- Tobias Rehberger
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Tobias Rehberger (* 2. Juni 1966 in Esslingen am Neckar) ist ein deutscher Bildhauer. Von 1987 bis 1993 studierte er an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste – Städelschule Frankfurt am Main, deren Prorektor er zurzeit ist. Bekannt ist Rehberger vor allem für seine raumfüllende Installationen.
Inhaltsverzeichnis
Leben und Werk
Rehberger studierte von 1987 bis 1992 bei Thomas Bayrle und Martin Kippenberger an der Städelschule in Frankfurt am Main. Seine Werke bewegen sich frei zwischen Malerei, Bildhauerei, Design, Aktionskunst und Architektur. Er produziert minimale künstlerische Eingriffe ebenso wie raumfüllende Environments.
Bereits eine erste frühe Arbeit des Künstlers, 1990 im Bonner Kunstverein im Rahmen von „Kunststudenten stellen aus” gezeigt, weist auf die Strategie des Künstlers hin: der Student Rehberger sägte – in verkleinertem Maßstab – einfache, kolorierte Zeichnungen aller Fußball-Bundesligaspieler von Eintracht Frankfurt aus Sperrholz aus und präsentierte sie wandfüllend einem irritierten Publikum. Die Arbeiten knüpften an Konrad Luegs 10 Fußballer von 1964 an.[1] Für eine öffentliche Ausstellung 1992 unter dem Titel 9 Skulpturen in der Privatwohnung von Städeldirektor Kasper König baute Rehberger aus PU-Schaum, Draht, Modellbaumasse, Plakatfarbe, Wachs, Pappmaché, Holz, und Kunstharzlack neun Großskulpturen berühmter Künstler der Kunstgeschichte in Modellgröße nach. [2]
Tobias Rehberger praktizierte fortan eine Mixtur aus Kunst und Design. Dass er in seinem Werk Autorschaft und Originalität nur geringe Bedeutung beimisst, zeigte sich auch in einer Ausstellung 1994 unter dem Titel Rehbergerst in der Galerie Bärbel Grässlin in Frankfurt am Main. Für diese Präsentation malte und aquarellierte er – im Maßstab 1:4 vergrößert – die Bildproduktion seines als Hobbymaler tätigen Vaters nach: Motive, mit denen er in seinem Elternhaus aufgewachsen war. Nachbildungen waren, neben den Bildern, auch mehrere gezeigte Möbelstücke: ein Badezimmerschränkchen, ein Wohnzimmerboard und ein Tischchen. Im Gegensatz zu den Bildern waren diese Möbel keine genauen Reproduktionen im Maßstab 1:4, sondern sie waren von Rehberger sehr frei, jedoch in Originalgröße aus dem Gedächtnis nachgestellt worden.Mitte der 1990 Jahre ließ Rehberger von einem österreichischen Handwerker Schränke und Regale anfertigen, die dieser streng nach Anweisung ausführte. Deren Maße und Beschaffenheit hatte Rehberger zuvor aus dem Gedächtnis telefonisch übermittelt, was zum Teil zu „eigenartigen” Ergebnissen führte. Für die seit 1999 von Handwerkern in Thailand gefertigten Modelle von Automobilen dienten aus dem Gedächtnis gezeichnete Skizzen des Künstlers als Vorlagen. [3]
Die bloße „Vermutung ihrer Existenz” hatten zwei Arbeiten zum Thema: Für die Biennale in Venedig 1997 entwarf Rehberger Damen- und Herrenunterwäsche und ließ sie in verschiedenen Größen herstellen. Das Aufsichtspersonal wurde angehalten, während der Arbeitszeit diese Künstler-Unterwäsche zu tragen. Statt des erwarteten Kunstwerks wurde dies den Besuchern der Biennale in einem Text, der an der Wand angebracht war, mitgeteilt. 2001 machte er sich eine ähnliche Strategie im Westfälischen Kunstverein in Münster zu nutze: Unter dem Titel Maserati Quattroporte, stellte er eine 2 x 2 x 5 Meter große, industriell lackierte Metallkiste aus. Die Frage, ob sich in der Kiste tatsächlich das sagenhafte, italienische Luxusauto im Original befand, überließ der Künstler der Vermutung des Publikums. „Sie veranlasst nicht nur zu der Überlegung, welche Bedeutung das Sehen und Erkennen durch den Betrachter für die Existenz eines Kunstwerks hat, sondern auch, wie ein Gegenstand durch die Projektionen, die an sein Äußeres gekoppelt sind, definiert wird und welche Bedeutung die Projektionen haben, wenn der Gegenstand nicht sichtbar ist?" (Susanne Gaensheimer) [4]
In Rahmen des von Kasper König und Wilfried Dickhoff geleiteten Kunstprogramms in between der EXPO 2000 in Hannover entwarf Rehberger unter dem Titel Tsutsumu einen ca. 40 m langen Japanischen Garten mit Wasserspielen, Steinfeldern und Krüppelkiefern und verwandelte diese Idylle mitten im Sommer in ein Winterstilleben, in dem er sie von einer (nicht sichtbaren) Schneekanone beschneien ließ.
Im Jahre 2008 gestaltete Rehberger aus Klettband , Kabel und Leuchtmitteln die 90 cm hohe "Lampe" Infection 3N2.
Für die von ihm entworfene und in einem Verbundmaterial ausgeführte Cafeteria im zentralen Ausstellungspalast der 53. Biennale von Venedig unter dem Titel Was du liebst, bringt dich auch zum Weinen, erhielt Rehberger am 6. Juni 2009 die Auszeichnung „Goldener Löwe” für den besten Künstler. Das Design, das sich in Streifen- und Punkte-Mustern über den Boden, die gesamten Einrichtungsgegenstände und Lüftungsrohre hinwegzieht, hebt für den Betrachter die dreidimensionalen Raumwahrnehmung auf. „Es hat mich immer schon interessiert, wie sichtbar etwas ist. Es geht darum, dass man eine gewisse Lebensrealität herstellt und nicht nur, dass man vor einem Kunstwerk steht und es anschaut. In Venedig wollte ich ein Tarnmuster, das man eigentlich übersieht, mit einem funktionalen Ort kombinieren.” (Tobias Rehberger) [5] Ein von Rehberger ähnlich gestaltetes Café wurde 2009 in der Kunsthalle Baden-Baden eröffnet.
Rehberger ist zudem mit einer Arbeit im Besucherrestaurant des Reichstagsgebäudes in Berlin vertreten. Im Jahre 2011 wurde im Rahmen der Ausstellung MMK 1992 - 2011. 20 Jahre Gegenwart des Museums für Moderne Kunst in Frankfurt am Main in dem temporären Ausstellungsgebäude in der früheren Hauptverwaltung der Degussa, dem Maintor, Teile seiner Kantinenausstattung für die frühere Dresdner Bank in Frankfurt am Main gezeigt. Die im Jahre 2000 geschaffenen Möbel, Lampen und Teppiche sind heute (2011) im Besitz des Museums und trugen den Titel Dubai, Mailand, Montevideo, Moskau, New York, São Paulo, Singapur und Tokio nach den Auslandsrepräsentanzen der Bank. Während der temporären Ausstellungen dienten die Möbel einem Restaurant mit dem Namen 96 Commissary, wo bis zum 9. Oktober 2011 laut Pressestimmen gute Gerichte zu zivilen Preisen in guter Qualität in Selbstbedienung verspeist werden konnten.[6]
Im Sommer 2011 wurde die von Rehberger entworfene Brückenskulptur Slinky springs to fame fertiggestellt. Das insgesamt 406 Meter lange Bauwerk überquert den Rhein-Herne-Kanal in Oberhausen. Es verbindet durch eine 170 Meter lange Rampe im Kaiserpark, die Kanalquerung mit 106 Metern (davon 62 Meter frei über dem Wasser hängend ) und eine abschließende 130 Meter lange Rampe auf der Emscher-Insel die beiden Freizeiteinrichtungen der Stadt. Innerhalb der zu einer Spirale gedrehten zwei Blechbänder befinden sich verschraubte Betonfertigteile in 16 verschiednene Farbtönen, die als 2, 5 m breite Lauffläche dienen und in 10 Metern Höhe den Schifffahrtskanal überqueren.[7]
Rehberger lebt in Frankfurt am Main und Berlin, wobei er für seine Arbeiten Teams von bis zu 25 Assistenten beschäftigt.
Zitat
„Meine künstlerische Arbeit hat auch mit Design zu tun, weil mich die Frage interessiert, was die Oberfläche eines Kunstwerks für einen Einfluß auf seine Wirkung hat“
– Tobias Rehberger, 1996 [8]
Einzelausstellungen (Auswahl)
- 1992: 9 Skulpturen, Wohnung K. König, Frankfurt am Main
- 1993: Sammlung Goldberg / The Iceberg Collection, Ludwig Forum für Internationale Kunst, Aachen
- 1994: Goethe-Institut Yaoundé, Kamerun
- 1995: Cancelled projects, Museum Fridericianum, Kassel
- 1998: Kunsthalle Basel; Moderna Museet, Stockholm; Sprengel Museum, Hannover
- 1999: The Secret Bulb in Barry L., Galerie für Zeitgenössische Kunst, Leipzig
- 2000: The Sun from Above, Museum of Contemporary Art, Chicago; Jack Lemmon’s Legs and Other Libraries, Friedrich Petzel Gallery, New York
- 2002: Night Shift, Palais de Tokyo, Paris; Geläut – bis ich’s hör’, Museum für Neue Kunst Karlsruhe
- 2003: bitte…danke, Galerie der Stadt Stuttgart; Private Matters, Whitechapel Art Gallery, London
- 2005: I die every day, 1 Cor. 15,31, Palacio de Cristal, Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofia, Madrid
- 2007: On Otto, Fondazione Prada, Mailand
- 2008: The chicken-and-egg-no-problem wallpainting, Stedelijk Museum, Amsterdam; Die „Das-kein-Henne-Ei-Problem“-Wandmalerei, Museum Ludwig, Köln
- 2009: Was du liebst, bringt dich auch zum Weinen, Biennale di Venezia, Venedig
- 2010: flach. Plakate, Plakatkonzepte und Wandmalereien, Museum für Angewandte Kunst, Frankfurt am Main
- 2011: Junge Mütter und andere heikle Fragen, Essl Museum - Kunst der Gegenwart, Klosterneuburg/Wien
Preise und Auszeichnungen
- 1999 Förderpreis des Internationalen Kunstpreises des Landes Baden-Württemberg
- 2001 Otto-Dix-Preis der Stadt Gera
- 2003 Karl-Ströher-Preis, Frankfurt am Main
- 2007 1822-Kunstpreis
- 2009 Hans-Thoma-Preis des Landes Baden-Württemberg
- 2009 Goldener Löwe der Biennale di Venezia für Was du liebst, bringt dich auch zum Weinen[9]
- 2009 Hector-Kunstpreis der Kunsthalle Mannheim
Literatur
- Uta Grosenick (Hrsg.): Tobias Rehberger 1993- 2008, Dumont, Köln, 2008 ISBN 978-3-8321-9126-9
- Eva Linhart (Hrsg.): Tobias Rehberger. flach. Plakate, Plakatkonzepte und Wandmalereien, Museum für angewandte Kunst, Frankfurt am Main 2010 ISBN 978-3-942405-00-3
Weblinks
Commons: Tobias Rehberger – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Literatur von und über Tobias Rehberger im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Ausführliche Biografie (IFA-Datenbank)
- Tobias Rehberger im Gespräch mit Jan Winkelmann
- Interview mit Rehberger in www.medienkultur-stuttgart.de
- Tobias Rehberger: Globalisierung ist kein Schicksal, 2006
- Tobias Rehberger: Kim is sitting barefoot and cross-legged on the sofa in Quentins living room, 2007
- Tobias Rehberger: Thaddeus Strode, 1995
- Portrait über die Arbeit Drei ausgesetzte Kinder 2005
Einzelnachweise
- ↑ Abbildung von Luegs Ohne Titel – Zwei Fußballer (1964) bei artnet.de (Abgerufen am 21. September 2008)
- ↑ Internetseite des ZKM|Museum für neue Kunst, Karlsruhe
- ↑ Abbildung auf der Website der Galerie Grässlin (Abgerufen am 21. September 2008)
- ↑ Pressetext des Westfälischen Kunstvereins zur Ausstellung … (whenever you need me), 2001 (Abgerufen am 21. September 2008)
- ↑ Regberger in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung vom 5. September 2009
- ↑ Schöner Essen in der Ausstellung inFAZ vom 24. Juni 2011, Seite 54
- ↑ Leicht zu sein bedarf es wenig in: FAZ vom 23. Juli 2011, Seite 32
- ↑ Claudia Voigt: „Oder einfach nur Tee trinken“, in: SPIEGEL special, 12/1996, Seite 58
- ↑ www.labiennale.org
Kategorien:- Deutscher Bildhauer
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