Sozialstaatsgebot

Sozialstaatsgebot

Als Sozialstaatspostulat wird der Auftrag in Artikel 20 GG bezeichnet, nachdem die „Bundesrepublik Deutschland […] ein […] sozialer Bundesstaat“ ist. Aus dem Sozialstaatspostulat leitet sich das Sozialstaatsprinzip als eine Grundlage des Grundgesetzes und des Strukturprinzips ab. Art. 79 Abs. 3 GG (Ewigkeitsklausel) schützt das Sozialstaatspostulat vor Verfassungsänderungen.

Inhaltsverzeichnis

Inhalt des Sozialstaatspostulats

Das Sozialstaatsprinzip enthält kein einklagbares Recht und ist deshalb nur ein Postulat. Es legt fest, dass Deutschland ein sozialer Staat ist. Über die Ausgestaltung des Sozialstaats muss von der Politik entschieden werden. Das Grundgesetz enthält auch, anders als die vorhergehende Weimarer Verfassung, keine eindeutigen sozialen Grundrechte.

Für das Bundesverfassungsgericht ist das Sozialstaatspostulat seiner allerersten Entscheidung zu Folge auch eine Hilfe bei der Auslegung des Grundgesetzes und anderer Gesetze.

Da die Formel sehr unterschiedlich aufgefasst werden kann, ist der Inhalt umstritten. Allerdings werden zwei Punkte weitgehend akzeptiert:

  • Der Staat kann durch eine aktive Sozialpolitik in die Wirtschaft eingreifen, um die gewünschten Ziele zu erreichen.
  • Der Umfang und die Art des Eingriffes werden von der Politik festgelegt.

Mögliche Elemente des Sozialstaatsprinzips:

Neben dem Sozialstaatspostulat beinhaltet auch noch die in Artikel 1 GG festgelegte Aufgabe des Staates, die Würde des Menschen zu schützen, oder auch die Aussage von Artikel 14, wonach Eigentum verpflichtet, dass Deutschland ein Sozialstaat sein muss.

Verhältnis zum Rechtsstaat

Das Sozialstaatsprinzip steht in einem Spannungsverhältnis zu einem anderen Prinzip des Grundgesetzes, der Rechtsstaatlichkeit. Der Grund liegt darin, dass der Rechtsstaat vor allem der Freiheit des Einzelnen und seiner Rechte dient, während der Sozialstaat in das Leben der Bürger eingreift. In der Anwendung der beiden Prinzipien hat keines der beiden einen Vorrang, sondern es muss zum Ausgleich zwischen ihnen kommen.

Geschichte

Das Sozialstaatspostulat wurde auf einen Antrag von Hermann von Mangoldt aufgenommen, aber im Parlamentarischen Rat nicht diskutiert. Sein Vorschlag geht vermutlich auf ähnliche Inhalte der Verfassungen der Bundesländer zurück. Da der Vorschlag im Rat nicht diskutiert wurde, ist nicht klar, was dieser als Inhalt verstand. Heute sieht man im Postulat ein Staatsziel. In den 1960er Jahren wurde das Sozialstaatspostulat von einer Gruppe um Wolfgang Abendroth als Aufforderung an den Staat, eine sozialistische Gesellschaft zu schaffen, angesehen.

Kritik

Da das Sozialstaatsprinzip verfassungsmäßig nicht bestimmt ist, unterliegt es zwangsläufig dem Zeitgeist der Gesellschaft. Im Sinne von Adam Smith könnte auch ein Staat mit der Bereitstellung unverzichtbarer öffentlicher Güter wie innerer und äußerer Sicherheit, Bildung sowie Infrastruktur und ohne Dinge wie Sozialhilfe das Staatsziel erfüllen. Mit Hilfe von Staatszielen wird teilweise sogar eine Einschränkung von Grundrechten begründet; auch wenn dies so nicht explizit in der Verfassung steht, kann - so die Kritik - zu diesem Zwecke auch das Sozialstaatspostulat benutzt werden. Dem vorzubeugen ist das ausdrückliche Zitiergebot des Art. 19 Abs. 1 GG beachtlich.

Eine wissenschaftliche Kritik, die den Sozialstaat als Illusion identifiziert, liefern Müller/Neusüß (Müller, Wolfgang/Neusüß, Christel (1970): Die Sozialstaatsillusion und der Widerspruch von Lohnarbeit und Kapital, in: Sozialistische Politik 6/7).

Sozialstaatsprinzip und Steuerrecht

Nach dem Sozialstaatsprinzip soll das Steuerrecht auf den wirtschaftlich schwachen Steuerpflichtigen Rücksicht nehmen und ein sozialer Ausgleich bei der Besteuerung bewirkt werden. Ausdruck des Sozialstaatsprinzips im Steuerrecht ist etwa der gestaffelte Steuertarif in der Einkommensteuer.

Siehe auch

Weblinks


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