Stricken

Stricken
Albert Anker: Strickendes Mädchen (1884)

Stricken ist die Herstellung von Maschen mit Hilfe eines Faden oder Garns sowie zweier oder mehrerer Nadeln. Gestricke sind im Vergleich mit Geweben schwerer und durchsichtiger. Dafür sind sie besser drapierbar, sie passen sich Körperformen einfach an.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Handstricken

Vermutlich ist die Wiege der Strickkunst in Vorderasien zu finden. Ausgrabungen von Strickarbeiten fanden sich im syrischen Gebiet des Euphrat und stammen aus dem 2. und 3. nachchristlichen Jahrhundert. Im ägyptischen Oxyrhynchos stieß man auf Überreste verschiedener Strickarbeiten aus dem 4. bis 6. Jahrhundert. Dabei handelt es sich um verschiedenartig gestreifte Strümpfe und Socken, bei denen zwischen der großen und der zweiten Zehe ein Zwischenraum freigelassen wurde, um die Sandalenriemen durchführen zu können.

Im europäischen Raum fand man in einem Frauengrab aus der Zeit um etwa um 300 n. Chr. in Thüringen zwei knöcherne Stricknadeln. Aus einem merowingerzeitlichen Grab um etwa 500 n. Chr. sind ebenfalls eiserne Stricknadeln bekannt.

Vermutlich waren die ersten Strickarbeiten in der Zweinadeltechnik ausgeführt, so dass anzunehmen ist, dass die ersten Strümpfe in Europa in Teilen gestrickt und anschließend zusammengenäht wurden. Das Rundstricken auf mehreren Nadeln erfand man erst später, vermutlich in der Schweiz oder in Italien, wo aus dem Jahr 1254 ein Paar gestrickte Seidenstrümpfe erhalten geblieben sein sollen. Weitere Strickarbeiten und damit einige der wenigen Hinweise auf europäische Strickereien des 13. und 14. Jahrhunderts gibt es heute noch in der Schweiz. Es wird vermutet, dass die Araber das Stricken nach Spanien brachten, von wo es sich über den gesamten europäischen Raum verbreitete.

Buxtehuder Altar, Meister Bertram, 1400-1410
Die Tricoteuses in einer zeitgenössischen Darstellung von Pierre-Etienne Lesueur

In Spanien ist das Handstricken im 13. Jahrhundert verbreitet, wie aufwendige handgestrickte Kissen aus Grabfunden dieser Zeitstellung belegen. Die Italiener kannten vermutlich schon im 13. Jahrhundert gestrickte Strümpfe. Im deutschsprachigem Raum ist als erster Beleg für die Kenntnis des Handstrickens eine Darstellung auf dem von Meister Bertram Ende des 14. Jahrhunderts geschaffenen Buxtehuder Altar, auf der Maria für das Jesukind ein Kleidchen strickt. Dargestellt wird das Stricken mit vier Nadeln. Vermutlich lernte Meister Bertram die Technik des Strickens in Italien kennen, wo er seine Ausbildung erhielt.

In England und Frankreich ist die Herstellung von grobgestrickten Wollkappen, die anschließend gewalkt wurden, Mitte des 15. Jahrhunderts belegt. Strümpfe wurden vermutlich zu dieser Zeit noch nicht gestrickt, sondern waren nach wie vor aus gewebten elastischen Wollstoffen, etwa dem Scharlach, geschnitten und genäht. Die Mode der Strumpfhosen, die über Spanien und Italien nach Mitteleuropa kam, verlieh dem Stricken einen beträchtlichen Aufschwung. Als gesichert gilt, dass in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts der handgestrickte Strumpf in Spanien hergestellt wurde und mit der Zeit die bisher aus Stoff geschnittenen, genähten und mit Füßlingen versehenen Strümpfe und Strumpfhosen verdrängte.

Von Spanien kommt die neue Kunst des Handstrickens nach England. Als erster englischer Strumpfstricker, der feine aus Wollkammgarn handgestrickte Strümpfe fertigte, wird William Rider genannt. Er soll um 1564 die anfänglich ausschließlich als männliche Beschäftigung geltende Hosenstrickerei in England eingeführt haben.

Selbst Marie I., die vermutlich über ihre Heirat mit Philipp II. von Spanien 1554 ihre eigene Quelle für gestrickte spanische Seidenstrümpfe gehabt hatte, bezog von ihrem englischen Strumpfhersteller Myles Huggarde noch im Jahr 1554 27 Paar genähte Tuchstrümpfe.

Starke Verbreitung erfährt die Handstrickerei von Strümpfen unter Königin Elisabeth I., die 1561 ihre ersten handgestrickten seidenen Strümpfe erhalten hatte und noch bis 1577 mit jährlich 20 Paar Tuchstrümpfen beliefert wurde. Im letzten Viertel des 16. Jahrhunderts lässt sich in England ein Aufschwung in der Handstrickerei feststellen und selbst noch in der Mitte des 17. Jahrhunderts war die Mehrzahl der Socken, Strümpfe und Strumpfhosen handgestrickt.

In der Schweiz werden 1560 erstmals nahtlose Strümpfe erwähnt, die mit fünf Nadeln gestrickt wurden.

In Deutschland kommen gestrickte Strümpfe und Strumpfhosen in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Gebrauch. Sie waren jedoch anfänglich so teuer und wertvoll, dass die aus Wollstoffen genähten Strümpfe und Strumpfhosen parallel dazu noch lange hergestellt wurden. Dabei trugen die meisten wollene Strümpfe, Seide war den Königen und dem Adel vorbehalten. Markgraf Johann von Küstrin war 1569 über seine gestrickten seidenen Beinlinge so beglückt, dass er begeistert schrieb: „Ich habe auch seidene Strumpfhosen, aber ich trage sie nur sonn- und feiertags“.

Maschinelles Stricken

Während beim Wirken die Maschenreihe mit sämtlichen Einzelmaschen auf einmal entsteht, werden beim Stricken die Maschen nacheinander gebildet. 1856 ließ der Engländer Mathew Townsend aus Leicester eine mit Gelenk versehene Nadel (Zungennadel) patentieren. Mit Hilfe dieser Nadel wurde der Maschenbildungsprozess einfacher als mit Spitzennadeln. 1881 wurde die Doppelzungennadel von Durand erfunden. Dadurch konnten jetzt von Links-Links-Strickmaschinen gebaut werden. In Bezug auf die Ausgestaltung unterscheidet man Flach- und Rundstrickmaschinen, die sowohl für den Hand- als auch für den Motorbetrieb infrage kommen.

Siehe auch → Strickmaschine.

Techniken

Stricken von Hand

Als Material verwendet man Handstrickgarn, das z. B. aus Seide, Wolle, Baumwolle, Viskose oder Polyacryl bestehen kann. Die Stricknadeln werden aus Stahl, (Bambus-) Holz, Kunststoff oder Carbonfasern angefertigt, sind 15 bis 50 cm lang, überall gleich stark (2–20 mm) und an den Enden etwas zugespitzt. Wenn man mit zwei Nadeln strickt, so sind diese an einem Ende mit einem Maschenstopper versehen, damit die Maschen nicht abgleiten können. Auf die eine Nadel werden durch Knüpfen Maschen aufgelegt; diese Nadel nimmt man in die linke Hand und legt den an der letzten Masche hängenden Faden über den Zeigefinger um die anderen Finger; mit der von der rechten Hand gehaltenen zweiten Nadel sticht man in die erste Masche, fasst mit der Nadel den straff angezogenen Faden, zieht ihn durch die Masche hindurch und lässt diese von der Nadel heruntergleiten. Da der Faden ohne Unterbrechung fortläuft, sind alle Maschen miteinander verbunden. Die Haltung der Stricknadeln unterscheidet sich zwischen den Ländern, d. h. sie ist z. B. in Deutschland anders als in Italien. Die Bilder zeigen das Vorgehen bei „englischer“ Strickweise (gebräuchlich im angelsächsischen Raum, teilweise auch in den Niederlanden und Frankreich), bei der der Faden mit der rechten Hand geführt wird. Bei „kontinentaler“ Strickweise, die im deutschsprachigen Raum gebräuchlicher ist, wird der Faden mit der linken Hand geführt und mit der rechten Nadel durch die vorhandene Masche durchgeholt.

Stricken mit 4 Nadeln, dem Nadelspiel

Man unterscheidet rechts- und linksgestrickte Maschen. Beim Rechtsstricken sticht man von vorn in die Masche und zieht den Faden von hinten nach vorn durch, beim Linksstricken ist es umgekehrt. Ist die Strickarbeit lappen- oder streifenartig, so bedient man sich zweier Nadeln und wendet jedes Mal am Ende der Nadel das Strickzeug um. Will man ein Rund stricken, so braucht man vier oder fünf Nadeln (ein so genanntes Nadelspiel) oder eine Rundstricknadel, die aus zwei durch einen Perlondraht miteinander verbundenen Nadeln besteht. Verwendet man ein Spiel, so werden die Maschen auf vier Nadeln verteilt, die fünfte wird zum Abstricken der Maschen verwendet. Bei einer Rundstricknadel werden die Maschen fortlaufend abgestrickt, wodurch ein schlauchförmiges Gestrick entsteht. Durch die Variation von rechten und linken Maschen, Ab- und Zunahmen, Umschlägen, Verschränken der Maschen und anderen Arten von Maschenbildungen kann man verschiedene Muster in die Strickerei einbringen (Strickmuster). Mit der so genannten Doppelstrick-Methode, die vor allem in Ostpreußen zu Hause war, werden zwei verschieden farbige Fäden verstrickt. Dadurch können Mützen, Strümpfe oder Handschuhe so hergestellt werden, dass bei kompletter Wendung der Innenseite nach außen das gleiche Muster, aber in der anderen Farbe zu sehen ist.

Gestrickt werden können fast alle Arten von Kleidungsstücken wie z. B. Strümpfe, Pullover, Röcke, Jacken, Strickjacken, Hauben, aber auch Kunststrick-Decken, Gardinen, Teppiche etc.

Maschinelles Stricken

Mit industriellen Rundstrickmaschinen lassen sich besonders feine Gestricke herstellen, Flachstrickmaschinen erzeugen mit Baumwoll-, Woll-, oder Synthetik-Garnen Kleidungsstücke wie z. B. Pullover. Wie dick das Gestrick wird und welche tragetechnischen Eigenschaften es hat, hängt dabei unter anderem von der Strickmaschine, dem verwendeten Garntyp, dem eingesetzten Fasermaterial und der Strickbindung ab.

Industrielle Strick- und Wirkmaschinen sind nicht gleichzusetzen mit Handstrickapparaten, bzw. Heimstrickmaschinen, wie sie in den 1960er und 1970er Jahren und auch in den letzten Jahren (Stand 2009) wieder vermehrt im häuslichen bzw. Hobbybereich eingesetzt werden. Die Erzeugung eines Kleidungsstücks in einem Arbeitsgang ist mit solchen Apparaten nicht möglich. Die Funktionsweise ähnelt zwar der einer industriellen Maschine, die Maschen hängen in einer Reihe auf Zungennadeln und werden mittels eines beweglichen Schlittens abgestrickt, anschließend wird das Gestrick in derselben Weise weiterverarbeitet wie beim Handstricken.

Strickmuster

Gestrick einer Rundstrickmaschine rechte Seite
Gestrick einer Rundstrickmaschine linke Seite

Es gibt im Grunde genommen nur zwei verschiedene Maschenarten, die rechte, bei der die neue Schlaufe von hinten kommend nach vorn durch die alte Schlaufe gezogen wird (d. h. der querlaufende Teil des Fadens liegt hinten), und die linke, bei der der Faden von vorn nach hinten durchgezogen wird, wobei der querlaufende Teil vorn zu liegen kommt. Beide bilden jeweils die Rückseite der anderen. Alle anderen „Maschen“ sind nur Abwandlungen davon. Erwähnenswert sind in diesem Zusammenhang außer rechten und linken Maschen:

  • verschränkte/verdrehte Masche (Masche um 180° gedreht auf der Nadel)
  • Umschlag
  • mehrere Maschen zusammenstricken
  • Maschen verkreuzen (z. B. für Zopfmuster)
  • Maschen aufnehmen oder anschlagen am Anfang der Strickarbeit oder um die Maschenzahl zu erhöhen
  • Maschen aufnehmen aus der vorhergehenden Reihe, um Bogeneffekte zu erzielen
  • Maschen abketten am Ende der Strickarbeit oder um die Maschenzahl zu verringern
  • Maschen abheben, um in die Höhe verlängerte, über zwei oder mehr Reihen gehende Maschen zu erzielen, die dann oft auch noch verkreuzt werden.

Durch Kombination dieser Maschen erhält man unterschiedliche Muster. Insbesondere beim Kunststricken, mit dem man z. B. Tischdecken stricken kann, werden Muster angewandt. Weitere Musterarten erzielt man z. B. durch das Verstricken von mehreren Farben in einer Reihe, wobei man wahlweise in rechten oder linken Maschen oder einem Gemisch aus beiden stricken kann.

Stricken aktuell

Eingestrickter Baum in Ohio

Bei offenen Strickrunden, sogenannten Strickkränzchen,[1] treffen sich auch junge Menschen und lernen Tipps und Tricks von einer Strickdesignerin. Die Radical-Crafting-Bewegung verbindet Stricken mit Politik. Junge Leute nutzen das Stricken als Möglichkeit, um gegen industriell gefertigte Massenware zu protestieren.[2] Auch die Kunstszene hat das Stricken wieder für sich entdeckt. Beim Urban Knitting stricken Strickguerilla-Aktivisten Gegenstände wie Skulpturen, Bäume oder Regenrinnen bunt ein und bringen so Farbe in den grauen Stadtalltag.[3] Die Texanerin Magda Sayeg und ihr Strick-Kollektiv KnittaPlease gelten als Erfinder des Urban Knittings. Schon 2005 schmückten sie Telefonzellen mit Strickmustern, um dem tristen öffentlichen Raum etwas Wärme zurückzugeben.[4]

Siehe auch

Literatur

Geschichte des Strickens

  • Sylvia Greiner: Kulturphänomen Stricken. Das Handstricken im sozialgeschichtlichen Kontext, Verlag Bernd A. Greiner, Weinstadt 2002, ISBN 978-3-935383-06-6
  • Anne Macdonald: No Idle Hands: The Social History of American Knitting, Ballantine Books, 1990
  • Richard Rutt: A History of Hand Knitting, 1987
  • Susan M. Strawn; Melanie Falick: 'Knitting America: A Glorious Heritage from Warm Socks to High Art, Voyageur Press, 2007
  • Irena Turnau: History of knitting before mass production, Oficyna Wydawnicza „Akcent“, Warszawa 1991, ISBN 83-900213-2-3

Anleitungen

  • Debbie Bliss: Stricken, Haupt, Bern 2000, ISBN 3-258-06039-8
  • Katharina Buss: Das große Strickbuch, Urania-Verlag, Stuttgart 2004, ISBN 3-332-01434-X
  • Lisl Fanderl: Bäuerliches Stricken, Rosenheimer Verlagshaus, Rosenheim 2001
    • 1. – Alte Muster aus dem alpenländischen Raum, ISBN 3-475-52128-8
    • 2. – Strümpfe, Jacken und Westen nach alten Mustern aus Museen und Privatbesitz, ISBN 3-475-52266-7
    • 3. – Bezaubernde Strickmuster aus Bozen, Innsbruck, Wien, Laufen a.d. Salzach, Nördlingen, Eichstätt sowie aus den Klöstern Niederaltaich und Frauenchiemsee, ISBN 3-475-52402-3
  • Emmy Heine: Schule des Strickens, Wagner, Leipzig 1879, (Lehrbücher der Handarbeit; 1)
  • Gabriele Hillardt: Das Stricken, Hasbach, Wien 1887

Weblinks

 Commons: Stricken – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. http://muenchen.prinz.de/veranstaltungen/strickkraenzchen-special-events-weitere,994791,1-1656750,EventSchedule.html
  2. Anne Petersen: Rückkehr der fleißigen Stricklieseln, Die Welt, 17. Dezember 2007
  3. Maria Rossbauer: Neue Streetart: Urban Knitting. Wenn die Laterne lila Strümpfe trägt, die tageszeitung, 12. Februar 2011
  4. Sonja Peteranderl: Street-Art in München Die Strickguerilla, Süddeutsche Zeitung, 10. November 2010

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  • Stricken — Stricken, verb. regul. act. welches in einer doppelten Hauptbedeutung üblich ist. 1. Zunächst von Strick, und zwar in dessen Bedeutung eines Fall oder Fangestrickes, in einen solchen Strick verwickeln, damit fangen; in welchem Verstande es doch… …   Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart

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  • Stricken — Strick en, p. p. & a. from {Strike}. 1. Struck; smitten; wounded; as, the stricken deer. Note: [See {Strike}, n.] [1913 Webster] 2. Worn out; far gone; advanced. See {Strike}, v. t., 21. [1913 Webster] Abraham was old and well stricken in age.… …   The Collaborative International Dictionary of English

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  • stricken — [strik′ən] vt., vi. alt. pp. of STRIKE adj. 1. struck or wounded, as by a missile 2. afflicted or affected, as by something painful or very distressing [the stricken man, a stricken conscience] 3. having the contents level with the top of a… …   English World dictionary

  • -stricken — UK US [strɪkən] suffix used with some nouns to describe people or things affected by serious problems or unpleasant emotions poverty stricken grief stricken Thesaurus: suffixeshyponym …   Useful english dictionary

  • Stricken — Stricken, die mittels zweier Nadeln hergestellte Verschlingung eines einzigen Fadens in Maschen ohne Knoten zu einer Stofffläche, deren Faden sich aber wieder ausziehen oder auffädeln und von neuem bearbeiten läßt. Als Material gebraucht man… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • stricken — V. (Mittelstufe) mit zwei großen Nadeln Maschen aus Wolle machen Beispiele: Sie strickt an einem Schal. Du musst zwei rechts und zwei links stricken …   Extremes Deutsch

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