St.-Aegidius-Kirche (Wiedenbrück)

St.-Aegidius-Kirche (Wiedenbrück)
St. Aegidius – Blick von der Langen Straße
Südseite der St.-Aegidius-Kirche mit Marktplatz
Erinnerung an den Dreißigjährigen Krieg: Kanonenkugel mit Einschlagstelle am Kirchenfenster
St. Aegidius: Innenraum beim Taizé-Abend (Nacht der Lichter)

Die St.-Aegidius-Kirche ist die katholische Pfarrkirche im historischen Ortsteil Wiedenbrück in der Doppelstadt Rheda-Wiedenbrück. Sie gehört zum Dekanat Rietberg-Wiedenbrück im Erzbistum Paderborn.

Die Kirche bildet seit über 1000 Jahren ein religiöses Zentrum des oberen Emslandes. Ihr angegliedert ist die Marienkirche St. Ursula (im Volksmund auch „Franziskanerkirche“). Patron ist der im 8. Jahrhundert in Frankreich lebende Ägidius von St. Gilles.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Urkirche wurde vermutlich als kleine Missionskirche um 785 an einem Emsübergang gegründet. Von hier aus wurde das ganze obere Emsland missioniert. Wiedenbrück gehörte zu den fünf Urpfarreien des Bistums Osnabrück. Als Tochterkirchen von Wiedenbrück wurden Rheda, Langenberg, Neuenkirchen, Gütersloh, St. Vit und Friedrichsdorf gegründet. All diese Kirchen befinden sich im jetzigen Kreis Gütersloh.

Bei der Renovierung im Jahr 1970 wurden bei Grabungsarbeiten mehrere Vorgängerbauten der heutigen Kirche nachgewiesen.

  • 9. Jahrhundert: dreischiffige Basilika mit östlichem Querhaus
  • 11./12. Jahrhundert: gleichartiger Ersatz der Vorgängerkirche
  • 13. Jahrhundert: Zwei Bauphasen. Die letztere ersetzte das Querhaus und den Chor.
  • 1502: Neubau des Langhauses
  • 1618–1648: Während des 30-jährigen-Krieges wird Wiedenbrück belagert und beschossen. Dabei wird auch die Kirche beschädigt. Reparatur um das Jahr 1651.
  • 1848–1851: Der spitzbehelmte Turm wird wegen Baufälligkeit abgerissen und durch den jetzigen, 56 m hohen Turm mit Barockhaube ersetzt.
  • 1942: Die bereits 1940 durch die Reichsregierung beschlagnahmten vier Bronzeglocken müssen am 14. Februar ausgebaut und der deutschen Rüstungsindustrie zur Verfügung gestellt werden.
  • 1946: Am 16. Juni werden drei neu gegossene Bronzeglocken eingeweiht. Die noch fehlende vierte Glocke wird später eingebaut.
  • 1970: Umfangreiche Renovierung
  • 2003: Zugehörigkeit zum Pastoralverbund Reckenberg in der Erzdiözese Paderborn
  • 2006: umfassende Innenrenovierung, teilweise scharf kritisiert wegen moderner Umgestaltung der Westwand und Orgelbühne unter Verwendung großflächiger Stahl- und Holzplatten; teilweise sehr gelobt wegen der Abbildung der heutigen Generation in zeitgemäßer Gestalt ohne historisierende Anbiederung
  • 2007: neue Orgel (Fertigstellung Mai 2007)

Architektur

Außen prägt der in drei Geschosse gegliederte Turm die Kirche. Die unteren Geschosse sind romanisch, das obere jedoch gotisch gestaltet. Das heutige Langhaus besteht als Halle von je drei quadratischen Jochen in den drei Schiffen. Es hat den für westfälische Raumgestaltung typischen quadratischen Grundriss. Große Fenster mit spätgotischen Maßwerkskronen geben der Kirche zusammen mit den Seitengiebeln ein harmonisches Aussehen. Das Rippengewölbe der Kirche wird von großen Achteckpfeilern getragen. Zur Marktseite (Süden), im mittleren Langhausjoch, befindet sich das Hauptportal. Außen, rechts neben dem Hauptportal, befindet sich die Vesperbildkapelle.

Sehenswertes

Pietà der Vesperbildkapelle in St. Aegidius
Pestrillen an der St.-Aegidius-Kirche Wiedenbrück, Nordseite
  • Sakramentshäuschen mit reichem Aufbau, eines der besten dieser Art in Westfalen. Vermutlich 1504 von Berndt Bunekemann (Münster) geschaffen.
  • Spätgotische Strahlenmadonna
  • Marienaltar (1642)
  • Sandsteinkanzel (1617), verziert mit der lebensgroßen Figur des Moses und Relief-Bildern aus dem alten und neuem Testament. Vermutlich vom Bildhauer Adam Stenelt.
  • Rosenkranzfenster von 1878
  • Kreuzweg (1900/1901) des Malers Anton Waller mit Hintergrundmotiven der Stadt Wiedenbrück.
  • Vesperbildkapelle (1871) an der Südseite des Langschiffes. Nach Plänen von Güldenpfennig durch den Bildhauer Franz Goldkuhle errichtet.
  • Mit Zinnplatten beschlagenes Holzkreuz (1648) zur Erinnerung an die Kriegsnöte (Dreißigjähriger Krieg)
  • An verschiedenen Stellen des äußeren Kirchenmauerwerkes finden sich sogenannte Pestrillen. Zu Zeiten der Pest sollen hier verzweifelte Menschen Staub von den Mauern gekratzt haben, um ihn als heiligen Schutz vor der tödlichen Krankheit zu konsumieren.

Orgel

Die Orgel wurde 1913 von der Orgelbaufirma Speith (Rietberg) in einem neogotischen Gehäuse erbaut. Sie ersetzte ein Instrument aus dem Jahre 1865, erbaut von Albinus Bott (Warendorf). 1955 wurde das Instrument nach den Klangidealen der Orgelbewegung verändert, 1972 durch die Erbauerfirma um 13 Register auf nunmehr 40 Register auf drei Manualen und Pedal erweitert. 2007 wurde das Instrument durch die Fa. Speith technisch neu errichtet. Das Pfeifenmaterial wurde weitgehend übernommen, die Veränderungen von 1955 rückgeführt. Heute hat das Instrument 52 Register auf vier Manualen und Pedal. die Spieltrakturen sind mechanisch, die Registertrakturen sind elektrisch.[1]

I Hauptwerk C–
1. Bordun 16′
2. Principal 8′
3. Doppelflöte 8′
4. Gedackt 8′
5. Gamba 8′
6. Octave 4′
7. Flauto dolce 4′
8. Quinte 22/3
9. Octave 2′
10. Cornett V 8′
11. Mixtur IV 2′
12. Fagott 16′
13. Trompete 8′
Tremulant
II Schwell-Positiv C–
14. Hornprincipal 8′
15. Rohrflöte 8′
16. Salicional 8′
17. Oktave 4′
18. Kleingedackt 4′
19. Nasard 22/3
20. Trichterflöte 2′
21. Terz 13/5
22. Quinte 11/3
23. Piccolo 1′
24. Scharff IV 11/3
25. Clarinette 8′
26. Vox humana 8′
Tremulant

III Schwellwerk C–
27. Lieblich Gedackt 16′
28. Geigenprincipal 8′
29. Wienerflöte 8′
30. Lieblich Gedackt 8′
31. Aeoline 8′
32. Vox coelestis 8′
33. Fugara 4′
34. Traversflöte 4′
35. Violine 4′
36. Flageolet 2′
37. Harm. Aetherea III
38. Progressio II-V 22/3
39. Horn 16′
40. Trompete 8′
41. Oboe 8′
42. Klarine 4′
Tremulant

Pedal C–
43. Kontrabass 32′
44. Principalbass 16′
45. Subbass 16′
46. Octavbass 8′
47. Flötbass 8′
48. Gedacktbass 8′
49. Violoncello 8′
50. Choralbass 4′
51. Posaune 16′
52. Basstrompete 8′
  • Nebenregister: Glockenspiel, Zimbelstern, Spatzen, Kuckuck

Literatur

  • Bettina Schmidt-Czaia: Das Kollegiatstift St. Aegidii et Caroli Magni zu Wiedenbrück, 1250-1650 (Osnabrücker Geschichtsquellen und Forschungen, Band 33). Osnabrück: Verein für Geschichte und Landeskunde Osnabrück, 1994. ISBN 978-3-9800335-9-6.
  • Uwe Lobbedey: St. Aegidius zu Wiedenbrück (Westfälische Kunststätten, Heft 49). Westfälischer Heimatbund, Münster 1988.
  • Ulrich Schäfer: Die Pfarrkirche St. Aegidius Wiedenbrück (DKV-Kunstführer Nr. 658) ISBN 978-3-422-02204-1

Einzelnachweise

  1. Nähere Informationen zur Orgel

Weblinks

 Commons: St. Aegidius, Wiedenbrück – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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