Transdermales Pflaster

Transdermales Pflaster

Als transdermales Pflaster oder transdermales therapeutisches System (TTS) wird ein Verabreichungs-System für verschiedene Arzneiwirkstoffe in Pflasterform bezeichnet. Diese wird auf die Haut geklebt, Wirkstoffe gelangen kontrolliert, direkt über die Haut, in das Blutgefäßsystem, ohne vorzeitig im Magen-Darm-Trakt oder der Leber abgebaut zu werden.

Inhaltsverzeichnis

Einsatzgebiete

Transdermale Pflaster werden seit über zwanzig Jahren zu verschiedenen Zwecken eingesetzt. Die ältesten Varianten sind Scopolamin-Pflaster gegen Reisekrankheit, Nitroglycerin-Pflaster zur Vorbeugung gegen Angina pectoris und Herzinfarkt, sowie ein Clonidin-Pflaster gegen Bluthochdruck.

Am bekanntesten ist das Nikotinpflaster, das Rauchern bei der Entwöhnung hilft: Es kann mit einer 1,5-2fach erhöhten Abstinenzrate gerechnet werden, wobei jedoch nur wenige Daten zur Langzeitabstinenz (d. h. einer Rauchfreiheit über zwei bis acht Jahre) vorliegen.[1] Weitere Pflaster ermöglichen die Hormonverabreichung (siehe Hormonpflaster). Solche Darreichungsformen gibt es als Verhütungsmittel, für Testosteron, aber auch für Estrogene, eventuell in Kombination mit Gestagenen. Die Opioid-Schmerzmittel Fentanyl und Buprenorphin können über das sogenannte Schmerzpflaster appliziert werden. Auch der Wirkstoff Rotigotin kann gegen die Parkinson-Krankheit über ein Pflaster verabreicht werden. Seit Juli 2007 ist der Wirkstoff Rivastigmin zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit von der US-Zulassungsbehörde als transdermales Pflaster zugelassen, in der EU kamen seit dem Jahre 2009 zahlreiche generische Zulassungen auf den Markt.[2]

Aufbau eines Pflasters

Der Aufbau der Pflaster ist wegen der unterschiedlichen Wirkstoffe verschieden. Dabei gibt es unter den sogenannten passiven Pflastern bzw. passiven Systemen folgende Möglichkeiten des Aufbaus:

  • Matrix-Pflaster: der Wirkstoff ist in einer aus einer oder mehreren Schichten bestehenden Matrix enthalten, die mit Hilfe einer Kleberschicht direkt auf der Haut aufliegt. Die Diffusionsgeschwindigkeit des Wirkstoffes aus der Matrix heraus bestimmt die Blutspiegel. In Sonderfällen kann es zwischen Matrix und Klebeschicht zusätzlich eine Membran geben, welchen den Wirkstofffluss steuert.
  • Depotpflaster: unter einer Trägerfolie liegt ein Reservoir des Wirkstoffs, von dem dieser in die oberste Schicht der Haut, die Epidermis, abgegeben wird. Zwischen dem Wirkstoff-Reservoir und der Haut liegt eine klebende Membran, die die kontrollierte Abgabe steuert.

Allen Systemen eigen ist die Deckfolie (Backing layer), welche das Pflaster und seinen Inhalt schützt und gegebenenfalls mit Informationen bedruckt ist. Weiterhin ist zur Hautseite hin eine Abziehfolie vorhanden (Release liner), welche vor Aufbringen entfernt werden muss und zwecks leichterem Ablösen oftmals silikonisiert wird.

Die Wirkstofffreisetzung soll hauptsächlich vom TTS gesteuert werden; die Haut muss dazu durchlässiger sein als die steuernde Membran/Matrix ('sink-Bedingungen'). Darum werden Vermittler/Verstärker in das Pflaster eingebracht, um die Hautpassage zu beschleunigen. Als Beispiele sind Sulfoxide und Harnsäure zu nennen.

Bei allen hier genannten Typen diffundiert (passiver Vorgang) der Wirkstoff durch die Haut und gelangt über die hautnahen Blutgefäße in den Blutkreislauf. Dabei dringen die Wirkstoffe nur in geringem Maße durch Poren und Haarfollikel in die Haut ein, sondern meist durch mikroskopisch kleine Zellzwischenräume oder durch die Zellen selbst. Dies setzt eine Lipophilie (Fettlöslichkeit) voraus, andererseits müssen sie hydrophil (wasserlöslich) sein, um in den Blutkreislauf zu gelangen, d. h. sie müssen amphiphile Eigenschaften besitzen.

Aktive transdermale Systeme wären Pflaster welche iontophoretische oder sonophoretische Methoden benutzen sowie Systeme mit Mikrokanülen oder Nadel. Letztere durchdringen die oberen Schichten der Haut und gelangen direkt an ihren Wirkungsort bzw. in die äußeren Blutgefäße.

Vor- und Nachteile des Pflasters

Der wesentliche Vorteil der Applikation von Wirkstoffen über transdermale Pflaster liegt darin, dass ein Pflaster oft erst nach einem Zeitraum von mehreren Tagen gewechselt werden muss. Ein Großteil der Pflaster, wird über einen Zeitraum von drei Tagen getragen. Ab dieser Zeitspanne kann sich das Mikroklima der Haut unterhalb des Pflasters ungünstig ändern und die Nachteile dieser Applikation überwiegen zu herkömmlichen Darreichungsformen. Ausnahmen zu diesem Drei-Tage-Wechsel sind Hormonpflaster zur Verhütung, welche sieben Tage lang getragen wird.

Bei der Einnahme von nicht retardierten, oral oder sublingual aufgenommenen Wirkstoffen kommt es nur für kürzere Zeiträume von 4–16 Stunden zu einer ausreichend hohen Dosierung. Auch werden manche Wirkstoffe durch die Magen- und Darmflüssigkeiten, sowie nach der Aufnahme im Darm durch den Lebermetabolismus teilweise abgebaut (First-Pass-Effekt), weswegen nur bei höherer Wirkstoffdosis ähnliche Arzneistoffspiegel wie beim Pflaster erreicht werden.

Dagegen gelangen hautgängige Wirkstoffe ohne weitere Veränderungen direkt (oder über das Depotgewebe Fett nach einigen Stunden) in den Blutkreislauf. Die Abgabe kann nur langsam gesteuert werden, sodass Dosisanpassungen bei schnell veränderlichen Krankheitsgeschehen (z.B. Durchbruchschmerzen) schlecht möglich sind. Hier wird die Therapie im Regelfall durch sublinguale, buccale oder orale Arzneiformen mit schnellem Wirkungseintritt ergänzt.

Ein Nachteil der transdermalen Pflaster liegt in der verzögerten Wirkstofffreisetzung. Die angestrebten Plasmaspiegel werden in der Regel erst nach 5-6 Halbwertszeiten des jeweiligen Wirkstoffs erreicht. Durch den verzögerten Wirkeintritt sind transdermale Pflaster somit nicht für die Akuttherapie geeignet. Außerdem wird der Wirkstoff nicht mit vollkommen konstanter Geschwindigkeit abgeben. Wenn noch relativ viel Wirkstoff im Pflaster enthalten ist, ist die Abgabe höher, sie verringert sich aber sobald der Konzentrationsgradient zwischen Pflaster und Haut geringer wird. Aus diesem Grund müssen die Pflaster vom Applikationsort entfernt werden, obwohl noch ein erheblicher Teil des Wirkstoffs ungenutzt im Pflaster vorliegt. Sie können nur solange genutzt werden, wie die Freisetzungskinetik nach annähernd nullter Ordnung vorliegt, sich also die Freisetzungsrate nicht wesentlich verringert. Die Entsorgung ist hier vor allem bei Schmerzpflastern mit Betäubungsmitteln problematisch, weil die Restmenge durchaus in der Lage ist, bei opiatnaiven Personen den Tod durch Atemdepression herbei zu führen. Diesem Effekt wird durch so genannte Multilayersysteme entgegen gewirkt. Bei dieser Form der Matrix-Pflaster nimmt die Konzentration des Wirkstoffes nach außen hin zu, eine rapide Abnahme der Konzentration in der hautnahen Schicht und damit eine potentiell geringere Wirksamkeit soll dadurch verhindert werden. Die Wirkung dauert nach Ablösen des Pflasters noch an, da sich im subkutanen Fettgewebe ein Arzneistoffdepot aufbaut.

Eine potentielle Gefahr von sogenannten Depotpflastern ist die sogenannte Sturzentleerung (engl. dose dumping), welche bei mechanischer Zerstörung des Systems eine schlagartige Freigabe des gesamten (flüssigen) Wirkstoffreservoirs bewirken kann. Dieser Gefahr wurde durch die Weiterentwicklung der Matrixplaster entgegen gewirkt, welche den Wirkstoff gebunden in der Matrix vorliegen haben. Ein Zerschneiden von transdermalen Matrix-Pflastern zur Dosisanpassung ist möglich, sollte aber von geschultem Personal durchgeführt werden, da Fehldosierungen auftreten können.

Transdermale therapeutische Systeme sind meist deutlich kostenintensiver als retardierte orale Arzneiformen. Ihr Nutzen ist nicht immer ausgeprägt und der Einsatz muss dementsprechend abgewogen werden.

Ähnliches gilt für Verhütungspflaster, wo es „schwer fällt, Argumente zu finden, welche die mit einer erheblichen Verteuerung verbundene transdermale Östrogensubstitution rechtfertigen würden“.[3]

Für die transdermale Applikation eignen sich generell nur Wirkstoffe mit einer relativ geringen Molekülgröße, die überdies bereits in recht kleinen Dosierungen wirksam sind (hochpotente Arzneistoffe). Bei Aspirin etwa müsste das Pflaster einen großen Teil der Körperoberfläche eines Menschen ausmachen, um den Wirkstoff einer Tablette aufzunehmen. Auch Peptide, insbesondere Insulin oder Impfstoffe können bislang nicht über ein Pflaster appliziert werden. Dies könnte allerdings durch alternative, in der Erforschung befindliche Pflaster mit tausenden von Mikrokanülen, die in die Haut eindringen sollen, mit Hilfe von aktiven iontophoretischen Systemen, durch die Anwendung von Ultraschall oder mit Hilfe von Nanoemulsionen bzw. Nanopartikeln möglich sein. Eine Neuentwicklung wird die Impfung über das transdermale System sein, deren Zulassung kurz vor dem Abschluss steht.

Einzelverweise

  1. Silagy C, Lancaster T, Stead L, et al. Nicotine replacement therapy for smoking cessation. The Cochrane Database of Systematic Reviews 2004, Issue 3.
  2. [1]
  3. Leseranfrage: Estraderm; Pharmainformation, Jahrgang 4, Nummer 1, Innsbruck, März 1989

Literatur

  • U. Schmidt: Transdermale Pflaster - Arzneimittel zum Aufkleben. Spektrum der Wissenschaft 10/2003, 42
  • Wokovich, A., Transdermal drug delivery system (TDDS) adhesion as a critical safety, efficacy

and quality attribute. Eur J Pharm Biopharm. 2006 Aug; 64(1):1.

  • Note for Guidance on Quality of Modified Release Products: A: Oral Dosage Forms B: Transdermal Dosage Forms Section I (Quality). CPMP/QWP/604/96; 29 July 1999
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