- The Les Humphries Singers
-
Die Les Humphries Singers waren eine Gesangsgruppe, die von dem damals in Hamburg lebenden Engländer Les Humphries im Jahr 1969 gegründet wurde. Sie fiel durch die große Zahl ihrer Sänger verschiedener ethnischer Herkunft auf, die etwas vom Flair der Hippiebewegung und des damals populären Gospel nach dem Vorbild der Edwin Hawkins Singers in die Schlagerwelt einbrachten.
Inhaltsverzeichnis
Gruppenkarriere
Ihren ersten großen Hitparadenerfolg hatten die Les Humphries Singers 1970 in den Niederlanden mit dem Gospelschlager To My Father’s House, der dort 6 Wochen lang auf dem ersten Platz stand.[1] Vor allem im deutschsprachigen Raum erzielte die Gruppe zahlreiche weitere Single-Hits. Zu den erfolgreichsten und bekanntesten Titeln zählen (We’ll Fly You to the) Promised Land, We Are Goin’ Down Jordan, Old Man Moses, Mexico, Mama Loo und Kansas City.
Ihr Repertoire bestand neben von Humphries selbstverfassten Songs aus Traditionals, Spirituals und Evergreens. Die Gruppe nahm außerdem eine Reihe von Alben mit Medleys von damals aktuellen Hits anderer Interpreten auf. Veröffentlicht wurden die Schallplatten auf Decca Records. Das Kürzel „MGH-Produktion“ steht für Jack Martin, Günter Geyer und Les Humphries. An der Entstehung der Songs und der Entwicklung des Gruppensounds war darüber hinaus auch der gelegentliche Koautor und Arrangeur Jimmy Bilsbury (1942-2003) aus England maßgeblich beteiligt. Bandleader Humphries begleitete seinen Chor am Piano oder betätigte sich hin und wieder auch selbst als Sänger, wie bei Jennifer Adam auf der 1972er-LP Mexico.
Der Leadgesang wurde von verschiedenen Mitgliedern der Gruppe übernommen. Besonders häufig hatte diese Rolle Jimmy Bilsbury, wie auf vielen Titeln besonders der frühen LPs und dem Hit Mexico, und bis zu seinem Austritt aus der Gruppe Mitte 1972 Malcolm Magaron (Rock My Soul, Soolaimon, We Are Goin’ Down Jordan, Old Man Moses) aus St. Lucia/Karibik. Die Leadsänger/innen anderer Single-Hits waren beispielsweise Enry David bzw. nur im Studio Barbara Johnson (To My Father’s House), Dornée Edwards († 15. September 2006; Promised Land), Elvira Puppa Herbert († 8. März 1980; Take Care of Me), John Lawton (Mama Loo), Earl Jordan (Carnival) und Dave O’Brien (Kansas City zusammen mit Bilsbury und Lawton). Während des etwa achtjährigen Bestehens der Gruppe gehörten außerdem Peggy Evers, Heike „Goldie“ Kloen († 19. Februar 2004), Tina Werner, Victor Scott, Judy Archer, Liz Mitchell, Christopher Yim, Jürgen Drews, Barry St. John, Linda Übelherr, Sheila McKinlay, Claudia Schwarz, Don Adams († 14. Juni 1993) und Emily Woods sowie kurzzeitig Myrna David, Henner Hoier, Maddy Verhaar, Gail Stevens und Lil Walker dazu. Mit der Zeit wurde der Chor von ursprünglich 8 auf bis zu 16 Mitglieder erweitert, die zum Teil nicht mitsangen.[2] Einige der neuen Gesichter waren aber auch schon an früheren Studioaufnahmen beteiligt.
Bei Auftritten wirkte die Gruppe stets ungezwungen und gutgelaunt. Hinter den Kulissen jedoch sorgte der rigorose Führungsstil des oft als schwierig und jähzornig beschriebenen Bandleaders und früheren Royal Marines Les Humphries häufig für Spannungen. Malcolm Magaron und Liz Mitchell sowie Enry und Myrna David stiegen schon Mitte 1972 aus. Ein Jahr zuvor hatten Henner Hoier, Dornée Edwards und Goldy Kloen den Chor bereits verlassen. Als im Sommer 1974 auch Tina Werner ausstieg, waren von den ersten Besetzungen während des Jahres 1970 nur noch Jimmy Bilsbury, Peggy Evers, Judy Archer und Victor Scott dabei.
Unter musikalischer Leitung von Humphries und Hans Hammerschmid begleiteten die Singers Hildegard Knef 1971 auf deren Album Worum geht’s hier eigentlich? und traten mit der Chansonsängerin gemeinsam in verschiedenen TV-Sendungen auf.
Für die erste Hitversion der Single Mexico war Humphries als alleiniger Autor angegeben, obwohl der Text nahezu identisch mit Jimmy Driftwoods The Battle of New Orleans (Schlacht von New Orleans 1815) war, das auch in den Versionen von Johnny Horton und Lonnie Donegan im Jahre 1959 bekannt wurde. Um wenigstens künftige Tantiemenzahlungen in Anspruch nehmen zu können, verpasste Humphries dem Lied einen neuen, dem Original aber sehr ähnlichen Text.
In der ZDF-Krimiserie Der Kommissar (Folge 60: Die Nacht, in der Basseck starb) hatten die Singers 1973 eine Gastrolle. 1974 spielten sie im Klamauk-Gangsterfilm Es knallt und die Engel singen eine Nebenrolle. John Lawton trat dabei als Sänger und Chicago-Gangster auf. Der Soundtrack zum Film bestand aus bekannten Hits der Gruppe; der Song Do You Kill Me or Do I Kill You wurde parallel dazu als Single veröffentlicht.
Für einen Werbespot des Uhrenherstellers Timex spielten die Les Humphries Singers 1975 den Titel It’s Timex Time ein („ticke-ticke-timex“). Die Chormitglieder erhielten als kleines „Dankeschön“ wasserdichte und stoßfeste Uhren, während Les Humphries die vereinbarte Werbesumme kassierte.
1976 vertraten sie im niederländischen Den Haag Deutschland als eines von 18 teilnehmenden Ländern beim Eurovision Song Contest mit dem von Ralph Siegel und Kurt Hertha geschriebenen deutschsprachigen Titel Sing Sang Song, der aber nur auf Platz 15 gewählt wurde. Aufgrund der Wettbewerbsregeln konnten allerdings nur sechs Mitglieder der Gruppe auf die Bühne.
Auflösung und Comeback
Nach dem Misserfolg beim europäischen Schlagerwettbewerb, und da das Publikumsinteresse schon seit geraumer Zeit erheblich nachgelassen hatte, lösten sich die Singers Ende 1976 auf. Les Humphries setzte sich aufgrund von Steuerschulden in seine englische Heimat ab und kehrte erst nach der Verjährung dieses Delikts nach Deutschland zurück. Er lud seine Singers im Oktober 1991 nach Hamburg in die NDR Talk Show ein, und sie bekamen anschließend einen Plattenvertrag beim Label PILZ, wo 1992 das Album Spirit of Freedom entstand. Es folgten eine Deutschland Tournee als Vorgruppe von Howard Carpendale und einige TV-Sendungen. Im Februar 1993 war ihr letzter Auftritt in der Sendung Meine Show mit Dagmar Frederic.
Am 29. Dezember 2007, drei Tage nach dem Tod des Bandgründers Les Humphries, zeigte der NDR einen ausführlichen Dokumentarfilm von Andreas Fischer über die Gruppe mit dem Titel „Die Les Humphries Singers – Aufstieg und Fall einer Poplegende“, der auch in anderen Programmen wiederholt wurde.
Andere Aktivitäten der Mitglieder
Les Humphries war Ende der 1960er Jahre Keyboarder bei der Hamburger Rockgruppe Wonderland, die mit Moscow 1968 einen Top-20-Hit in Deutschland hatte.[3] Jimmy Bilsbury sang in der britischen Rockgruppe Magic Lanterns, deren Single Shame, Shame Ende 1968 die Top-40 in den USA erreichte.[4] Jürgen Drews gehörte den Les Humphries Singers an, bis er 1976 mit Ein Bett im Kornfeld, der deutschen Coverversion von Let Your Love Flow der Bellamy Brothers, den Durchbruch als Solokünstler schaffte.
Malcolm Magaron und Liz Mitchell spielten bei der deutschen Produktion des Musicals Hair mit und machten ab Mitte 1972 eigene Schallplattenaufnahmen als Malcolm and Liz sowie in der Formation Malcolm’s Locks. Mitchell wurde nach der Trennung von Magaron als Sängerin bei Boney M berühmt. John Lawton war Mitglied bei der deutschen Progressive-Rock-Gruppe Lucifer’s Friend und ab Mitte der 1970er Jahre Sänger von Uriah Heep. Barry St. John ist als Backgroundsängerin auf zahlreichen Aufnahmen britischer Rock- und Pop-Titel zu hören, zum Beispiel auf 20th Century Boy von T. Rex, The Golden Age of Rock’n’Roll von Mott the Hoople oder auf dem Pink-Floyd-Album The Dark Side of the Moon. Linda Übelherr war auch Mitglied bei der Gesangsgruppe Silver Convention. Christopher Yim, der auch schon auf der Bühne mit zwei Kung-Fu-Schwertern zur Show beigetragen hatte, war in den 1980er Jahren Kung-Fu-Lehrer in Dortmund.
The Les Humphries Singers Reunion
Im Mai 2007 starteten einige ehemalige Mitglieder der Les Humphries Singers mit Bühnen- und TV-Auftritten ohne den einstigen Bandleader zunächst als The Original Singers ein Comeback. Zu ihrem Repertoire gehören die alten Hits teilweise neu aufgenommen, neue Songs (Boy Try to Run) und Gospels. Im April 2009 verkündete die Gruppe, der u. a. Peggy Evers-Hartig, Tina Kemp (Werner), Judy Archer und Jürgen Drews angehören, ihren neuen Gruppennamen The Les Humphries Singers Reunion. Das neu eingespielte Musikalbum Back in Time ist Anfang Mai 2009 erschienen.
Mitglieder
Name Zeitraum der Beteiligung Herkunftsland Les Humphries † 1969–1977
1991–1993Vereinigtes Königreich Jimmy Bilsbury † 1969–1977
1991–1993Vereinigtes Königreich Henner Hoier 1969–1971 Deutschland Barbara Johnson 1969 (nur im Tonstudio) Vereinigte Staaten Lil Walker 1969 (Tonstudio)
1975 (Tour)Vereinigte Staaten Dornée Edwards † 1970–1971 (nur im Tonstudio) Jamaika Enry David-Fascher 1970–1972
1991–1993Philippinen Malcolm Magaron 1970–1972 St. Lucia Peggy Evers-Hartig 1970–1976
2007–heuteDeutschland Heike „Goldie“ Kloen-Evert † 1970–1971 Deutschland Tina Kemp-Werner 1970–1974
2007–heuteSchweden Liz Mitchell 1970–1972 Jamaika Judy Archer 1970–1976
2007–heuteTrinidad und Tobago Victor Scott 1970–1976
1991–1993Trinidad und Tobago Jürgen Drews 1971–1976
1991–1993
2007–heuteDeutschland Christopher Yim 1971–1976
1991–1993Südkorea John Lawton 1971–1976
1991–1993Vereinigtes Königreich Myrna David 1971–1972 Philippinen Barry St. John 1972–1973 Vereinigtes Königreich Elvira „Puppa“ Herbert † 1972–1975 Deutschland Earl Jordan 1972–1976 Vereinigte Staaten Dave O'Brien 1973–1976 Vereinigtes Königreich Linda Übelherr 1973–1974
2007–heuteDeutschland Sheila McKinlay 1973–1975
1991–1993Vereinigtes Königreich Claudia Schwarz 1974–1976 Österreich Don Adams † 1974–1975 Vereinigtes Königreich Emily Woods-Jensen 1974–1976
1991–1993Vereinigte Staaten Gail Stevens † 1974 Vereinigte Staaten Barbara Sixten 1991–1993 ? Gabi Stephanus 1991–1993 Deutschland Ina Felix 1991–1993 Deutschland Manfred Evert †
(Ehemann von Heike Kloen)1991–1993 Deutschland Milena Mitrovic 1991–1993 ? Chris Dakota 2007–heute Deutschland David Tobin 2007–heute Vereinigte Staaten Jay Jay van Hagen 2007–heute Deutschland Willi Meyer 2007–heute Deutschland Diskografie
→ Hauptartikel: The Les Humphries Singers/DiskografieStudioalben
Jahr Titel Chartpositionen [5] Anmerkung DE AT CH 1970 I Believe / Rock My Soul — — — Erstveröffentlichung: 1970 1971 We’ll Fly You to the Promised Land 9
(44 Wo.)— — Erstveröffentlichung: 1. Mai 1971 1971 We Are Goin’ Down Jordan 2
(40 Wo.)— — Erstveröffentlichung: 1. Oktober 1971 1971 Old Man Moses / Take Care of Me 2
(36 Wo.)— — Erstveröffentlichung: 1. April 1972 1972 Mexico 2
(36 Wo.)1
(24 Wo.)— Erstveröffentlichung: 1. Oktober 1972 1973 Mama Loo 1
(32 Wo.)2
(16 Wo.)— Erstveröffentlichung: 1. April 1973 1973 Carnival 23
(20 Wo.)— — Erstveröffentlichung: 1. November 1973 1974 Kansas City 3
(24 Wo.)7
(4 Wo.)— Erstveröffentlichung: 1. April 1974 1974 One of These Days — — — Erstveröffentlichung: 1974 1975 Live for Today — — — Erstveröffentlichung: 1975 1975 Family Show — — — Erstveröffentlichung: 1975 1976 Sing Sang Song — — — Erstveröffentlichung: 1976 1992 Spirit of Freedom — — — Erstveröffentlichung: 1992 Dokumentation
Die Les Humphries Singers - Aufstieg und Fall einer Poplegende (NDR, 2007. 110-minütiger Dokumentarfilm von Andreas Fischer)
Auszeichnungen
- 1971 Goldene Europa
Einzelnachweise
- ↑ Liste der Nummer-eins-Hits in den Niederlanden (1970)
- ↑ Indirekte Aussage unter anderem von Christopher Yim in der Dokumentation: Die Les Humphries Singers – Aufstieg und Fall einer Poplegende (NDR, 2007. 110-minütiger Dokumentarfilm von Andreas Fischer)
- ↑ Günter Ehnert (Hrsg.): Hit-Bilanz, Deutsche Chart Singles 1956–1980. Taurus-Press, Hamburg 1990, ISBN 3-922542-24-7, S. 221.
- ↑ Joel Whitburn: The Billboard Book of Top 40 Hits. 7. Auflage. Billboard Books, New York 2000, ISBN 0-8230-7690-3, S. 394.
- ↑ Chartquellen: DE AT CH
Weblinks
- Ausführliche, japanischsprachige Seite mit Diskografie von Gruppe und Einzelmitgliedern
- Deutschsprachige Diskografie
Vorgänger Amt Nachfolger Joy Fleming Deutschland beim Eurovision Song Contest
1976Silver Convention Kategorien:- The Les Humphries Singers
- Popband
- Deutsche Band
- Multinationale Band
- Interpret eines deutschen Beitrags beim Eurovision Song Contest
- Teilnehmer am deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest
Wikimedia Foundation.