Tagesrhythmen

Tagesrhythmen
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Eine circadiane Rhythmik oder einen circadianen Rhythmus (lateinisch circa, „um“, „um herum“, „ungefähr“, lateinisch dies, „der Tag“, griechisch ρυθμική, rithmikí bzw. ρυθμός, rithmós, „der Rhythmus“) nennt man in der Chronobiologie die endogenen (inneren) Rhythmen, die eine Periodenlänge von circa 24 Stunden haben. Dieser Begriff wurde 1959 von Franz Halberg eingeführt[1]. Er wird heute häufig auch eingedeutscht zirkadianer Rhythmus geschrieben.

Inhaltsverzeichnis

Funktion

Die circadiane Rhythmik hilft einem Organismus, sich auf täglich wiederkehrende Phänomene einzustellen. Sie steuert oder beeinflusst beispielsweise Blattbewegungen oder Blütenöffnung bei Pflanzen und bei Tieren die Herzfrequenz, den Schlaf-Wach-Rhythmus, den Blutdruck und die Körpertemperatur.

Neben dem endogenen Charakter dieser Rhythmen ist der Freilauf unter konstanten Bedingungen, die relative Unempfindlichkeit gegenüber der Umgebungstemperatur, die Entrainierbarkeit in einem bestimmten und begrenzten Zeitgeberbereich und eine genetische Disposition bezeichnend für die circadianen Rhythmen.

Da die äußere Ursache der circadianen Rhythmik die Eigenrotation unseres Planeten ist, fungiert als augenfälligster äußerer Rhythmusgeber der Wechsel der Beleuchtungsintensität unserer Atmosphäre. Dieser Schrittmacher wird im visuellen System erkannt, teilweise auch der sich ändernde Sonnenstand.

Das Weiterbestehen eines frei laufenden circadianen Rhythmus unter konstanten Bedingungen zeigt, dass es einen Oszillator, eine Rhythmus generierende innere Einheit geben muss. Solange nicht bekannt ist, wie dieser Oszillator arbeitet, kann man nur an dem wahrgenommenen Rhythmus Messungen ausführen, unter möglichst weitgehender Ausschaltung äußerer Rhythmusgeber. Eigenschaften des Oszillators müssen dann aus dem Verhalten abgeleitet werden: die klassische "Black Box"- Annäherung der Verhaltensforschung, wie sie speziell den Behaviorismus auszeichnet. Für etliche Tiergruppen konnten inzwischen zumindest Teile der Black Box im Zentralnervensystem (ZNS) lokalisiert werden.

Bei allen untersuchten Organismen scheint Cryptochrom eine entscheidende Rolle für die Nachjustierung der inneren Uhr zu spielen:

Bei Fischen, Amphibien, Reptilien und vielen Vögeln ist die Epiphyse dagegen noch lichtempfindlich. Bei einigen Amphibien wird ein sogenanntes Scheitelauge beobachtet: eine Schädelöffnung, die nur von Hirnhaut und Haut bedeckt ist und so Licht ins Hirn durchlässt („Drittes Auge“). Außerdem steuert sie bei Reptilien und einigen Vögeln außer der circadianen Melatoninproduktion auch noch andere circadiane Rhythmen wie beispielsweise die Körpertemperatur und Nahrungsaufnahme. Man kann davon ausgehen, dass sie entwicklungsgeschichtlich älter ist als der Suprachiasmatische Nucleus (SCN).

Säugetiere

Der Suprachiasmatische Nucleus (SCN) ist beim Säugetier mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Hauptschrittmacher seiner circadianen Rhythmik. Bei Säugetieren unterliegt das Pinealorgan der Steuerung durch den SCN. Inzwischen gibt es viele Hinweise darauf, dass noch andere Schrittmacher existieren, beispielsweise in der Netzhaut. Wie diese Uhren allerdings genau funktionieren, ist noch unbekannt.

Mensch

Der Mensch lebt immer stärker im Gegensatz zu seinem circadianen Rhythmus. So nimmt der Anteil an Schichtarbeit immer mehr zu. Zweitens setzen wir uns immer weniger Sonnenlicht aus. Wir verbringen – besonders im Winter – immer mehr Zeit in Innenräumen, wo die Lichteinstrahlung selten höher als 500 Lux liegt. Ein bedeckter Himmel im Freien hat aber immer noch 8 000 Lux und direkte Sonneneinstrahlung sogar etwa 300 000 Lux. Zunehmend sind wir auch nachts künstlichen Lichtreizen ausgesetzt. Somit leben wir in Bezug auf unser circadianes System „im Dunkeln“.

Unsere „Uhr“, die eigentlich täglich einer neuen „Justierung“ bedarf, hat mit immensen Problemen zu kämpfen. Die Auswirkungen können sein: Schlaf- und Essstörungen, Energielosigkeit bis hin zu schweren Depressionen. In sehr äquatorfernen Regionen (wie zum Beispiel Norwegen), wo im Winter die Lichtausbeute pro Tag sogar gegen Null gehen kann, ist inzwischen die Lichttherapie gegen die sogenannte Winterdepression als wirksam anerkannt (so genannte "Lichtduschen" als helle Lampen, die vorne an speziellen Kopfbedeckungen angebracht sind). Bei diesen Depressionen liegen die Ursachen aber vorrangig am Tageslichtmangel und weniger an dem gestörten Tagesablauf.

Auch sind häufige Reisen über mehrere Zeitzonen (das heißt in Ost-West- oder West-Ost-Richtung) eine große Belastung für unser circadianes System. Einige Fluggesellschaften bieten ihren Fluggästen auch gezielt Lichtreize an, um den Jetlag besser zu überstehen.

In der Bevölkerung können zwei Hauptkategorien von „Chronotypen“ unterschieden werden. Die einen gehen gerne spät zu Bett und schlafen gerne länger – die „Eulen“, während die „Lerchen“ früh zu Bett gehen und früh aufstehen. Da diese Unterschiede höchstwahrscheinlich durch genetische Prädisposition zustande kommen, ist ein „Umerziehen“ so gut wie ausgeschlossen. Das bedeutet, dass ein großer Teil der Bevölkerung ständig im Gegensatz zu seinen Anlagen lebt.

Bei Jugendlichen, die während der Pubertät tendenziell alle „Eulen“ sind, konnte beispielsweise nachgewiesen werden, dass eine Stunde späteres Beginnen der Tagesaktivitäten – besonders im Winter – zu allgemeiner Leistungsverbesserung und besserem Gesundheitszustand führte.

Ein weiterer interessanter chronobiologischer Ansatz ist die veränderte Altersstruktur unserer Gesellschaft. Bei Babys überwiegt noch das ultradiane System – kurze Aktivitätsphasen wechseln mit kurzen Schlafphasen von zum Teil nicht einmal einer halben Stunde ab – bis die Rhythmik des Kleinkindes zunehmend vom circadianen System gesteuert wird. Im Greisenalter allerdings verliert es offensichtlich wieder an Einfluss.

Pflanzen

Auch bei Pflanzen können Anpassungen der Aktivitätsphasen beobachtet werden. Der für Pflanzen wichtige Sonnenaufgang und damit der Beginn der Photosynthese wird von Pflanzen durch Aktivierung des Photosyntheseapparats noch vor Sonnenaufgang vorbereitet. Viele Pflanzen öffnen und schließen ihre Blüten zu bestimmten Tageszeiten (siehe die berühmte Blumenuhr von Linné). Andere Pflanzen, deren Blüten mehrere Tage hintereinander geöffnet sind, produzieren Duftstoffe und Nektar nur zu bestimmten Uhrzeiten. Bestäubende Insekten wie die Bienen stellen ihre Besuche darauf ein.

Weiterführende Literatur

  • Aschoff J (eds.) (1965) Circadian Clocks. North Holland Press, Amsterdam
  • Takahashi JS, Zatz M (1982) Regulation of circadian rhythmicity. Science 217:1104–1111
  • Zulley J, Knab B (2003) Unsere Innere Uhr. Herder, Freiburg
  • Spork P (2004) Das Uhrwerk der Natur. Chronobiologie - Leben mit der Zeit. Rowohlt, Reinbek.

Weblinks

Quellen

  1. Vgl. Halberg F., Stephens A.N.: Susceptibility to ouabain and physiologic circadian periodicity. Proc. Minn. Acad. Sci. 27, 139-143, 1959.

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