- Sklaverei in Sudan
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Die Sklaverei in Sudan hat eine lange Tradition und betrifft die schwarzafrikanischen Einwohner Südsudans, die von nordsudanesischen Sklavenhändlern versklavt und verkauft werden. Im Kontext des Bürgerkrieges in Südsudan, der 2005 endete, besteht sie bis in die Gegenwart fort. Hierbei versklavten paramilitärische Milizen aus Nord-Sudan, die auf der Seite der sudanesischen Regierung gegen südsudanesische Rebellen kämpften, vorwiegend Frauen und Kinder von den Ethnien der Dinka und Nuba.
Durch die Berichte ehemaliger Sklaven wie Mende Nazer und Francis Bok wurde die Sklaverei in Sudan international bekannt. Wie viele im Land bis heute in Sklaverei verbleiben, ist nicht genau bekannt, Schätzungen reichen von einigen Zehntausend bis 100.000.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die Jagd auf Sklaven in Südsudan war einst neben der Elfenbeinjagd die einzige herausragende Handelsbeziehung zwischen dem Norden und Süden des sudanesischen Gebiets. Historische Quellen belegen den Handel mit Sklaven bereits zu pharaonischen Zeiten.
Unter den Sklavenjägern waren sowohl „arabische“ Nordsudanesen als auch Angehörige weiterer Volksgruppen wie etwa der Fur aus Darfur.
Der Höhepunkt des Weltsklavenhandels liegt zwischen 1750 und 1850. Die angrenzenden islamischen Gesellschaften übten quasi ein Monopol über die Sklavenjagd in Schwarzafrika aus. Berichte von Missionaren und Forschern aus dieser Zeit beschreiben die Verschleppung von Menschen aus friedlichen Dörfern und deren Folterungen zur Belustigung. Khartum wurde zum großen Umschlagplatz für Sklaven aus dem Süden. Nach 1850 stieg der Sklavenhandel in Sudan – entgegen der weltweiten Tendenz – weiter an. Vor allem in der Provinz Bahr al-Ghazal wurde eine systematische Sklavenjagd unter dem dort eingesetzten ägyptischen Gouverneur Zobair Pascha betrieben. Zwischen 1875–1879 wurde die Zahl der in die Sklaverei verschleppten Menschen in Sudan vom britischen Gouverneur Gordon mit 100.000 angegeben.
Auch in der Zeit des Mahdi-Reichs (1885–1898) wurden weiter Südsudanesen versklavt. Lediglich der Export von Sklaven war verboten worden. Da in der Armee der Mahdisten viele Sklaven kämpften, lag der Grund für das Exportverbot hauptsächlich darin, eine Schwächung der Armee zu verhindern. Die anglo-ägyptische Kolonialmacht unterband den Export, tolerierte aber zum Teil die Sklaverei im Inneren entgegen offiziellen Verboten, weil sie ebenfalls von (ehemaligen) Sklaven in der Armee profitierte und die nordsudanesischen Eliten nicht verärgern wollte.
Heutige Sklaverei
Die Bürgerkriege in Südsudan, die auf die Unabhängigkeit 1956 folgten, führten zu einem Wiederaufleben der Sklaverei. Verstärkt im zweiten Bürgerkrieg (1983–2005) verschleppten „arabisch“-muslimische Milizen aus Nordsudan, die von der sudanesischen Regierung als Paramilitärs gegen die Rebellen der SPLA ausgerüstet wurden, südsudanesische Zivilisten in die Sklaverei. Die Regierung tolerierte oder unterstützte dies. Sie verneint die Existenz von Sklaverei und spricht offiziell von „Entführungen“ im Kontext lokaler Stammesfehden, über die sie kaum Kontrolle habe.
Besonders stark von Sklavenjagden betroffen war das hauptsächlich von Dinka bewohnte Gebiet Bahr al-Ghazal, das an der Grenze zum Norden liegt und wo viele Milizionäre zur Sicherung der Nachschubzüge in die Garnisonsstadt Aweil im Einsatz waren. Auch in den Nubabergen kam es zu Versklavungen.
Das Friedensabkommen zwischen Regierung und Rebellen im Jahr 2005 beendete den Krieg in Südsudan und damit die Sklavenjagden weitgehend.
Manchen Berichten zufolge wurden auch im andauernden Konflikt in Darfur vereinzelt Zivilisten von Dschandschawid-Milizen entführt[1], allerdings kommt dies seltener vor als im Süden. Als Hauptgrund hierfür wird angeführt, dass die schwarzafrikanischen Bewohner Darfurs ebenso wie die hellhäutigeren „arabischen“ Nordsudanesen Muslime sind und somit theoretisch von anderen Muslimen nicht versklavt werden sollten.
Sklavenfreikaufaktionen
Als Anfang der 1990er Jahre in der westlichen Presse über Sklaverei in Sudan berichtet wurde, begannen zahlreiche evangelikale Sekten in den USA und Kanada Geld zu sammeln, um Sklaven freizukaufen. Ab 1995 beteiligte sich Christian Solidarity International (CSI) aus der Schweiz in großem Stil an der „Sklavenbefreiung“. Andere internationale Organisationen wie die britische Christian Solidarity International Worldwide und die US-amerikanische Anti Slavery Group betrieben oder betreiben ebenfalls Freikaufprogramme für Sklaven. Diese Programme haben nach Angaben von CSI Zehntausenden zur Freiheit und Rückkehr nach Südsudan verholfen. Andere Organisationen wie UNICEF und das Dinka-Komitee kritisieren sie als moralisch fragwürdig und kontraproduktiv, da sie Sklavenhändler für ihre Verbrechen belohnt und zusätzliche finanzielle Anreize für weitere Sklavenjagden schaffen könnten. Kindersklaven aus Südsudan wurden teilweise bereits ab 15 US-Dollar verkauft, ein Rückkauf für 50 bis 100 US-Dollar an ausländische Aufkäufer entwickelte, so lautet die Kritik, eine wirtschaftliche Dynamik und war gewinnbringender als der eigentliche Sklavenhandel. Dinka in betroffenen Gebieten und Menschenrechtsorganisationen beobachteten teilweise eine Zunahme von Entführungen. Die Sklavenaufkäufer gelangten während des Bürgerkrieges im Zusammenhang mit der Operation Lifeline Sudan über den kenianischen Flughafen Lokichoggio in den Süden des Landes.[2]
CSI meint demgegenüber, dass die Sklaverei in Sudan vor allem eine Folge des Krieges und zum Teil gezielt eingesetzte „Kriegswaffe“ und weniger auf wirtschaftliche Motive zurückzuführen sei. Diese Ansicht entspricht der Sprachregelung der sudanesischen Regierung, die den Begriff „Sklaverei“ ablehnt und stattdessen von „Entführungen aufgrund von Stammeskriegen“ spricht.[3]
Maßnahmen zur Abschaffung
Auf internationalen Druck gründete die sudanesische Regierung 1999 ein Komitee zur Abschaffung der Entführung von Frauen und Kindern (engl. Committee for the Eradication of the Abduction of Women and Children, kurz CEAWC), das nach eigenen Angaben 6.000 Sklaven vom Stamm der Dinka nach Südsudan zurückführte. Allerdings musste es im August 2006 wegen Finanzproblemen seine Arbeit einstellen.[4] Anfang 2008 nahm es sie, finanziert von der südsudanesischen Autonomieregierung, wieder auf.
Das von James Aguer Alic geführte Dinka-Komitee setzt sich für die Befreiung von Sklaven – insbesondere vom Volk der Dinka – ein und konnte bis 2003 die Befreiung von schätzungsweise 2.200 Sklaven erreichen. Hierbei arbeitet es teilweise mit Nordsudanesen zusammen.[5]
Siehe auch
Bekannte Personen, die von der Sklaverei in Sudan betroffen waren:
Einzelnachweise
- ↑ BBC News: BBC News: Probe of Darfur 'slavery' starts
- ↑ Sudan: The False Promise of Slave Redemption. The Atlantic Monthly, 1. Juli 1999
- ↑ Francis M. Deng, S. 45
- ↑ Sudan Tribune: 22.08.2006 – "Ghosts haunt forgotten former Sudan slave"
- ↑ World's Children's Prize for the Rights of the Child 2003: James Aguer Alic
Literatur
Wissenschaftliche Literatur:
- Jok Madut Jok: War and Slavery in Sudan, University of Pennsylvania Press 2001, ISBN 978-0812217629
- Elimar von Fürstengerg, Helmut Ruppert: Der Südsudan in Sklavenketten, Regensburg 1969
Erfahrungsberichte ehemaliger Sklaven:
- Mende Nazer, Damien Lewis: Sklavin, München, Schneekluth 2002, ISBN 3795118018
- Francis Bok, Edward Tivnan: Flucht aus der Sklaverei, Lübbe 2004, ISBN 3404615409
- Daniel Gerber: Fünfzehn Dollar für ein Leben, Basel, Brunnen 2005, ISBN 3-7655-3843-4
Weblinks
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