- Actiq
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Strukturformel Allgemeines Freiname Fentanyl Andere Namen Summenformel C22H28N2O CAS-Nummer 437-38-7 PubChem 3345 ATC-Code DrugBank APRD00347 Kurzbeschreibung Weißes bis fast weißes, polymorphes Pulver[1] Arzneistoffangaben Wirkstoffklasse Fertigpräparate - Matrifen® (CH)
- Durogesic® (D)
- Actiq® Lutschtablette (A)
- Fentanyl Janssen® (A)
Verschreibungspflichtig: BtMG Eigenschaften Molare Masse 336,47 g·mol−1 Schmelzpunkt Löslichkeit Sicherheitshinweise Gefahrstoffkennzeichnung [3]
T+
Sehr giftigR- und S-Sätze R: 26/27/28-42/43 S: 36/37/39-45 Bitte beachten Sie die eingeschränkte Gültigkeit der Gefahrstoffkennzeichnung bei Arzneimitteln LD50 WGK 3 (stark wassergefährdend)[3] Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. Fentanyl ist ein synthetisches Opioid, das als potentes Schmerzmittel in der Anästhesie (bei Narkosen) sowie als transdermales therapeutisches System zur Therapie von chronischen Schmerzzuständen, die nur mit Opiatanalgetika ausreichend behandelt werden können, eingesetzt wird. Fentanyl wirkt als Agonist am μ-Opioid-Rezeptor. Fentanyl fällt in Deutschland unter das Betäubungsmittelgesetz, in Österreich unter das Suchtmittelgesetz und in der Schweiz unter das Betäubungsmittelgesetz.
Inhaltsverzeichnis
Entwicklung
1960 wurde Fentanyl von PA.J. Janssen als erstes Anilinopiperidin entwickelt. Seitdem wurden aus Fentanyl durch Modifikationen der Molekularformel eine Reihe besser steuerbarer Derivate entwickelt.
Anwendungsformen
Gebräuchlich ist Fentanyl als Fentanyldihydrogencitrat. Dabei gibt es drei hauptsächliche Anwendungsformen: Als intravenöse Verabreichung (etwa in der Anästhesie oder Notfallmedizin), als transdermales therapeutisches System (Durogesic®) und in Form eines oral-transmukosalen therapeutischen Systems (Actiq®), welches bei Durchbruchschmerzen als Lutschtablette mit integriertem Applikator an der Mundschleimhaut angewendet wird. Seit einiger Zeit wird es auch als Fentanyl-Nasenspray verwendet. Dafür steht noch kein Fertigpräparat zur Verfügung. Das Nasenspray wird von Apotheken auf Anforderung hergestellt.
Wirkung
Wegen seiner starken schmerzstillenden Wirkung wird Fentanyl häufig perioperativ eingesetzt. In Form von Hautpflastern wird es als Analgetikum bei starken, chronischen Schmerzen von Krebskranken als auch in der Analgesie von chronischen Nicht-Tumor-Schmerzen (wie z. B. muskoloskeletale Schmerzbilder) eingesetzt. Im Rettungsdienst kann Fentanyl bei akuten Schmerzzuständen vom Notarzt verabreicht werden.
Fentanyl wirkt vorwiegend stark schmerzlindernd (analgetisch) und beruhigend (sedierend). Es ist etwa 100-mal so potent wie Morphin (gemessen am Gewicht ist nur ein Hundertstel der Menge an Fentanyl nötig, um die gleiche Wirkung zu erzielen), besitzt eine höhere Wirksamkeit (das Wirkungsmaximum ist höher), während seine Wirkdauer in der Regel deutlich kürzer ist. Fentanyl wirkt bei einer intravenösen Gabe nach 2 bis 5 Minuten. Die Halbwertszeit liegt bei 3–12 Stunden, wobei nach 30 Minuten der Blutspiegel unter die therapeutische Breite sinkt. Die zur Behandlung effektive Dosis (ED50) liegt bei 0,01 mg/kg Körpergewicht, die tödliche Dosis (LD50) bei 3,1 mg/kg Körpergewicht. Letztere Angabe bezieht sich allerdings auf Ratten. Beim Menschen führen in der Regel schon deutlich niedrigere Dosen zum Tod durch Atemdepression. Fentanyl ist in übrigen Nebenwirkungen gleichzusetzen mit den Nebenwirkungen von Morphium.
Fentanyl ist lipophil, d. h. gut fettlöslich und verteilt sich daher schnell in fetthaltigem Gewebe. Fentanyl wird hauptsächlich in der Leber verstoffwechselt und nur zu weniger als 10 % unverändert über die Nieren ausgeschieden.
Abhängig von der Dosis und dem Gesamtzustand des Patienten beeinträchtigt Fentanyl die Wahrnehmungsfähigkeit, wirkt beruhigend und führt zu Bewusstseinstrübungen bis hin zu einem schlafähnlichen Zustand. Deshalb wird es im klinischen Bereich zur Anästhesie (Teil- oder Voll- Narkose) eingesetzt.
Haupteinsatzgebiet ist die Gabe als Schmerzmittel bei Operationen in Verbindung mit einem Schlafmittel und wahlweise einem muskelentspannenden Mittel (Muskelrelaxans). Je nach Wahl des Schlafmittels spricht man von „balancierter Anästhesie“ oder „totaler intravenöser Anästhesie“ (TIVA). Fentanyl beeinträchtigt das Atemzentrum und führt bei höherer Dosierung zu einer Hypoventilation – ein Atemstillstand kann zu Koma oder zum Tod führen. Deshalb ist eine ständige Überwachung mit Beatmungsmöglichkeit erforderlich. Eine Ausnahme bilden Patienten, die auf fentanylhaltige Wirkstoffpflaster eingestellt wurden. Durch die gleichmäßige Wirkung und die im Vergleich zur Anästhesie meist deutlich geringeren Dosen ist nach einer Einstellungsphase keine dauerhafte Überwachung der Vitalfunktionen nötig.
Aufgrund der Lipophilie wird Fentanyl teilweise schwer kontrollierbar im Fettgewebe eingelagert und wieder freigegeben. Deshalb werden heute anstelle von Fentanyl häufig die verwandten Stoffe Alfentanil, Remifentanil und Sufentanil verwendet.
Wechselwirkungen
Die beruhigende Wirkung von Fentanyl kann durch andere Beruhigungsmittel und Alkohol verstärkt werden, die gleichzeitige Einnahme von anderen Opioiden (etwa anderen morphinhaltigen Schmerzmitteln) kann zu einer geringeren Wirkung führen. In Verbindung mit Monoaminooxidase-Hemmern können schwere Kreislauf- und Atemstörungen auftreten. Durch die Plasmaeiweißbindung von 90 % kann es bei Verwendung in Schmerzpflastern zu Wechselwirkungen mit Präparaten wie Furosemid, Glibenclamid oder Omeprazol kommen. Durch den Abbauweg in der Cytocromoxidase 450 ist eine Dosisanpassung von Fentanyl bei Rauchern zu beachten. Aus diesem Grund ist auch eine gleichzeitige Einnahme von Johanniskrautpräparaten (CYP 3A4-Induktor beschleunigt den Abbau von Fentanyl) oder Grapefruitsaft (CYP 3A4-Inhibitor verlangsamt den Abbau und steigert so die Wirkung von Fentanyl) nicht ratsam.
Nebenwirkungen
Zu den Nebenwirkungen zählt die Beeinträchtigung der Atmung bis hin zur Atemdepression, das Verkrampfen und Erstarren der Muskulatur, insbesondere der glatten Muskulatur, verlangsamte Herztätigkeit, verengte Pupillen (Miosis), Euphorie oder Angstzustände, Übelkeit, Erbrechen und Verstopfung. Bei schneller Injektion kommt es gelegentlich zu kurzzeitigem Hustenreiz.
Überdosierung
Wie auch andere Opioide provoziert Fentanyl eine ZNS-Depression. Das akute Bild weist im Wesentlichen ausgeprägte Sedierung, Ataxie (Störungen der Bewegungskoordination), Miosis (Verengung der Pupille), Atemdepression und Krämpfe auf, wobei die Atemdepression besonders hervorzuheben ist. Fentanyl kann mit Naloxon antagonisiert werden.
Im Jahr 2005 berichtete die FDA über schwere Nebenwirkungen und Todesfälle in Zusammenhang mit fentanylhaltigen transdermalen therapeutischen Systemen. Da weiterhin entsprechende Meldungen eingehen, hat die FDA Empfehlungen für Fachpersonen und Patienten publiziert. Folgende Punkte sind unbedingt zu beachten:
- Fentanyl-Pflaster nur gemäß Indikation bei starken, prolongierten Schmerzen und unzureichender Wirksamkeit nicht-opioider Analgetika und schwacher Opiate zu applizieren.
- Vom Hersteller vorgeschriebene Dosierung und Applikationsintervall einhalten.
- Einwirkung von Wärme vermeiden, welche die Penetration des Arzneistoffs steigert.
- Gefahr von Atemdepression bei Überdosierung.[4]
Missbrauch
Zum Strecken von Heroin wird Fentanyl entgegen einer verbreiteten Meinung nur selten verwendet. Es ist schwer zu beschaffen, da es fast ausschließlich bei Operationen eingesetzt wird und wie Heroin im Betäubungsmittelgesetz aufgeführt ist.
Im April und Mai 2006 wurde in den USA eine Häufung von Vergiftungen mit Fentanyl (in der Form des Citratsalzes) bei Drogenkonsumenten beobachtet, teilweise mit Todesfolge. Das Fentanyl, das meist zum Strecken von Heroin und vereinzelt auch Kokain verwendet wurde, soll illegal hergestellt worden sein. Diese Entwicklung setzte sich fort und in einem Bericht spricht das CDC von 1000 Toten zwischen 2005 und 2007; die meisten Fälle wurden in Chicago, Philadelphia und Detroit registriert.[5]
Neben ihrem Einsatz in der Medizin wurden Fentanyl-Derivate auch auf ihre Verwendbarkeit als chemische Kampfstoffe hin untersucht.[6][7] Es wurden Vermutungen darüber angestellt, ob ein besonders potentes, in der Humanmedizin nicht zugelassenes Fentanyl-Derivat, das Carfentanyl, in Aerosol-Form bei der Geiselbefreiung im Moskauer Dubrowka-Theater im Oktober 2002 zum Einsatz kam und dabei für 127 Todesfälle mitverantwortlich war.[8]
Durch Anhängen einer -CH3-Gruppe an das Fentanylmolekül entstand 1979 eine gefährliche Designerdroge, das Methylfentanyl, im Szenejargon „China White“ genannt. Die Wirkung ist stärker als die des Fentanyls. Überdosierungen führen zu schweren Atembeschwerden und sogar zum Koma oder sofortigem Tod.[9]
Einzelnachweise
- ↑ a b Europäische Arzneibuch-Kommission (Hrsg.): EUROPÄISCHE PHARMAKOPÖE 5. AUSGABE. 5.0–5.7, 2006.
- ↑ a b c d Fentanyl bei ChemIDplus
- ↑ a b Sicherheitsdatenblatt für Fentanyl citrate salt – Sigma-Aldrich 11.01.2008
- ↑ "Fentanyl Transdermal System (Duragesic®) Information". FDA ALERT 7/15/2005; Update 12/21/2007
- ↑ "Nonpharmaceutical Fentanyl-Related Deaths — Multiple States, April 2005–March 2007". CDC, MMWR, July 25, 2008/57(29); 793–796.
- ↑ Medical ethics and non-lethal weapons, in: Am J Bioeth 2004; 4(4): W1-2; PMID 16192174.
- ↑ Fentanyl and its analogues in clinical and forensic toxicology, in: Przegl Lek. 2005; 62(6): 581–584; PMID 16225129.
- ↑ Unexpected „gas“ casualties in Moscow: a medical toxicology perspective, in: Ann Emerg Med. 2003 May; 41(5): 700–705; PMID 12712038.
- ↑ LKA Hessen.
Weblinks
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