Staatsrat (Österreich)

Staatsrat (Österreich)

Der Staatsrat bestand in der Habsburgermonarchie und in Deutschösterreich als staatliche Institution in verschiedenen Formen.

Inhaltsverzeichnis

Staatsrat bei Maria Theresia

1760 wurde erstmals ein Staatsrat unter Maria Theresia errichtet. Er war die oberste Beratungsinstanz der Monarchin für das gesamte Gebiet der Habsburgermonarchie. Ihm gehörten drei Staatsminister, darunter der Staatskanzler, und drei weitere Adelige an. Der Staatsrat bestand auch unter Maria Theresias Nachfolgern, ab 1804 Kaiser von Österreich, bis 1848 und wurde dann durch die k.k. Regierung ersetzt.

Jüngerer Staatsrat

Der Kremsierer Verfassungsentwurf 1848 sowie die Oktroyierte Märzverfassung von 1849 sahen den Reichsrat (ab 1867 die Bezeichnung für das Parlament der im Reichsrat vertretenen Königreiche und Länder) als neues Beratungsorgan des Kaisers vor; er wurde 1851 errichtet und bestand in dieser Form bis zum Februarpatent 1861. Der im selben Jahr wieder errichtete Jüngere Staatsrat wurde 1868 (Dezemberverfassung 1867) ersatzlos aufgehoben.

Deutschösterreich 1918–1920

Staatsrat als Regierungs- und Vollzugsgewalt

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde in Deutschösterreich am 30. Oktober 1918 ein Staatsrat als Regierungs- und Vollzugsgewalt der Nationalversammlung eingesetzt.[1] Das Kollegialorgan bestand aus Franz Dinghofer, Jodok Fink und Karl Seitz, den drei Präsidenten der Nationalversammlung, die die drei führenden politischen Parteien repräsentierten, und 20 weiteren, von der Nationalversammlung gewählten Mitgliedern.

Ein Mitglied hatte als Staatsnotar die Ausfertigungen des Staatsrates zu beurkunden. Es hatte hierbei jedoch nur die ordnungsgemäße Abwicklung des jeweiligen Staatsaktes zu beglaubigen, nicht eine ggf. aus politischen Gründen verweigerbare Gegenzeichnung zu leisten.[2]

Die drei Präsidenten der Nationalversammlung, der Leiter der Kanzlei (Staatskanzler Karl Renner, nach ihm Michael Mayr, ab November 1920 erster Bundeskanzler) und der Staatsnotar bildeten das geschäftsführende Staatsratsdirektorium; die drei Präsidenten repräsentierten bis 9. Dezember 1920 den Staat nach außen und nahmen auch die Funktionen eines Staatsoberhauptes wahr.

Der Staatsrat bestellte u. a. den ersten Präsidenten des am 25. Jänner 1919 neu gegründeten Verfassungsgerichtshofs.

Staatsregierung

Der Staatsrat übte seine Vollzugsgewalt durch Beauftragte aus, die gemeinsam die Staatsregierung bildeten, den Titel Staatssekretär trugen und vom Staatskanzler koordiniert wurden. Sie leiteten die Staatsämter (= Ministerien), oft in direkter Nachfolge von Ministerien der Monarchie. Das Staatsamt des Äußern hatte z. B. die Agenden des k.u.k. Ministeriums des Äußern zu übernehmen (erster Staatssekretär war der schon am 11. November 1918 verstorbene Viktor Adler), das Staatsamt für Heerwesen die Agenden des k.u.k. Kriegsministeriums und des k.k. Landesverteidigungsministeriums, das Staatsamt für Verkehrswesen die Agenden des k.k. Eisenbahnministeriums.

Den Staatssekretären (= Ministern) konnten Unterstaatssekretäre als politische Assistenten zugeteilt werden.

Ende der Funktionsdauer

Mit dem In-Kraft-Treten des Bundes-Verfassungsgesetzes am 10. November 1920 bestand der Staatsrat nicht mehr. Von diesem Tag an wurde Staatskanzler Michael Mayr als Bundeskanzler bezeichnet, die Staatssekretäre als Bundesminister, die Unterstaatssekretäre als Staatssekretäre. An die Stelle der Nationalversammlung traten Nationalrat und Bundesrat.

Die Funktionen des Staatsoberhauptes und des Staatsnotars übernahm am 9. Dezember 1920 der an diesem Tag von der Bundesversammlung (Nationalrat und Bundesrat) gewählte erste Bundespräsident Österreichs, Michael Hainisch.

Ständestaat

In der Zeit des diktatorischen „Ständestaates“, 1934–1938, bildeten 40 bis 50 Personen, die vom Bundespräsidenten ernannt wurden, aufgrund der Maiverfassung von 1934 den Staatsrat, dessen Aufgabe die formale Vorbereitung von Gesetzen war.

Einzelnachweise

  1. § 3 Beschluss der Provisorischen Nationalversammlung für Deutschösterreich über die grundlegenden Einrichtungen der Staatsgewalt
  2. Isabella Ackerl, Rudolf Neck, Österreich, November 1918: die Entstehung der Ersten Republik. Protokoll des Symposiums in Wien am 24. und 25. Oktober 1978 (= Veröffentlichungen / Wissenschaftliche Kommission zur Erforschung der Geschichte der Republik Österreich; Bd. 9), Oldenbourg, München 1986, S. 210 ff., hier S. 212.

Literatur

Weblinks


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