Bahnsteigsperre

Bahnsteigsperre
Bahnsteigkarten-Automat im DB-Museum
Zugangssperre beim Oberleitungsbus Mérida
Bahnsteigsperre in Frankfurt (Main) Hauptbahnhof 1960
Bahnsteigkarte des Münchener Verkehrs- und Tarifverbunds

Die Bahnsteigsperre – auch Perronsperre genannt – stellt sicher, dass nur Personen mit einer Fahrkarte oder einer Bahnsteigkarte den Bahnsteig betreten können.

In Großbritannien sind Bahnsteigsperren auf größeren Bahnhöfen, z. B. in London immer noch verbreitet. Auch bei verschiedenen U-Bahn-Systemen, etwa in Paris, Barcelona oder London gibt es sie. Um 1912 gab es Bahnsteigsperren u.a. in Belgien, Bulgarien, Italien, Österreich-Ungarn und Spanien. Auf größeren Bahnhöfen waren Bahnsteigsperren in Dänemark, Frankreich, den Niederlanden, Rumänien, Schweden und Norwegen vorhanden, in der Schweiz nirgendwo. [1]

Lediglich in zwei deutschen Verkehrsverbünden ist der Zugang zu den U-Bahn- bzw. S-Bahn-Stationen für Personen ohne gültigen Fahrausweis auch heute noch reglementiert und nur mit Bahnsteigkarte zugelassen:

  • Hamburger Verkehrsverbund (HVV): Bahnsteigkarte zu 0,30 € (Gültigkeit 1 Stunde ab Kauf).[2]
  • Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV): Bahnsteigkarte zu 0,40 € (Karte ist selbst zu entwerten, Gültigkeit 1 Stunde ab Entwertung).[3] Im Jahr 2008 verkaufte der MVV insgesamt 25.907 Bahnsteigkarten.[4] Für 2009 gibt die Pressestelle rund 16.200 verkaufte Bahnsteigkarten an.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Zu Beginn des Eisenbahnzeitalters war der Zugang für Reisende zu dem neuen, ungewohnten und deshalb als gefährlich eingestuften Verkehrsmittel streng reglementiert. Die Reisenden wurden erst auf den Bahnsteig gelassen, wenn der Zug dort stand und nach dem Betreten des Zuges in diesem eingeschlossen. Mit zunehmendem Verkehr und der Gewöhnung des Publikum an das neue Verkehrsmittel wurde im Laufe der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Zutritt zum Zug freigegeben. Die Fahrkarten wurden nun erst im Zug kontrolliert.

Da Ende des 19. Jahrhunderts noch Abteilwagen ohne Übergang von einem Abteil zum anderen überwogen, mussten sich die Schaffner an der Außenseite der Wagen während der Fahrt auf Trittbrettern von Abteil zu Abteil hangeln. Das führte immer wieder zu schweren Unfällen.

Deshalb gingen die Preußischen Staatseisenbahnen ab dem 1. Oktober 1893 dazu über, die Fahrkartenkontrolle an den Zugang zum Bahnsteig zu verlegen, andere Bahnverwaltungen folgten bald. Auf dem Bahnsteig wurden Bahnsteigsperren errichtet, die mit Bahnsteigschaffnern besetzt wurden.

Verfahren

In der Regel gab es eigene Bahnsteigschaffnerhäuschen für den Zugang zum und den Ausgang vom Bahnsteig. Personen, die nur auf den Bahnsteig, aber nicht mit dem Zug fahren wollten (Begleitpersonen, Eisenbahnfreunde, die nur den Verkehr beobachten wollten), mussten Bahnsteigkarten lösen. Diese kosteten zunächst 10 Pfennig, später 20 Pfennig. Fahrkarten und Bahnsteigkarten wurden beim Betreten des Bahnsteigs durch die Bahnsteigschaffner gelocht. Beim Verlassen des Bahnsteigs mussten die Karten abgegeben werden und wurden zur Kontrolle eingeschickt, die Stichproben auf die Richtigkeit prüfte, um möglichem Betrug vorzubeugen.

Lenin wird folgendes Zitat zugeschrieben:

„Revolution in Deutschland? Das wird nie etwas, wenn diese Deutschen einen Bahnhof stürmen wollen, kaufen die sich noch eine Bahnsteigkarte!“

Abschaffung

1965 kündigte die Deutsche Bundesbahn an, auf allen Bahnhöfen, wo dies nicht aus Sicherheitsgründen geboten sei, die Bahnsteigsperren abzuschaffen. Ziel sei es, den Fahrgästen entgegenzukommen und Staus an den Kontrollen in der Hauptverkehrszeit zu vermeiden: Sparpotenziale gebe es nicht, da die meisten der 5.000 Beamten „kriegsbeschädigt oder körperbehindert“ seien und nicht in anderen Bereichen eingesetzt werden können. Voraussetzung sei jedoch die vorherige Genehmigung eines Fahrpreiszuschlags von 20 DM für Schwarzfahrer. Bei einem sechsmonatigen Test im Stuttgarter Hauptbahnhof hätten die Fahrgäste die Bahn „nach Strich und Faden bemogelt“.[5]

Ab dem 1. September 1965[6] wurden im Bereich der Bundesbahn die Bahnsteigsperren sukzessive in einzelnen Bahnhöfen abgeschafft, im Sommer 1974 dann flächendeckend. Die Einnahmen aus den Bahnsteigkarten deckten die Kosten für Verkauf und Kontrolle bei weitem nicht mehr und in den Zügen war eine durchgehende Kontrolle möglich. Vor allem aber machten die steigenden Fahrgastzahlen eine Modifikation des überkommenen Systems notwendig. Der Zeitpunkt der endgültigen Abschaffung korrespondiert mit der Fußball-Weltmeisterschaft 1974 in Deutschland. Auch bei der Deutschen Reichsbahn in der DDR wurden um 1970 Bahnsteigkarten und -sperren abgeschafft. Im Verkehrsverbund Großraum Nürnberg (VGN) wurde die Bahnsteigkarte erst vor wenigen Jahren abgeschafft, im September 2003 war diese noch Bestandteil der Tarifbestimmungen. Im Hamburger Verkehrsverbund (HVV) ist dies auch heute noch der Fall.[7]

Heute ist es in Deutschland, Österreich und der Schweiz weitgehend möglich, sich auf den frei zugänglichen Bahnsteigen ungehindert aufzuhalten. Ausnahmen bilden Regionalbahnen innerhalb von Verkehrsverbünden, deren Bahnsteigbereiche, beziehungsweise bei U-Bahnbetrieben abgetrennte Bereiche hinter Fahrkartenentwertern, nur mit gültiger Fahrkarte oder zum Teil auch mit Bahnsteigkarten betreten werden dürfen.

Bei U-Bahnbetrieben wie der Métro Paris sind Bahnsteigsperren Teil des Systems, die "versehentliches" Schwarzfahren unterdrücken.

Literatur

  • Ulrich Gerke: Loch um Loch. In: Eisenbahn Geschichte 26 (Februar/März 2008), S. 35–37
  • Röll, Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. 1912, Band 1, S. 431
  • Albert Kuntzemüller: Die Bahnsteigsperre. In: Jahrbuch des Eisenbahnwesens, 5. Ausgabe (1954), S. 147–159

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Röll, Enzyklopädie des Eisenbahnwesens. 2. Aufl. 1912, Band 1, S. 431
  2. FAQ des Hamburger Verkehrsverbunds
  3. MVV Tarifsystem Bahnsteigkarte
  4. Kurioser Strafzettel in München: 40 Euro für zwei Croissants
  5. Sperren auf, Augen zu: Ehrlichkeitstest auf dem Stuttgarter Hauptbahnhof. Die Zeit (23. April 1965). Abgerufen am 27. Februar 2011.
  6. Ohne Sperre. Die Zeit (20. August 1965). Abgerufen am 14. Mai 2011.
  7. Beförderungsbedingungen, Seite 5. HVV (1. September 2011). Abgerufen am 16. Oktober 2011.

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