Unterbrechergetriebe

Unterbrechergetriebe
Funktionsweise des Unterbrechergetriebe

Das Unterbrechergetriebe ist eine Koppelung zwischen Propellerwelle und Maschinengewehr (MG) eines Jagdflugzeuges, die dafür sorgt, dass der Feuerstoß des so synchronisierten Maschinengewehres unterbrochen wird, wenn ein Geschoss aus dem MG ein vor der Mündung vorbeiziehendes Propellerblatt treffen würde.

Inhaltsverzeichnis

Aufgabenstellung

Um dem Piloten das Beheben von Ladehemmungen zu ermöglichen, die Schussrichtung des MGs parallel zur Visierlinie des Piloten auszurichten und das Gewicht von Waffe und Munition nah am Schwerpunkt zu konzentrieren, kam es bei den ersten Jagdflugzeugen darauf an, die Bewaffnung unmittelbar vor dem Cockpit zu platzieren. Da einmotorige Flugzeuge mit Zugpropeller die effektivste Bauform für Jagdflugzeuge war, musste das Maschinengewehr den Propellerkreis durchschießen können, ohne den laufenden Propeller zu beschädigen.

Behelfsverfahren

Da eine technische Lösung dafür nicht existierte, griffen im Ersten Weltkrieg alliierte Kampfflieger zu folgenden, zum Teil sehr waghalsigen oder ungewöhnlichen Verfahren:

  • Der russische Pilot Nesterow rammte ein österreichisches Flugzeug und kam dabei zusammen mit der gegnerischen Besatzung ums Leben. Auch britische Piloten wurden angewiesen, deutsche Zeppeline über dem Kanal notfalls zu rammen und so zum Absturz zu bringen.
  • Der russische Flieger Kasakow führte ein Stahlseil mit Reißhaken mit, mit dem er gegnerische Flugzeuge zum Absturz bringen wollte.
  • Maschinen mit Druckpropeller wurden verwendet, die nach vorn für ein bewegliches MG oder ein Geschütz freies Schussfeld hatten[1]. Motor und Propeller wurden am Heck der Rumpfgondel angebracht und die Streben zum Höhen- und Seitenleitwerk seitlich am Propeller vorbeigeführt. Diese aufwändige Lösung war aerodynamisch ungünstig und minderte die Flugleistungen der „Gitterrümpfe“ erheblich.
  • Bei Zweisitzern[2] wurde der – oft vorn sitzende – Beobachter mit einem beweglichen MG ausgerüstet, mit dem er natürlich am Propellerkreis vorbeifeuern musste. Der Beobachter zielte in gefährlicher Weise und bei stark begrenztem Schussfeld mit dem MG zwischen Streben und Verspannung hindurch oder er konnte, falls er im hinteren Cockpit untergebracht war, nur beim Abdrehen des Flugzeugs mit dem MG wirken. Als taktisch unwirksam erwies sich der Versuch von deutscher Seite durch Einsatz sogenannter „Großkampfflugzeuge“ Feindflugzeuge zu bekämpfen: Schwere dreisitzige Großflugzeuge wie die Gotha G.I wurden dazu mit beweglichem MG oder Bordkanone bestückt. Diese konnten sich zwar nun verteidigen, aber um gegnerische Flugzeuge zu stellen, anzugreifen und zu verfolgen waren derartige Großkampfflugzeuge viel zu langsam und schwerfällig.
  • Eine besonders ungewöhnliche und waghalsige Lösung verfolgte die französische Firma SPAD:[3] Der Schütze saß in einer vor dem Propeller aufgehängten Gondel mit freiem Schussfeld nach vorn, was nicht nur die Zugleistung des Propellers beeinträchtigte und jegliche Verständigung der Besatzung verhinderte, sondern für den Beobachter mit dem rotierenden Propeller im Rücken bei Bruchlandungen zur tödlichen Gefahr wurde.
  • Am effizientesten erwies es sich, Maschinengewehre entweder höher oder seitlich versetzt oder im Winkel am Propellerkreis vorbeizielend anzubringen[4]. Im ersten Fall war das Nachladen, im zweiten auch das Zielen mit dem angewinkelten MG schwierig. Dennoch blieb dieses zumindest als Zusatzbewaffnung bis 1918 Standard bei zahlreichen alliierten Jagdflugzeugen, u. a. bei der S.E.5 und der Sopwith Camel.
  • Die höchste Kampfkraft bewiesen Anfang 1915 jedoch Flugzeuge mit unsynchronisiert durch den Propellerkreis feuernden MG: Die Propellerblätter wurden durch Geschossabweiser aus Stahlblech geschützt[5]. Damit wurden Frontalangriff und Verfolgung gegen feindliche Flugzeuge möglich.

Mit diesen Verfahren hatten die Alliierten Anfang 1915 die Luftherrschaft an der Front gewonnen; ihnen waren immer mehr unbewaffnete und damit wehrlose deutsche und österreichische Flugzeuge zum Opfer gefallen, so dass die taktische Luftaufklärung in der Tiefe des gegnerischen Luftraums nahezu unmöglich wurde. Trotzdem erwiesen sich alle genannten Verfahren als behelfsmäßig und wenig effizient. Um ein Durchschießen des Propellerkreises im frontalen Angriff auf ein Feindflugzeug zu ermöglichen, wurde ein Unterbrechergetriebe benötigt, das Motor und MG synchronisierte.

MG-Synchronisation

Die gefährlichsten, zum Frontalangriff tauglichen Jagdflugzeuge mit starrem, vorwärts feuerndem MG waren französische Morane-Saulnier-Einsitzer, bei denen der Propeller mit Geschossabweisern aus Stahlblech gegen Treffer geschützt wurde. Seit Anfang 1915 machte u. a. die so ausgerüstete Escadrille MS.23 ungehindert Jagd auf deutsche Flugzeuge an der Westfront. Am 19. April 1915 geriet jedoch der bekannte französische Vorkriegs-Kunstflieger Roland Garros, der bereits fünf Abschüsse erzielt hatte, über Coutrai in deutsches Abwehrfeuer. Garros musste bei Ingelmunster mit einer so ausgerüsteten Morane-Saulnier L auf deutscher Seite notlanden, sein Flugzeug wurde umgehend nach Berlin geschafft. Antony Fokker[6] und andere Konstrukteure wurden zur Untersuchung der Morane eingeladen und erhielten den Auftrag, die Maschine zu kopieren oder nachzubauen. Helmuth Förster, Hauptmann und Adjutant des Feldflugchefs übergab Fokker ein Parabellum-MG und Munition. Fokkers Versuche, Ablenkbleche an einem deutschen Flugzeugpropeller anzubringen, erwiesen sich bei der Beschussprüfung wegen der Durchschlagskraft der deutschen Stahlmantelgeschosse als untauglich; seine Techniker Lübbe, Curt Heber und Leimberger griffen daraufhin eine 1913 patentierte Erfindung[7] des Ingenieurs Schneider von LVG auf.[8]: Innerhalb von zwei Tagen gelang es Fokker und seinen Ingenieuren eine Mechanik zu konstruieren, die über eine Nockenwelle den Abzug des Parabellum-MGs mit der rotierenden Motorachse verband. Fokker nahm nun einen seiner gerade verfügbaren A.III-Einsitzer mit 59-kW-U.I.-Oberursel-Umlaufmotor, rüstete ihn mit dem synchronisierten MG aus, hängte das Flugzeug an seinen Sportwagen, fuhr von Schwerin nach Döberitz und führte seine „Erfindung“ dem Generalstab persönlich vor.

Kurz darauf lieferte Fokker bereits seine neuen Jagdeindecker an die Front, deren Einsatz nicht nur bis Anfang 1916 der deutschen Seite die Luftherrschaft erkämpfte, sondern auch die Jagdfliegerei revolutionierte.

Weiterentwicklung

Das mechanische Unterbrechergetriebe besaß den Nachteil, durch die Verzögerung zwischen Unterbrechung und Fortsetzung des Feuerstoßes die Kadenz der synchronisierten Bordwaffen spürbar zu verringern. Dieser Nachteil wurde erst in den späten 1930ern durch die Einführung von elektrisch gezündeten Patronen, die einen Zündimpuls von einem vom Triebwerk angetriebenen Zündmagneten erhielten, auf ein Minimum reduziert. Diese Technologie wurde im Zweiten Weltkrieg von den deutschen Jagdflugzeugen verwendet und diente zur Synchronisierung von Maschinengewehren und Bordkanonen.

Ab den 1930er Jahren war es im Flugzeugbau aufgrund tragfähigerer Metallkonstruktionen auch möglich, Bordgeschütze in den Tragflächen unterzubringen, wodurch hier die Notwendigkeit einer Synchronisation entfiel. Weiterhin wurden auch Konstruktionen verwendet, bei denen die Läufe großkalibriger Waffen durch die Propellernabe hindurch gelegt wurden (z. B. Messerschmitt Bf 109 ab Variante F, Jakowlew Jak-3, Bell P-39).

Mit der Einführung von Strahlflugzeugen entfiel mit den Propellern auch das Bedürfnis nach Synchronisation. Modernere militärische Flugzeugtypen mit Kolbenmotoren weisen entweder zwei Triebwerke in den Flügeln auf (Rockwell OV-10, FMA IA 58) oder sind mit konvergierenden Bordwaffen bzw. Aufhängepunkten für Waffenbehälter außerhalb des Propellerkreises ausgerüstet (Douglas A-1, Soko J-20 Kraguj, Embraer EMB 312).

Literatur

  • Enzo Angelucci, Paolo Matricardi: Flugzeuge von den Anfängen bis zum Ersten Weltkrieg. Wiesbaden 1976, ISBN 3-8068-0391-9
  • J.M. Bruce: The Fokker Monoplanes (Profile Nr. 38), Profile Publications Ltd., 1965
  • Peter M. Grosz: Fokker E.I/II (Windsock Datafile No. 91). Albatros Publications, Berkhamsted, Herts, UK 2002. ISBN 1-902207-46-7.
  • Peter M. Grosz: Fokker E.III (Windsock Datafile No. 15). Albatros Publications, Berkhamsted, Herts, UK 1989. ISBN 0-948414-19-7.
  • Karlheinz Kens, Hanns Müller: Die Flugzeuge des Ersten Weltkriegs 1914–1918, München 1973, ISBN 3-453-00404-3
  • Günter Kroschel, Helmut Stützer: Die deutschen Militärflugzeuge 1910–1918, Wilhelmshaven 1977, ISBN 3-920602-18-8
  • Kenneth Munson: Kampfflugzeuge 1914–1919, 2. Auflage, Orell Füssli Verlag, Zürich 1976, ISBN 3-280-00824-7

Weblinks

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. z. B. der britische Vickers Gunbus, der französische Voisin L (ein Voisin dieses Typs schoss am 5. Oktober 1914 erstmals ein deutsches Flugzeug im Luftkampf ab) oder die deutschen Otto C-Typen sowie die Versuchsflugzeuge von Schwade oder August Euler
  2. Die k.u.k. Luftfahrtruppen hatten im August 1914 bereits mit entsprechend im Beobachtercockpit angebrachten leichten MGs experimentiert, jedoch litten die Flugeigenschaften der zu leistungsschwachen Flugzeuge unter dem zusätzlichen Gewicht des MG so sehr, dass die Versuche abgebrochen wurden. Nachdem 1915 jedoch leistungsfähigere Motoren verfügbar waren, wurden die britischen B.E.2a oder der deutschen Aviatik C.I entsprechend ausgerüstet.
  3. vgl. die französischen SPAD A-Typen, die allerdings bei den Besatzungen sehr unbeliebt waren und vorwiegend von der wenig wählerischen russischen Fliegertruppe eingesetzt wurden
  4. z. B. die britischen Sopwith Tabloid oder Bristol Scout, die französische Nieuport 11 oder die russische Mosca MB
  5. z. B. die französischen Morane-Saulnier L und N oder in Einzelfällen die die britischen Sopwith Tabloid und S.E.2
  6. Fokkers Flugzeuge ähnelten der Morane: General Erich von Falkenhayn, Leiter der Obersten Heeresleitung, hatte Fokkers Flugvorführungen 1914 persönlich beobachten können
  7. Deutsches Reichspatent 276,396
  8. Als Chefingenieur der LVG hatte Schneider bereits einige Monate früher den zweisitzigen Eindecker LVG E.I mit durch ein Unterbrechergetriebe synchronisiertem MG gebaut, dieser war aber auf dem Weg zur Fronterprobung verloren gegangen. Dass Fokker das Getriebe innerhalb von 48 Stunden entwickelt hätte ist offensichtlich eine Legende, zumal dieser von Waffentechnik nach eigenem Bekunden keine Ahnung hatte. Daneben soll Fokker später erzählt haben, er habe in der französischen Morane ein ausgekoppeltes Synchronisationsgetriebe vorgefunden. (vgl. Frank T. Courtney: Flight Path, London 1973). Diese Version kann nicht ausgeschlossen werden, denn neben den russischen Ingenieuren Poplawko und Smyslow-Dybowskij hatte auch Raymond Saulnier in Frankreich ein solches Getriebe für das Hotchkiss-MG gebaut, das Louis Peyret 1914 bereits den Militärbehörden vorgestellt hatte, seine Bemühungen waren jedoch daran gescheitert, dass die französische Munition zu ungleichmäßig zündete

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