Schwarzafrikaner

Schwarzafrikaner
Kinder in Namibia.

Der Begriff Schwarzafrikaner entstand in der Kolonialzeit zur Abgrenzung von Menschen aus „Schwarzafrika“ gegenüber Orientalen und den hellhäutigeren Populationen (z. B. Berbern) Nordafrikas.[1][2][3] Im Gegensatz zu Schwarzafrika wurde der nördliche Teil Afrikas in der Sprache der Kolonialisatoren Weißafrika genannt und, auch aufgrund seiner Geschichte als Grenzgebiet des Abendlands (Africa), als „zivilisierter“ hervorgehoben. Der Versuch, zwischen "Mohren" in Weißafrika und "Negern" in Schwarzafrika zu differenzieren, konnte nicht schlüssig durchgehalten werden. Als „Verbindungsrasse“ zwischen den Menschen aus Schwarzafrika und den Bewohnern Weiß- beziehungsweise Nordafrikas wurde die „Rasse“ des „Sudannegers“ konstruiert. Dieser Begriff findet sich zum Teil noch heute in deutschen Schulbüchern wieder.[4]

Inhaltsverzeichnis

Begriffsgeschichte nach Frantz Fanon

Zu den Implikationen des Wortes „Schwarzafrika“ beziehungsweise „Schwarzafrikaner“ schreibt Frantz Fanon:[3]Man teilt Afrika in einen weißen und einen schwarzen Teil. Die Ersatzbezeichnungen: Afrika südlich der Sahara, können diesen latenten Rassismus nicht verschleiern.“ Mit dieser „dem eurozentristischen Weltbild entspringenden Vorstellung“ werde laut Fanon vermittelt, dass das „Weiße Afrika“ die Tradition einer „tausendjährigen Kultur“ habe, quasi „mediterran“ sei, und Europa widerspiegeln würde. Dem „weißen Afrika“, das an der abendländischen Kultur teilhabe, stelle man ein „schwarzes Afrika“ gegenüber, das als „träge, brutal und unzivilisiert – eine wilde Gegend“ dargestellt werde.

Der schwarze Mensch erscheint aus der Perspektive des Weißen als minderwertig, aber umgekehrt ist der Weiße mit seinen „Errungenschaften“ Zivilisation, Kultur, kurz Intellekt, nachahmenswert.“

Fanon spricht weiter davon, dass „der schwarze Mensch in eine neurotische Situation geworfen wird“, wenn er in einer weißen Gesellschaft lebt, die „deren Überlegenheit gegenüber der schwarzen Bevölkerung proklamiert“ (Philipp Dorestal). Fanon kritisiert, dass die „schwarze Person“ eine „weiße Maske“ tragen müsse, um in einer kolonialisierten Welt ernst genommen zu werden.[5]

Dem stehen antikolonial-revolutionäre Afrikanitätskonzepte unter starker Betonung afrikanischer Identität und Stärken gegenüber - eine Variante der Verarbeitung des kolonialen Traumas - wie etwa die Négritude-Bewegung Leopold Sedar Senghors, die gleichermaßen für „schwarzes Selbstbewusstsein“ und „Distanzierung zur weißen Gesellschaft“ eintreten.

Subsahara-Afrika: Land der Anderen

Es waren jedoch nicht nur die von Frantz Fanon beschriebenen Auswirkungen des europäischen Kolonialismus und, darüber hinaus, der atlantische Sklavenhandel, die zum Negativbild von den Afrikanern in den Subsahara-Gebieten beitrugen. Parallel dazu und bis in die ersten Jahrhunderte der Ausbreitung des Islam zurückreichend waren Schwarzafrikaner Objekte des Menschenhandels in die arabo-islamischen Länder.[6]

Der französische Mittelalterhistoriker Jacques Heers untersuchte in seiner Geschichte des Sklavenhandels vom 7. bis 16. Jahrhundert, wie die islamische Eroberung von Norden her immer weiter in den afrikanischen Kontinent vorstieß, aber Subsahara-Afrika von der Eroberung ausgeschlossen blieb und nur als heidnisches Reservoir für Sklaven ausgebeutet wurde. Dieses Reservoir war auch Ziel beim Vordringen im Osten entlang des Indischen Ozeans, wobei ausschließlich Handelsplätze an der Küste angelaufen wurden, das Innere des Kontinents aber ausgespart blieb und vorwiegend Inseln wie Sansibar und die Komoren zu arabischen Stützpunkten wurden (Siehe hierzu auch Swahili). Zur Rechtfertigung der Versklavung berief man sich im Islam seit dem 11. Jahrhundert auf das, was Noachs Fluch gegenüber Ham bedeutete, dass er nämlich mit seinen Nachkommen zum Dienen verdammt wäre. Aus dem Islam ging die Berufung auf das Alte Testament mit ähnlicher Wirkung in die europäische Überlieferung über, als der atlantische Sklavenhandel zu rechtfertigen war.[7] Muslimische Gelehrte wie Avicenna, al-Idrisi oder Ibn Chaldun waren an der Verbreitung des schlechten Rufs der Schwarzen beteiligt, wobei sie sich ohne eigene Anschauung auf die bei Ptolemäus entfaltete Klimatheorie beriefen. Die Hitze sei es, die die Menschen in diesen Gebieten den Einflüssen von Venus und Mars gleicherweise öffne und ihnen ein glühendes Temperament ohne die Mäßigung durch Selbstkontrolle verleihe.[8] Nach Jacques Heers galten für die Muslime die Schwarzen als die Einzigen, die die Sklaverei akzeptierten, und zwar aufgrund ihrer Stellung auf der menschlichen Rangleiter, wo sie in der Nähe der Tiere eingeordnet waren (siehe hierzu Zandsch). Nie sei im Islam die Sklavenjagd in Subsahara-Afrika in Frage gestellt gewesen, was umso leichter durchzuhalten war, als afrikanische Mittelsmänner zu eigenem Nutzen für Nachschub sorgten.[9]

Verwendung des Begriffs und Alternativen

Dass die Hautfarbe zur Selbst- und Fremdbezeichnung dient, ist auch Eigenheit afrikanischer Sprachen. So heißt der Europäer in der Bambarasprache Malis farajè („Weißhaut“) oder tulobilènin („kleines rotes Ohr“), der Afrikaner jedoch farafin („Schwarzhaut“); in der San-Sprache Burkina Fasos bedeutet seeci „schwarzer Mensch“ für Afrikaner und seefu „weißer Mensch“ für den Europäer.[10] In den Bantu-Sprachen Ost-, Süd und Zentralafrikas bedeutet Muzungu (auf Swahili mzungu, im Kikongo mundele) „Mensch mit weißer Hautfarbe“ und Mweusi „Mensch mit schwarzer Hautfarbe“.

Der Begriff „Schwarzafrikaner“ bzw. „Schwarzafrikanerin“ wird heute im deutschsprachigen Raum von Behörden, Sachbuchautoren, Journalisten und Politikern verwendet. Manche dunkelhäutige Menschen afrikanischer Herkunft empfinden dies allerdings teilweise als Stigmatisierung, da sie eine pejorative Konnotation des Begriffes und eine darin implizierte Ausgrenzung im Zusammenhang mit Klischeeassoziationen wie Drogenkriminalität und Asylmissbrauch sehen.[11] Auf der anderen Seite wird der Begriff als wertneutrale Bezeichnung für den offenkundigen äußerlichen Unterschied in der Hautfarbe gesehen.

Eine Untersuchung in Wien hat ergeben, dass Menschen aus Afrika am ehesten mit ihrem Eigennamen, sonst als „Afrikaner“ oder als Staatsbürger ihres Landes bezeichnet werden wollen.[12] Alternativ werden aus den USA übernommene Ausdrücke wie Afroamerikaner (engl. African American) bzw. das Pendant Afrodeutsche verwendet. Dies klärt aber nicht die Frage, wie in Afrika lebende Menschen dunkler Hautfarbe sachlich angemessen zu bezeichnen wären. Derzeit wiederentdeckt und verwendet wird der Begriff Schwarze (engl. black people bzw. im Sg. black person). Er dient gleichermaßen als Selbst- und Fremdbezeichnung.

Zumeist im Englischen wird auch der Begriff people of African heritage („Menschen afrikanischer Herkunft“ bzw. wörtl.: „Menschen afrikanischen Erbes“) verwendet und stellt ebenfalls eine Selbstbezeichnung im Sinne des gemeinsamen kulturellen Erbes dar.

Ausnahmen

Die insbesondere in Eritrea und Äthiopien lebenden Habesha (zu deutsch: Abessinier) kann man nicht als Schwarzafrikaner bezeichnen, da ihre Vorfahren aus dem Jemen und aus Südarabien eingewanderte Semiten waren, die sich mit afrikanischen (möglicherweise nilotischen, kuschitischen, Bantu-) Ethnien vermischten. Die Habesha selbst sehen sich als „Braune“ und nicht als „Schwarze“. Ebenfalls nicht zu den Schwarzafrikanern gezählt werden die Nubier in Südägypten sowie dem Nordsudan und die kuschitischen Völker entlang des roten Meeres, vor allem im Sudan (Bedscha) und Somalia.

Siehe auch

Literatur

  • Susan Arndt (Hrsg.): AfrikaBilder. Studien zu Rassismus in Deutschland. Unrast, Münster 2006, ISBN 3-89771-407-8.
  • Susan Arndt, Antje Hornscheidt (Hrsg.): Afrika und die deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. Unrast, Münster 2004, ISBN 3-89771-424-8.
  • Susan Arndt: Kolonialismus, Rassismus und Sprache. Kritische Betrachtungen der deutschen Afrikaterminologie. Aufsatz, September 2004, von der Bundeszentrale für politische Bildung veröffentlicht Online einsehbar.
  • Marimba Ani: Yurugu. An african-centered critique of european cultural thought and behavior. Africa World Press, Trenton/N.J. 1994, ISBN 0-86543-249-X
  • Frank Böckelmann: Die Gelben, die Schwarzen und die Weißen. Eichborn, Frankfurt/M. 1999, ISBN 3-8218-4475-2.
  • Erwin Ebermann (Hrsg.): Afrikaner in Wien. Zwischen Mystifizierung und Verteufelung. LIT, Münster 2002, ISBN 3-8258-5712-3.
  • Frantz Fanon: Die Verdammten dieser Erde. Suhrkamp, Frankfurt/M. 2001, ISBN 3-518-37168-1
  • Grada Kilomba-Ferreira: Die Kolonisierung des Selbst – der Platz des Schwarzen. In: Hito Steyerl/Encarnación Gutiérrez Rodríguez (Hrsg.): Spricht die Subalterne deutsch? Migration und postkoloniale Kritik. Unrast, Münster 2003, ISBN 3-89771-425-6.
  • Tidiane N'Diaye: Der verschleierte Völkermord. Die Geschichte des muslimischen Sklavenhandels in Afrika, Rowohlt, Reinbek 2010; ISBN 978-3-498-04690-3.
  • K. Oguntoye, M. Opitz, D. Schultz (Hrsg.): Farbe bekennen. Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte. 2. Auflage. Orlanda, Berlin 1991, ISBN 3-922166-21-0.

Einzelnachweise

  1. Arndt: Kolonialismus Rassismus und Sprache
  2. Arndt, Hornscheidt: Afrika und die deutsche Sprache. S. 204
  3. a b Frantz Fanon: Die Verdammten dieser Erde. Suhrkamp, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3518371681 (st 668. Les Damnés de la Terre) (Erstveröffentlichung 1961)
  4. Vgl. Arndt/Hornscheid: Afrika und die deutsche Sprache. Dort die Stichworte: „Neger“, „Schwarzafrika“, „Mohr“.
  5. Frantz Fanon, Schwarze Haut, weiße Masken, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1992; ISBN 3-51837-686-1.
  6. Festzuhalten ist aber, dass noch Gefährten Mohammeds sich stolz zu ihrer afrikanischen Herkunft bekennen konnten (Jacques Heers, Les négriers en terres d’islam. La première traite des Noirs VIIe-XVIe siècle, Paris (Perrin) 2007, S. 156 f.). Auch das Auftreten der Heiligen Drei Könige zeigt Ebenbürtigkeit, wie auch die Verehrung des dunkelhäutigen Mauritius unter Otto I. im 10. Jahrhundert Hochachtung ausdrückt.
  7. Tidiane N’Diaye, Le génocide voilé. Enquête historique, Paris (Gallimard) 2008, S. 233 f. Vgl. hierzu auch „Code Noir“ und Aufklärung
  8. Jacques Heers (2007), S. 158-164.
  9. Jacques Heers (2007), S. 179. So haben zum Beispiel in Westafrika die Exporthäfen für den Transatlantikhandel durchweg unter der Kontrolle afrikanischer Souveräne und Sklavenhändler gestanden (J. Heers, S. 263 f.).
  10. Erwin Ebermann, S. 3
  11. Hautfarbe als Stigma
  12. Erwin Ebermann (Hrsg.): Afrikaner in Wien. Zwischen Mystifizierung und Verteufelung – Erfahrungen und Analysen. 3. Aufl., Lit Verlag, Januar 2007, S. 383 (432 S.); ISBN 3825857123

Weblinks


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