- Ukrainische Parlamentswahlen, 2006
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Die vierten ukrainischen Parlamentswahlen seit der Unabhängigkeit 1991 fanden am 26. März 2006 statt. Es waren die ersten Parlamentswahlen seit der „orangefarbenen Revolution“. Sie wurden allgemein als Abstimmung über die Fortsetzung des liberalen, westorientierten Kurses des amtierenden Präsidenten Wiktor Juschtschenko gesehen. Dessen Partei büßte aufgrund der verbreiteten Unzufriedenheit mit der als falsch oder halbherzig empfundenen Politik des Präsidenten zahlreiche Stimmen ein, die Wahlliste der ehemaligen Ministerpräsidentin und radikalen Reformerin Julija Tymoschenko wurde allerdings zweitstärkste Kraft. Die Partei des ehemaligen Ministerpräsidenten Wiktor Janukowytsch wurde mit einem Stimmenanteil von 32,1 % stärkste Partei, die größte Unterstützung fand der bisher als Gegner der demokratischen Revolution und Unterstützer Wladimir Putins geltende Janukowytsch im meist russischsprachigen Osten und im Süden des Landes, während in Kiew und im Westen des Landes die Parteien Juschtschenkos und Tymoschenkos die Mehrheit erlangten.
Inhaltsverzeichnis
Wahlverfahren
Die diesjährigen Parlamentswahlen wurden ausschließlich auf der Basis des Verhältniswahlrechtes abgehalten. 450 Parlamatssitze werden nach landeseinheitlichen Parteilisten vergeben. Es galt bei dieser Wahl eine 3%ige Sperrklausel. Damit waren es die ersten Wahlen, die ausschließlich nach dem Verhältniswahlrecht stattfanden. Die Wahlen 1990 und 1994 wurden ausschließlich nach dem Mehrheitswahlrecht abgehalten. Dabei sollte der Kandidat die absolute Mehrheit in seinem Wahlkreis im ersten Wahlgang erzielen, was 1994 zu mehreren Nachwahlen und ständiger Unterbesetzung des Parlaments führte. 1998 und 2002 wurden 225 Sitze nach Parteilisten und die anderen 225 als Direktmandate vergeben, wobei jetzt nur eine relative Mehrheit der Stimmen im Wahlkreis reichte.
Da die Direktmandate meistens von parteilosen Kandidaten erworben wurden, was dann im Parlament die Bildung einer klaren Mehrheit erschwerte, wurde von dieser Wahl nach dem Verhältniswahlrecht vor allem die Stärkung der Parteien im Parlament erwartet.
Eine besondere Bedeutung wurde dieser Wahl auch wegen der am 1. Januar 2006 in Kraft getretener Verfassungsreform beigemessen. Die geänderte Verfassung begrenzt die Kompetenzen des Präsidenten bei der Regierungsbildung zugunsten des Parlaments. Jetzt wird der Ministerpräsident nicht mehr dem Parlament zur einfachen Bestätigung vorgeschlagen, der Präsident muss nun die Mehrheitsverhältnisse in der Werchowna Rada beachten und nur den Vertreter der Mehrheitspartei(-en) dem Parlament zur Wahl vorschlagen. Es wurde also erwartet, dass es zur ersten von den Parteien getragenen Koalitionsregierung kommt. Außerdem wurden auch die Kontrollrechte des Parlaments gegenüber der Regierung erweitert und Weisungsbefugnisse des Präsidenten eingeschränkt.
Endergebnis
Die Wahllokale schlossen am 26. März 2006 um 22 Uhr (Kiewer Zeit). Da neben der Parlamentswahlen noch Kommunal- und Regionalwahlen abgehalten wurden, wurde die Stimmenauszählung erst am Dienstag, dem 28. März, in der Frühe abgeschlossen, allerdings wurden bereits am Sonntagabend erste Hochrechnungen auf der Basis von Nachwahlbefragungen veröffentlicht. Nach amtlichen Angaben der Zentralen Wahlkommission haben an der Wahl 67,13 % der wahlberechtigten Bürger teilgenommen. Die Bekanntgabe des amtlichen Endergebnisses erfolgte durch die Zentrale Wahlkommission am 10. April 2006.
Nach dem amtlichen Endergebnis verteilen sich die Stimmen wie folgt:
Amtliches Endergebnis der Wahlen zur Werchowna Rada 2006 Parteien und Wahlbündnisse Stimmen % Sitze Partei der Regionen (Partija regioniw) 8.148.745 32,14 186 Block Julija Tymoschenko (Blok Juliji Tymoschenko) 5.652.876 22,29 129 Volksunion Unsere Ukraine (Narodnyj Sojus Nascha Ukrajina) 3.539.140 13,95 81 Sozialistische Partei der Ukraine (Sozialistytschna Partija Ukrajiny) 1.444.224 5,69 33 Kommunistische Partei der Ukraine (Komunistytschna Partija Ukrajiny) 929.591 3,66 21 Block Volksopposition (Blok Narodna oposyzija) 743.704 2,93 - Volksblock Lytwyn (Narodnyj Blok Lytwyna) 619.905 2,44 - Block Kostenko und Pljuschtsch (Blok Kostenka i Pluschtscha) 476.155 1,87 - Witsche (Witsche) 441.912 1,74 - Reformen und Ordnung - PORA! (Reformy i Porjadok – PORA!) 373.478 1,47 - Oppositionsblock "Ne Tak" 257.106 1.01 - sonstige (unter 1%) 2.042.405 7.11 - "gegen alle" 449.650 1,77 - ungültige Stimmabgabe 490.595 1,93 - Gesamt (Wahlbeteiligung: 67,13 %) 25.352.380 100 450 Angetretene Parteien, Bündnisse und Wahlblöcke
Die Zentrale Wahlkommission der Ukraine hat zur Wahl am 26. März 2006 die Namenslisten der insgesamt 45 Parteien und Wahlblöcke zugelassen. Es kamen aber nur fünf Parteien über die 3%-Hürde und zogen damit in Fraktionsstärke in die Werchowna Rada ein.
Hervorgehoben sind die Parteien, bei denen erwartet wurde, dass sie über 3 % der Stimmen erhalten. In Klammern ist die Anzahl der Kandidaten auf der bei der zentralen Wahlkommission eingereichten Namensliste der jeweiligen Partei angegeben (siehe auch: Liste der Parteien der Ukraine).
- Kommunistische Partei der Ukraine (449)
- Partei der Regionen (446)
- Volksbewegung der Ukraine für Einheit (42)
- Partei des Sozialen Schutzes (20)
- Politische Partei „Europäische Hauptstadt“ (35)
- Block Natalija Witrenko „Volksopposition“ (390)
- Partei „Russisch-Ukrainische Union“ (RUS')
- Progressive Sozialistische Partei der Ukraine
- Allukrainische Partei des Volksvertrauens (41)
- Block Lasarenko (130)
- Partei „Sozialdemokratische Union“ (SDU)
- Politische Partei Allukrainische Vereinigung „Hromada“ (Gemeinde)
- Sozialdemokratische Partei der Ukraine
- Block „Unsere Ukraine“ (393)
- Kongress der Ukrainischen Nationalisten
- Volksbewegung der Ukraine
- Industriellen- und Unternehmerpartei der Ukraine
- Christliche Demokratische Union der Ukraine
- Volksunion Unsere Ukraine (Wiktor Juschtschenko) (NSNU)
- Ukrainische Republikanische Partei
- Volksblock Lytwyn (444)
- Volkspartei der Ukraine
- Partei der Allukrainischen Vereinigung der Linken „Gerechtigkeit“
- Ukrainische Demokratische Bauernpartei
- Partei der national-ökonomischen Entwicklung der Ukraine (24)
- Block Julija Tymoschenko (409)
- Allukrainische Vaterlandspartei
- Ukrainische Sozialdemokratische Partei
- Sozialistische Partei der Ukraine (390)
- Wahlblock Jewhen Martschuk – „Einheit“ (82)
- Partei der Freiheit
- Partei „Solidarität der ukrainischen Frauen“
- Ukrainische Partei „Einheit“
- Wahlblock Borys Olijnyk and Mychajlo Syrota (99)
- Politische Partei „Informations-Ukraine“
- Gesundheitspartei
- Arbeitspartei der Ukraine
- Oppositioneller Block NE TAK! (441)
- „Frauen für die Zukunft“ – Allukrainischer Politischer Verein
- Allukrainische Union „Zentrum“
- Republikanische Partei der Ukraine
- Vereinte Sozialdemokratische Partei der Ukraine
- Ukrainischer Volksblock von Kostenko und Pljuschtsch (216)
- Freie Bauern- und Unternehmerpartei der Ukraine
- Politische Partei „Versammelte Ukraine“
- Ukrainische Volkspartei
- Partei der Grünen der Ukraine (87)
- Block der Volksdemokratischen Partei (NDP) (376)
- Demokratische Partei der Ukraine
- Volksdemokratische Partei der Ukraine
- Christlichdemokratische Partei der Ukraine
- Christlichliberale Partei der Ukraine
- Partei „Witsche“ (58)
- Sozial-Christliche Partei (36)
- Ukrainische Konservative Partei (31)
- Rentnerpartei der Ukraine (93)
- Politische Partei „Vorwärts, Ukraine!“ (77)
- Wahlblock „Staat – Arbeitsunion“ (263)
- Allukrainische Partei der Arbeiter
- Politische Partei „Staat“
- Wahlblock der politischen Parteien „FÜR DIE UNION“ (83)
- Partei „Sozialistische Ukraine"
- Partei „Union"
- Politische Partei „Vaterland“
- Slawische Partei
- Partei „Wiedergeburt“ (86)
- Politische Partei „Ukraine der Werktätigen“ (20)
- Ukrainische Partei „Grüner Planet“ (28)
- Walblock „Macht an das Volk“ (173)
- Allukrainische Partei der Spiritualität und des Patriotismus
- Allukrainische Tschornobyl-Partei „Für Wohlfahrt und den sozialen Schutz des Volkes“
- Partei für den Schutz der Rentner der Ukraine
- Allukrainische Partei „Neue Kraft“ (185)
- Bürgerlicher Block PORA-PRP(244)
- Bürgerliche Partei „Pora“
- Partei „Reformen und Ordnung“ (PRP)
- Liberale Partei der Ukraine (43)
- Politische Partei der Ukraine „Partei der Politik von PUTIN“ (162)
- Soziale Ökologische Partei „Union. Tschornobyl. Ukraine.“ (54)
- Block „Patrioten der Ukraine“ (99)
- Patriotische Partei der Ukraine
- Ukrainische Nationale Konservative Partei
- Block Jurij Karmasin (59)
- Allukrainische Partei des Friedens und der Eintracht
- Partei der Vaterlandsverteidiger
- Partei „Nationale Demokratische Union Ukraine“
- Partei der Patriotischen Kräfte der Ukraine (103)
- Politische Partei „Partei der ökologischen Rettung EKO+25%“ (140)
- Politische Partei Dritte Kraft (208)
- Ukrainische Volksversammlung (22)
- Allukrainische Union „Freiheit“ (109)
- Bauernpartei der Ukraine (65)
- Block der Parteilosen „DIE SONNE“ (129)
- Ukrainische Partei der Ehre, des Kampfes gegen Korruption und organisierte Kriminalität (44)
Regierungskrise
Im Juni 2006 wurde zunächst eine Neuauflage der Koalition zwischen dem Block Julija Tymoschenko, der Volksunion Unsere Ukraine und der Sozialistischen Partei beschlossen. Tymoschenko sollte in das Amt des Ministerpräsidenten zurückkehren, der bisherige Ministerpräsident Jurij Jechanurow war als neuer Parlamentspräsident vorgesehen. Die Koalition zerbrach aber noch vor der Wahl des Ministerpräsidenten durch das Parlament.
In den folgenden Wochen wurde mehr und mehr deutlich, dass nur eine Koalition von der Volksunion Unsere Ukraine mit Wiktor Janukowytsch Partei der Regionen eine stabile Mehrheit erreichen kann. Nach zähen Verhandlungen einigten sich die Parteien auf eine gemeinsame Regierung, am 2. August 2006 erklärte Präsident Juschtschenko, dass er seinen ehemaligen Rivalen Janukowytsch für das Amt des Ministerpräsidenten vorschlagen werde. Mit der Koalitionsvereinbarung zwischen Janukowytsch und Juschtschenko scheint die viermonatige Regierungskrise der Ukraine beendet. Janukowytsch wurde am 6. August von einer Mehrheit im Parlament bestätigt.[1]
Quellen
- ↑ tagesschau.de: Juschtschenko schlägt Rivalen als Premier vor, 3. August 2006
Weblinks
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