Tucher von Simmelsdorf

Tucher von Simmelsdorf
Das Wappen der Tucher

Die Tucher von Simmelsdorf sind eine einflussreiche Patrizierfamilie der Reichsstadt Nürnberg, erstmals urkundlich erwähnt im Jahr 1309. Namensgebender Familiensitz ist das 1598 von den Türriegel von Riegelstein gekaufte Rittergut Simmelsdorf. Die Tucher waren, mit kurzen Unterbrechungen, ab 1340 bis zum Ende der reichsstädtischen Zeit im Jahre 1806 im Inneren Rat vertreten und gehörten nach dem Tanzstatut zu den zwanzig alten ratsfähigen Geschlechtern. Durch den Besitz von Simmeldorf waren die Tucher im Ritterkanton Gebürg der Reichsritterschaft in Franken immatrikuliert.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Albrecht Dürer: Wappen der Scheurl und Tucher, um 1512

Die Herkunft der Tucher ist nicht eindeutig geklärt. Vermutlich entstammten sie dem Ministerialenstand und waren Dienstmannen der Grafen Castell oder Hohenlohe. Nach der im Tucherbuch überlieferten Familiengeschichte ist der 1326 verstorbene Konrad Tucher Stammvater der Familie, wobei bereits 1309 ein Berthold Tucher das Nürnberger Bürgerrecht annahm. 1340 war erstmals ein Mitglied der Familie im Inneren Rat der Reichsstadt vertreten. Das Ansehen der Tucher in 14. Jahrhundert wird durch eheliche Verbindungen zu den vornehmsten Nürnberger Familien belegt. Im 15. Jahrhundert suchten sie die Verbindung zu reichen Kaufmannsgeschlechtern und bauten die „Tuchersche Handelsgesellschaft“ auf. Obwohl sie im Vergleich zu anderen Patrizierfamilien erst relativ spät eigene Handelsniederlassungen gründeten, wurden sie im ausgehenden Mittelalter und der frühen Neuzeit durch ihre Handelsverbindungen in ganz Europa, zu einer der reichsten Kaufmannsfamilien der Stadt.

Während bereits viele Patrizierfamilien nichts mehr von ihrer Herkunft als Handelsleute wissen wollten und sich darauf beschränkten, „adelig zu sein“ oder ihre Grundherrschaft auszuüben, betrieben die Tucher und die mit ihnen Safranhandel konkurrierenden Imhoff im 17. Jahrhundert die letzten in größerem Umfang aktiven Handelsgesellschaften des Nürnberger Patriziats.

Nach ihrem im Jahre 1598 erworbenen Hauptsitz in Simmelsdorf nannten sie sich mit vollständigem Namen „Tucher von Simmelsdorf". Der Namenszusatz wurde 1697 von Kaiser Leopold als Adelstitel anerkannt. 1815 wurden die Tucher in die Freiherrenklasse des bayerischen Adels immatrikuliert. Als eine der Familien, die bereits seit 1332 berechtigt war Mitglieder in den „Rat der Stadt Nürnberg“ zu schicken (siehe Nürnberg), hatten die Tucher einen nicht unerheblichen Einfluss auf die Geschicke der Stadt.

1855 erwarb „Siegmund von Tucher“ das königliche Bräuhaus (vormals das „Reichstädtische Weizenbräuhaus“) und gründete daraus die „Freiherrlich von Tucher'sche Brauerei“, die bis 1898 als Privatbrauerei geführt und dann in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. Das Tucherschloss, die ehemalige Familienresidenz, ist heute ein Museum für die Geschichte der Nürnberger Kaufmannsfamilien.

Besitzungen (Auszug)

  • Tucherschloss in Nürnberg (seit 1533 – im Besitz der Älteren Linie bis 1970)
  • „Alter Sitz“ in Behringersdorf (seit 1580)
  • Schloss und Herrensitz in Simmelsdorf (seit 1598)
  • Rittergut / Schlossruine Winterstein (seit etwa 1662/64)
  • „Neues Schloss“ in Behringersdorf (seit 1715)
  • Tucherpalais in Nürnberg (seit 1828)
  • Herrensitz Schoppershof (seit 1875)

Ehemalige Besitzungen (Auszug)

In und um Nürnberg herum hatten die Tucher große Besitzungen. Ihr Nürnberger Stammhaus ist das Tucherschloss in Nürnberg. Weitere Besitzungen waren:

  • 1395/1403–1796 Lohe,
  • 1426–1848 Grundbesitz in Hausen bei Forchheim
  • 1450–1517 der Herrensitz Oberveilhof,
  • 1452–1476 das Fürerschloss Haimendorf
  • 1491–1503 das Schloss Hüttenbach bei Simmelsdorf
  • 1495–1834 die Herrensitze in Maiach
  • 1514–???? die Ortschaft Behringersdorf bei Schwaig
  • 1522–1531 der Herrensitz Artelshofen
  • 1532–1552 das "Spitalsitzlein" in Beringersdorf
  • 1542–1750 das Tucherschloss in Rückersdorf
  • 1574–???? St. Helena und Großengsee
  • 1577–1616 das Zeidlerschloss in Feucht
  • 1586–1832 das Tucherschloss in Feucht, Hauptstraße 70
  • 1608–1661 das Rittergut Oberndorf bei Möhrendorf [1]
  • 1609–1792 der Herrensitz Utzmannsbach bei Simmelsdorf
  •  ????–1687 der Herrensitz "Schlösschen" in Bruck
  • 1688–1692 der Herrensitz Birnthon
  • 1700–1750 das Tucherschloss in Happurg (vorher: Herrensitz "Schloßel")
  • ab 17./18. Jahrhundert Güter in der Oberpfalz
  • 1835–2008 das Schloss Leitheim
  • 1898–???? der Herrensitz Rechenberg in Nürnberg
  • Teile des Cramer-Klett-Parks

Bekannte Familienmitglieder

Bildnis der Elsbeth Tucher, Albrecht Dürer 1499
  • Endres Tucher (1423–1507), Nürnberger Baumeister
  • Hans Tucher (1428–1491), Verfasser eines im Mittelalter weit verbreiteten Pilgerreiseberichts
  • Lorenz I. Tucher (1447–1503), Propst bei St. Lorenz, Gründer der Dr.-Lorenz-Tucher-Stiftung (Familienstiftung)
  • Anton Tucher (1457–1524), Rats- und Handelsherr, Kunstmäzen, Vorderster Nürnberger Losunger (einer von drei Ratsherren, die die Schlüssel zu den Reichskleinodien verwahrten)
  • Sixtus Tucher (1459–1507), Propst bei St. Lorenz, Kirchenrechtsprofessor
  • Elsbeth Tucher (?–?), 1499 auf einem Gemälde Dürers abgebildet, das später als Grundlage für die Abbildung auf der im Jahr 1961 herausgegebenen 20-DM-Banknote der Bundesrepublik Deutschland diente (siehe Deutsche Mark). Weitere Porträts Dürers von Mitgliedern der Familie Tucher aus demselben Jahr: Hans Tucher, Nikolaus Tucher, Felicitas Tucher
  • Linhart Tucher (1487–1568), Rats- und Handelsherr, Diplomat, Vorderster Nürnberger Losunger
  • Lazarus Tucher (1491–1563), kaiserlicher Rat und Handelsherr in Antwerpen
  • Hieronymus Tucher (1504–1540), Kaufherr
  • Paulus XII. T. (1656–1709), Generalfeldmarschall
  • Jobst von Tucher (1762–1813), Bürgermeister, Vater von Marie von Tucher
  • Marie von Tucher (1791–1855), Tochter von Jobst von Tucher, Ehefrau von Georg Wilhelm Friedrich Hegel
  • Siegmund von Tucher (1794–1871), Unternehmer, Gründer der Tucher-Brauerei
  • Christoph Carl Gottlieb Sigmund Freiherr von Tucher (1798–1877), Jurist, Vormund Kaspar Hausers, Sammler alter Kirchenmusik
  • Heinrich Freiherr von Tucher (1853–1925), Diplomat und Gesandter
  • Heinrich Freiherr von Tucher (1875–1962), Diplomat, Attaché und Ministerresident
  • Hans Christoph Freiherr von Tucher (1904-1968), Jurist, Vorstandssprecher der Bayerischen Vereinsbank, Verwaltungsratsvorsitzender des Germanisches Nationalmuseums, Mitglied des Aufrichtsrates der Siemens & Halske AG, der Allianz Versicherungs-AG, der Vereinsbank in Hamburg und der Norddeutschen Kreditbank AG [2]. Nach ihm wurde der Tucherpark in München benannt

Stiftungen (Auszug)

  • 1352 - Geistliche Stiftung zum Unterhalt der Bartholomäuskirche in Wöhrd und anderen Wohltätigkeitszwecken. Heute ist sie ein Patronats- und Wohltätigkeitsfond für kirchliche, gemeinnützigen und mildtätige Zwecke.
  • 1503 - Dr. Lorenz Tucher Stiftung (Hauptstiftung) [3]
  • 1517 - Der Englische Gruß, gestiftet von Anton Tucher [4]
  • 1648 - Tuchersche Große Gartenstiftung (Heute ein Teil der Dr. Lorenz Tucher Stiftung)
  • 1676 - Karl-Tucher-Stiftung für ledige, ehelich geborene Tucherinnen.
  • 1737 - Maria-Magdalena-Tucher-Stiftung zur Unterstützung von Witwen der Tucher Familie.
  • 1861 - Patronats- und Wohltätigkeitsfond. Ein Zusammenschluss einiger Stiftungen, sowie Patronats und Wohltätigkeitsrechnungen von Simmelsdorf und Nürnberg zur Finanzierung der Kirchenpatronate in Behringersdorf und St. Helena sowie zur Unterhaltung der Tucherschen Grabkapelle bei St. Helena in Großengsee.
  • 1990 - Tucherscher Kulturfont zur Förderung von Kunst und Kultur

Wappen

Tucher "Mohr"

Das Stammwappen ist geteilt. Oben von Schwarz und Silber fünfmal schrägrechts geteilt und unten in Gold ein schwarzer Mohrenkopf. Auf dem Helm ist ein goldgekleideter Mohrenrumpf mit silber-schwarz-gold geteilten Stierhörnern statt der Arme. Die Helmdecke ist schwarz-golden.

Siehe auch

Referenzen

Einzelnachweise

  1. Geschichte von Oberndorf
  2. Hans Christoph Freiherr von Tucher
  3. Dr. Lorenz Tucher Stiftung
  4. Der Englische Gruß - in nuernberginfos.de

Literatur

  • Das Große Tucherbuch, Augsburg 2004 (= Handschriften aus bayerischen Bibliotheken und Archiven auf CD-ROM 5).
  • Michael Diefenbacher, Rudolf Endres (Hrsg.): Stadtlexikon Nürnberg. 2., verbesserte Auflage. W. Tümmels Verlag, Nürnberg 2000, ISBN 3-921590-69-8 (online).
  • Antonia Dietz, Sixtus Tucher (1459-1507). Humanist, Jurist und Geistlicher, in: Fränkische Lebensbilder. Bd. 22 (Fränkische Lebensbilder, Reihe VII A, Bd. 22), hg. v. Erich Schneider, Würzburg 2009, S.15-40.
  • Christian Kuhn, Generation als Grundbegriff einer historischen Geschichtskultur. Die Nürnberger Tucher im langen 16. Jahrhundert, Göttingen 2010 (=Formen der Erinnerung 45).

Weblinks

 Commons: Tucher – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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