In ihm wurden die kostbaren Kleinode sowie die Gelder der Kirche aufbewahrt.

Degen

Degen

In der Kirche hängt ein alter Degen (Rapier). Er ist Gegenstand einer Sage aus der Zeit der Hexenverbrennungen in Otterndorf:

In dieser Sage geht es um einen Otterndorfer Namens Macke. Er war Ritter und Dienstmann bei einem mitteldeutschen Fürsten. Außerhalb vom Land Hadeln wurde er durch seine Taten sehr bekannt. Zu Hause allerdings wurde seine Mutter der Hexerei angeklagt und schuldig gesprochen; sie sollte auf dem Scheiterhaufen, der am Osttor auf dem Galgenberg errichtet wurde, den Tod finden. Durch einen Zufall erfuhr der Sohn von diesem Urteil und eilte aus der Ferne zum Herzog von Lauenburg, dem das Land Hadeln unterstand, um eine Begnadigung zu erwirken. Der Fürst kannte den Ritter Macke und seine Verdienste und schrieb die Begnadigung ohne Zögern. Mit der Begnadigung in der Hand eilte der Ritter Otterndorf entgegen, aber als er schon den Turm der Kirche von Otterndorf sah, begegneten ihm viele Bewohner der umliegenden Dörfer, die aus Otterndorf kamen, wo sie sich das Schauspiel einer Hexenverbrennung angesehen hatten. Es war seine Mutter, die dort verbrannt worden war. Aus Ekel vor der Welt, aus Schmerz und Verzweiflung, zu spät gekommen zu sein, stieß er sich seinen Degen in die Brust.

Die Bürger von Otterndorf hingen den blutgetränkten Degen zum Andenken an den Ritter Macke im Chor der Kirche auf, dessen Mutter sie – ungeachtet seiner Taten für seine Heimat – verbrannten. Dies soll die letzte Hexenverbrennung der Gegend gewesen sein.

Historische Orgel

Orgel, Westempore und Gestühl
Orgelprospekt

Die erste Orgel wurde 1553 vom Buxtehuder Orgelbauer Matthias Mahn gebaut, dann im Jahre 1596 von Antonius Wilde um- und neu gebaut, und um 1661 wurden weitere Änderungen von dem Hamburger Orgelbauer Hans Rieger durchgeführt. 1740 schließlich baute Dietrich Christoph Gloger die Orgel neu auf. Im Jahre 1976 wurde sie zum bisher letzten Male restauriert. Mit ihren 46 klingenden Registern und insgesamt 2676 Pfeifen gehört sie zu den bedeutendsten in der Landeskirche. Das unter Denkmalschutz stehende Instrument steht auf der Westempore.[1]

I Hauptwerk C–
Quintadena 16′ H
Prinzipal 8′
Gedackt 8′ H
Oktav 4′ H
Gedacktflöte 4′ H
Quinte 22/3 H
Gemshorn 2′
Mixtur IV
Rauschpfeife II
Trompete 8′
Trompete 16′ H
II Unterwerk C–
Quintadene 8′ H
Bartpfeife 8′ H
Oktav 4′ H
Spitzflöte 4′ H
Quinte 22/3 H
Oktav 2′ H
Sifflöte 11/3
Scharf IV
Terzian II
Fagott 16′
Vox humana 8′
Schalmei 4′
III Brustwerk C–
Gedackt 8′ H
Rohrflöte 4′ H
Oktav 2′ H
Waldflöte 2′
Nasat 22/3
Sesquialtera II
Quinte 11/3
Oktavzimbel II
Krummhorn 8′
Pedal C–
Prinzipal 16′
Subbaß 16′
Oktav 8′ H
Oktav 4′
Nachthorn 2′
Weidenpfeife 1′
Mixtur III
Posaune 16′
Dulzian 16′
Trompete 8′
Trompete 4′
Kornett 2′
  • Anmerkung
H = historisches Pfeifenmaterial von 1662 (Riege), 1741 (Gloger), u.U. auch von 1596 (A. Wilde)

Glocken

Die Marienglocke ist die älteste Glocke des Geläuts und wurde 1450 von Ghert Klinghe aus Bremen gegossen. Ihre Inschrift lautet: „Anno dni mccccl maria bin ick ghehetten / de von atrendorpe hebbet mi laten geten + / help got ut not nicht unsser den dot / hans biberholt greve des landes“, und am unteren Schriftband: „defunctos plango vivos voco fulgora frango / vox mea vox vite voco vos sacra venite / god gheve siner sele rat ghert klinghe de mi ghe gote had.“ Auf ihr sind die Heilige Muttergottes mit Kind sowie der Heilige Severus abgebildet.

Die beiden anderen Glocken stammen aus dem Jahre 1952 und wurden den Toten der beiden Weltkriege gewidmet. Ihre Vorgänger wurden 1889 und 1927 gegossen und während des Zweiten Weltkriegs für Rüstungszwecke eingeschmolzen.

Das Geläut ist auf die Schlagtöne d1, f1 und g1 gestimmt.

Literatur

  • Hans-Christoph Hoffmann (Verf.), Thomas Helms (Ill.): Ev. Kirche St. Severi Otterndorf / Niederelbe. Schnell & Steiner, Regensburg 1999, Kleine Kunstführer Nr. 1992, ISBN 3-7954-5719-X.

Siehe auch

Weblinks

 Commons: St. Severi (Otterndorf) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Informationen zur Orgel auf der Website der Gemeinde
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