Streichinstrumente

Streichinstrumente

Die Streichinstrumente sind Musikinstrumente, bei denen die Hand, ein Stab, Streichbogen oder Streichrad die Schwingungen im Darüberstreichen durch Ruckgleiten, den Stick-Slip-Effekt, verursacht. Die meisten Streichinstrumente gehören zu den Saiteninstrumenten.

Musiker, die Streichinstrumente spielen, werden als „Streicher“ bezeichnet. Bei der Aufzählung einer Orchesterbesetzung wird die Standardbesetzung von 1. und 2. Violinen, Bratschen, Violoncelli und Kontrabässen in der Regel als „Streicher“ zusammengefasst.

Inhaltsverzeichnis

Funktionsweise

Zupfen

Die Saite wird durch den Bogen oder Fingereinsatz einmalig gespannt, wodurch sich ein Dreieick bildet. Sobald die Saite losgelassen wird und frei ausschwingen kann, breitet sich der Knick auf der gesamten Saite einmalig aus (Transiente) und verebbt rasch innerhalb von Sekundenbruchteilen. Die Saite selbst entspannt sich dabei und schwingt letztlich homogen nur noch mit ihrer durch die gegriffene Länge vorgegebene Resonanzfrequenz. Der Gesamtton besteht damit aus dem Geigengrundton und einem ihm überlagerten hell klingenden Oberwellenanteil, der nicht in Korrelation zur Tonhöhe steht. Anders, als beim Klavier oder der Gitarre, ist der Grundton bei der Geige sehr gedämpft und schwingt rasch aus. Der gezupfte Ton ist damit vergleichsweisse kurz.

Streichen

Das Anstreichen der Saite gleicht prinzipiell dem Vorgang beim Anzupfen. Beim Streichen wird er aber durch den ständig vorbeigleitenden Bbogen oder das Streichrad stetig wiederholt, wodurch ein ein andauernder Ton entsteht.

Das sogenannte Ruckgleiten, der Stick-Slip-Effekt beim Streichinstrument funktioniert dabei so:

Durch die Rauheit und Klebrigkeit des Streichbogens oder -rades haftet die Saite ("stick") und wird mit der Streichbewegung mitgezogen, dadurch wird die Saite gespannt. Sobald die zunehmende Spannung der Saite stärker ist als die Haftung, löst sich die Saite und schnellt zurück ("slip"). Da die Saite aber nicht frei ausschwingen kann, sondern gebremst wird, baut sich der lokale Knick nicht einmalig ab, sondern wird ständig neu erzeugt, wodurch sich permanent neue Obertöne entwickeln. Dieser dem Geigenton überlagerte Klang wird teils als kratzend und spitz wahrgenommmen. Die Saite selbst schwingt auch hier wieder im Wesentlichen mit ihrer Eigenfrequenz und hat im Vergleich zur Gitarre einen gleichförmig hohen Oberwellenanteil.

Um eine entsprechende Reibung zu erhalten, wird beim Streichbogen das besonders raue Pferdehaar verwendet und auf Streichbogen und Streichrad Kolophonium, ein klebriges Baumharzprodukt, aufgetragen. Mehr zum Streichbogen unter Bogen.

Geschichte

Zahlreiche Saiteninstrumente zeigen bis heute mehr oder minder deutlich ihre Abstammung von der Bogenwaffe. Der Bogen wurde an den Mund gelegt um den Kopf als Resonanzkörper zu nutzen und dann die Sehne mit dem Pfeil angeschlagen oder gerieben, oder mit den Fingern gezupft. Ein Foto auf einer argentinische Briefmarke zeigt die einfachste Form eines bogengestrichenen Saiteninstrumentes: Das Ende eines kurzen Bogens wird in den Mund genommen, die Sehnenspannung kann durch Drücken mit den Fingern der Hand verändert werden. Diese Sehne wird durch Darüberstreichen mit der Sehne eines zweiten kurzen Bogens in Schwingung versetzt.

Die älteste überlieferte Beschreibung vom Spielen eines Streichinstrumentes rabab mit dem Bogen, stammt (um 900) aus dem Buch Kitab al-Musiqa, von Abu Nasr Farabi (al-Farabi, Alpharabius, geboren um 872 in Farab/Iran, gestorben um 950 in Damaskus).

Streichinstrumente wie Fidel und Rebec sind in Europa mindestens seit dem 11. Jahrhundert bekannt. Zumindest beim Rebec ist dabei der arabische Ursprung des Instruments (Rebab) sicher nachzuweisen. Aus der Fidel und dem Rebec entwickelte sich im 15. und 16. Jahrhundert die Violen- und Gambenfamilie.

Die Drehleier ist seit dem 10. Jahrhundert dokumentiert, die auch in der Renaissance und im 18. Jahrhundert beliebt war. Die Nyckelharpa (Schlüsselfidel) ist seit dem 15. Jahrhundert in Deutschland, Italien und Schweden nachweisbar.

In öffentlichen und privaten Sammlungen befinden sich Instrumente von großen Geigenbauern, von Antonio Stradivari und anderen großen Meistern des 18. Jahrhunderts bis hin zu Vuillaume im 19. Jahrhundert.

Eine noch längere Geschichte haben Streichinstrumente in China, die unter dem Begriff Huqin zusammengefasst werden. Um 800 wurden dort Streichinstrumente mit einem schmalen Bambusstreifen gestrichen. (Etwa zur gleichen Zeit benutzte man in Korea einen Holzstab zum Streichen, der mit Harz überzogen war.)

Instrumententypen

Heute in der europäischen klassischen und zeitgenössischen Musik gebräuchliche Streichinstrumente sind: Violine, Viola, Violoncello, Kontrabass. Ein Unikum bleibt der 1855 in Frankreich entstandene Oktobass.

Historische Streichinstrumente, die zur Aufführung alter europäischer Musik zunehmend wieder gebraucht werden, sind insbesondere Fidel, Gambe, Rebec (Rubeba), Trumscheit, Drehleier, Nyckelharpa und Viola d’amore.

Zur Aufführung der französischen Musik zwischen 1650 und 1750 wird inzwischen in der historischen Aufführungspraxis vermehrt auf die damals übliche Besetzung von Violinen, Haute-contre de violon (Bratsche), Taille de violon, Quinte de violon, Basse de violon zurück gegriffen. Die Taille und Quinte de violon unterscheiden sich lediglich in der Korpusgröße von der Haute-contre, die Stimmung ist gleich aber das Klangvolumen ist der Größe entsprechend erhöht. Ähnliches gilt für die Basse de violon, einem Instrument welches etwa 10 cm größer ist als ein Cello.

Zu den Streichinstrumenten mit Resonanzsaiten gehören Baryton, Viola d’amore, Drehleier, Nyckelharpa und gelegentlich Trumscheit.

Einige Streichinstrumente haben Bordunsaiten. Zu ihnen gehören Lira da Gamba, Lira da Braccio, Drehleier und einige Formen der Nyckelharpa.

Streichinstrumente, die im Bereich Folk und europäische traditionelle Musik gebraucht werden, sind insbesondere Violine (Geige, Fiddle), Kontra - eine besondere Form der Viola, Violoncello, Bassettl, Kontrabass, Drehleier, Gudok in Russland, Gudulka in Bulgarien. Besonders in der skandinavischen traditionellen Musik kommen dazu auch Nyckelharpa in ihren verschiedenen Formen, Hardangerfiedel, Viola d’amore.

Im 17., 18. und 19. Jahrhundert kam bei Tanzstunden die Pochette (in Schiffchenform) und die Tanzmeistergeige (eine Geige in teils klassischer Form, aber kleinem Korpus) zum Einsatz. Die Instrumente haben einen hellen und sehr schwachen Klang.

Mit Tasten ausgestattete mechanische Streichklaviere und halbmechanische Nyckelharpas sind ebenfalls den Streichinstrumenten zuzuordnen.

Die chinesischen Streichinstrumente – ein- und zweisaitige Geigen, die u. a. das Rückgrat des Orchesters in der Peking-Oper darstellen – werden unter der Bezeichnung Huqin (chin. 胡琴, húqín) zusammengefasst; es handelt sich um Erhu (chin. 二胡, èrhú), Gaohu (chin. 高胡, gāohú), Zhonghu (chin. 中胡, zhōnghú), Gehu (chin. 革胡, géhú) und Bass-Gehu, die jedoch regional unterschiedliche Bedeutung haben.

Hinsichtlich Japans ist die dreisaitige Kokyū zu erwähnen.

Das Rebab ist ein Streichinstrument in der arabischen Kultur. Auch im Gamelanorchester in Indonesien werden Streichinstrumente verwendet.

Manche Instrumente zählt man zu den Reibidiophonen, obgleich sie mit dem Bogen gestrichen werden:

  • Singende Säge
  • Waterphone
  • Nagelgeige: In einen hohlen Resonanzkörper eingeschlagene Nägel unterschiedlicher Länge bzw. Dicke werden seitlich mit einem Bogen gestrichen.
  • Leder: Die Seri-Indianer (Insel Tiburon/ Golf von Kalifornien)stellten /Anfang des 20. Jahrhunderts.) eine starre Lederplatte auf den Boden und strichen mit dem Bogen über die obere Kante der Haut.

Die Phonoliszt-Violina ist ein Musikautomat, bei dem sich um mehrere Violinen ein kreisförmiger Bogen dreht. Beim Spielen dieses Instruments greifen ansteuerbare Fingerhebel die Töne ab, während die Geigen unter variablen Winkeln und Drücken an den sich drehenden Kreisbogen gedrückt werden.
Das Instrument wird mit Tastatur oder Lochkartensteuerung gespielt.
Der Kreisbogen ist ein rotierender Ring, in dem viele Bogensehnen (wie die Tangente an einen Kreis) gespannt sind, so dass sich als Hüllkurve ein scheinbar kreisförmiger Streichbogen ergibt.

Weitere Spielarten der Geige sind die sog. Stroh-Geige und die Tiebel-Geige. Sie sind ohne Korpus, jedoch verstärkt ein Grammophon-Trichter die Schwingungen des Steges. Ursprünglich wurden diese Instrumente als laute Alternative zur Geige eingesetzt, um ein ausreichend starkes Signal für die Produktion von Grammophon-Schallplatten zu erzeugen.

Literatur

  • Urs Frauchiger: Der eigene Ton. Ammann Verlag, 2000, ISBN 3-250-30003-9 - spannende Interviews mit berühmten Streichern.
  • Kinseher Richard: DerBogen in Kultur, Musik und Medizin, als Werkzeug und Waffe. (Kapitel mit einfachen Bogeninstrumenten: gezupft, angeschlagen, geblasen, gestrichen), BoD, 2005, ISBN 3-8311-4109-6
  • Jack Botermans, Herman Dewit, Hans Goddefroy: Musikinstrumente selberbauen. Hugendubel, 1999, ISBN 3-89631-312-6
  • Paul Wiebe: Streicher arrangieren. Wizoobooks Verlag, 2009, ISBN 978-3-934903-70-8 - Wege zum perfekten Orchestersatz am Computer.

Weblinks


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