Unternehmenssozialverantwortung

Unternehmenssozialverantwortung

Der Begriff Corporate Social Responsibility (CSR) bzw. Unternehmerische Gesellschaftsverantwortung (oft aufgrund verkürzter Übersetzung des englischen Begriffs "social" auch als Unternehmerische Sozialverantwortung bezeichnet), umschreibt den freiwilligen Beitrag der Wirtschaft zu einer nachhaltigen Entwicklung, der über die gesetzlichen Forderungen (Compliance) hinausgeht. Er steht für verantwortliches unternehmerisches Handeln in der eigentlichen Geschäftstätigkeit (Markt), über ökologisch relevante Aspekte (Umwelt) bis hin zu den Beziehungen mit Mitarbeitern (Arbeitsplatz) und dem Austausch mit den relevanten Anspruchs- bzw. Interessengruppen (Stakeholdern).

Inhaltsverzeichnis

Begriffsbestimmung und Facetten der CSR

Definition

Für den Begriff Corporate Social Responsibility (CSR) gibt es keine einheitliche Abgrenzung. Vor allem im angloamerikanischen Sprachgebrauch, zunehmend aber auch in der deutschsprachigen Literatur, werden in der Diskussion um die Rolle und die Verantwortung von Unternehmen in der Gesellschaft häufig auch verwandte Begriffe wie Corporate Responsibility oder Corporate Citizenship verwendet.

Die Europäische Kommission charakterisiert in ihrem Grünbuch [1] den Begriff wie folgt:

„Konzept, das den Unternehmen als Grundlage dient, auf freiwilliger Basis soziale Belange und Umweltbelange in ihre Unternehmenstätigkeit und in die Wechselbeziehungen mit den Stakeholdern zu integrieren.“

Die Definition der Europäischen Kommission nennt zwei zentrale Punkte für CSR. Dies sind:

  • soziale Belange und
  • Umweltbelange

Erweitert man diese noch um die ökonomischen Belange, erhält man die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit, nämlich Ökonomie, Ökologie und Soziales (vgl. auch Drei-Säulen-Modell). [2]

CSR bezeichnet demnach also ein integriertes Unternehmenskonzept, das alle "sozialen, ökologischen und ökonomischen Beiträge eines Unternehmens zur freiwilligen Übernahme gesellschaftlicher Verantwortung, die über die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen (Compliance) hinausgehen."[3], beinhaltet.[4]

Teilaspekte

Stakeholder-Beziehungen

Stakeholder sind alle diejenigen, die ein Interesse an den Aktivitäten eines Unternehmens haben. Dies können beispielsweise Eigen- und Fremdkapitalgeber, Arbeitnehmer und Gewerkschaften, Kunden und Lieferanten, Anwohner, Verbraucher- und Umweltschutzverbände sowie die Medien oder allgemein die Öffentlichkeit sein.

Im Rahmen von CSR ist der Dialog mit den Stakeholdern deshalb so wichtig, da sie diejenigen sind, auf die sich die unternehmerische Verantwortung beziehen muss. Insbesondere bei größeren, börsennotierten Unternehmen ist CSR mittlerweile ein wichtiger Baustein um gute Ratings zu bekommen und von Investoren in bestimmten Fonds und Kapitalanlagen berücksichtigt zu werden.

Freiwilligkeit

Das Prinzip der Freiwilligkeit erzeugt die Frage nach den wirklichen Beweggründen einer CSR. In den meisten Fällen ist sicherlich davon auszugehen, dass die Unternehmen nicht allein aus reinem Altruismus handeln - vielmehr werden auch Ziele - wie etwa Profitmaximierung - verfolgt. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass Unternehmen versuchen, den Begriff CSR als Werbemaßnahme zu verwenden und es nach außen als soziales Engagement verkaufen wollen.

Das Drei-Säulen-Modell (Triple Bottom Line)

Das Grünbuch definiert das Drei-Säulen-Modell als "Konzept, das davon ausgeht, dass die Gesamtperformance eines Unternehmens daran gemessen werden sollte, in welchem Maße sie beiträgt zu wirtschaftlichem Wohlstand, Umweltqualität und Sozialkapital." [5] Auch beim übergeordneten Ziel der nachhaltigen Entwicklung werden diese drei Dimensionen Ökonomie, Ökologie und Soziales berücksichtigt. Die ökonomische Dimension zielt dabei auf langfristige Erträge aus den vorhandenen Ressourcen, die ökologische Dimension auf den schonenden Umgang mit diesen Ressourcen und der Natur allgemein und die soziale Dimension auf die Verteilungsgerechtigkeit, das heißt eine intra- und intergenerative Gerechtigkeit. [6]

Aufzählung typischer Maßnahmen von Unternehmen

Geschichtlicher Hintergrund

Seit dem Mittelalter gibt es in Europa das Leitbild des Ehrbaren Kaufmanns, das den einzelnen Kaufleuten die Einhaltung von bestimmten Verhaltensnormen auferlegte, welche unter anderem dem gesellschaftlichen Gleichgewicht in den Städten dienten. Aus den Ehrbaren Kaufleuten des europäischen Bürgertums wurden in der Industrialisierung ab dem 18. Jahrhundert Unternehmerpersönlichkeiten, für die gesellschaftliches Engagement ebenfalls zur Selbstverständlichkeit gehörte.[7] Sie traten als Mäzene und Stifter auf und kümmerten sich um die Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen ihrer Mitarbeiter, indem sie beispielsweise Wohnhäuser bauten.

Die Wissenschaft beschäftigte sich seit den 1950er Jahren, zunächst in den USA, mit dem Thema. Eine der ersten Publikationen zu dem Thema war "Social Responsibilities of the Businessman" von Howard R. Bowen (1953). Er vertrat darin die Ansicht, dass sich soziale Verantwortung von Unternehmen an den gesellschaftlichen Erwartungen und Werten zu orientieren habe. Da die Unternehmen gesellschaftliche Rechte in Anspruch nähmen, hätten sie auch entsprechende Pflichten zu übernehmen. Ab den 1970er Jahren kam der Aspekt des Unternehmens als Akteur hinzu. Man war nun der Ansicht, dass die Unternehmen nicht nur auf Erwartungen der Gesellschaft reagieren, sondern ihr Engagement auch aktiv mitgestalten sollten. Seit den 1980er Jahren trat die "CSR-Bewegung" als Reaktion auf den vorherrschenden Shareholder Value-Gedanken noch stärker hervor.

Parallel entwickelte sich seit den 1980er Jahren der Umweltschutzgedanke, aus dem die Idee einer nachhaltigen Entwicklung hervorging. Seit den 1990er Jahren verschmelzen beide Ideen – CSR und Umweltschutz/Nachhaltigkeit – zu einer Einheit.

In Europa hat sich die CSR-Diskussion dagegen erst später entwickelt. Dies lag wohl zum einen an den gegenüber den USA stärker ausgeprägten sozialen Sicherungssystemen, zum anderen aber auch in der traditionellen Verankerung des Verantwortungsbewusstseins in den europäischen Unternehmen.

2001 erschien das "Grünbuch Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen" der Europäischen Union, in dem diese sich erstmals mit dem Thema auseinandersetzte. 2002 wurde das "European Multi-Stakeholder-Forum on CSR" (EMS-Forum) gegründet.[8]

Initiativen und internationale Regelungen zu CSR

Immer wieder wird diskutiert, inwiefern Vereinheitlichung, Standards oder gesetzliche Rahmenbedingungen (z.B. zu mehr Transparenz) zur Förderung von CSR eingeführt werden sollen. Unternehmensverbände, wie z.B. der BDI, sprechen sich dagegen aus und berufen sich auf den Freiwilligkeitscharakter von CSR. Umwelt- und soziale nichtstaatliche Organisationen (NGO) halten gewisse Standards und gesetzliche Verpflichtungen zu Transparenz für notwendig, damit fortschrittliche Unternehmen auch als solche von den Konsumenten erkannt und vom Markt belohnt werden können.[9] Trotzdem gibt es verschiedene Initiativen von Organisationen, die sich dem Thema angenommen haben. Die bekanntesten sind:

  • der Global Compact der Vereinten Nationen (Freiwillige Verpflichtungserklärung von Unternehmen, 10 grundlegende Prinzipien zu den Themen Menschenrechte, Arbeitsbedingungen, Umweltschutz und Korruption einzuhalten)

Daneben gibt es die Global Reporting Initiative (GRI), die Regeln für die Berichterstattung von CSR aufgestellt hat. Diese Standardisierung zwingt die Unternehmen einerseits dazu, sich zu bestimmten Fragestellungen zu äußern (da die Konkurrenz dies ja auch tut) und zum anderen schafft sie eine gewisse Vergleichbarkeit.

Sozial- und Umweltgütesiegel bescheinigen den Konzernen die Einhaltung bestimmter Mindeststandards bezüglich ihres sozialen oder ökologischen Verhaltens. Zu den bekanntesten Siegeln zählen die Zertifizierung nach ISO 14001, die Validierung nach Eco Management and Audit Scheme (EMAS) und das europäische Umweltgütesiegel für Produkte (Blauer Engel).

Nachhaltigkeits-Indizes bewerten schließlich die Nachhaltigkeits-Aktivitäten von Unternehmen und schaffen so mit dem Social Responsible Investment einen Anreiz für die Unternehmen, ihre Geschäftstätigkeit nach nachhaltigen Gesichtspunkten auszurichten. Die wichtigsten Indizes sind die Dow Jones Sustainability Indexes und die FTSE4Good-Indizes.

Umsetzung durch die Unternehmen

Für Unternehmen besteht aufgrund veränderter Rahmenbedingungen (insbesondere Globalisierung, verbesserte Informations- und Kommunikationstechnologie und sich verändernde Einstellungen bei Verbrauchern und Öffentlichkeit) der Druck, sich zunehmend mit dieser Thematik auseinanderzusetzen, da sie andernfalls Gefahr laufen, die von der Gesellschaft benötigte „Handlungsvollmacht“ (licence to operate) zu verlieren. [10] Prominentes Beispiel für die Konsequenzen bei Verlust dieser „Handlungsvollmacht“ stellt Shell mit ihrer Ölplattform Brent Spar dar. Die Gesellschaft forderte damals von dem Unternehmen die Übernahme von Verantwortung in Form einer Entsorgung der Ölplattform an Land. Anzumerken ist, dass die Kritik an Shell sowie die Forderungen nach Verantwortung auch auf falschen Informationen sowie teilweise unzutreffenden Vorstellungen beruhte. Shell war allerdings aufgrund damals fehlender Vermögenswerte wie Glaubwürdigkeit oder Integrität nicht in der Lage, die praktische legitimität ihrer Entscheidung gesellschaftlich vermitteln zu können. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, Forderungen nach CSR im eigenen Interesse nachzugehen, angemessene Konzepte zu entwickeln und zugleich die Bedingungen für öffentliche Diskurse zu schaffen. Um eine gemeinsame Annäherung an das Thema CSR zu finden, schließen sich Unternehmen zu Netzwerken zusammen (econsense, Unternehmen: Aktiv im Gemeinwesen, CSR Europe, UN Global Compact).

CSR kann auch mit dem Hintergedanken der langfristigen Profitmaximierung verfolgt werden. Die zunehmende Standardisierung führt möglicherweise dazu, dass sich alle Unternehmen auf allen wichtigen Themenfeldern engagieren möchten, da die Konkurrenz dies so vorlebt. Es scheint, dass viele Unternehmen sich nur so weit engagieren, wie es ihnen aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten notwendig erscheint. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass Unternehmen sich im Wettbewerb befinden und CSR unter marktwirtschaftlichen Bedingungen zur Geltung zu bringen ist. Hinzu kommt, dass der Wettbewerb - und damit die unternehmerische Gewinnerzielung - Unternehmen auch Anreize bieten kann, Verantwortung zu übernehmen, etwa in Form von damit ermöglichten Differenzierungseffekten oder aber einer Verbesserung von Kooperationsfähigkeit.

Literatur

  • Alexander Bassen, Sarah Jastram, Katrin Meyer, Katrin: Corporate Social Responsibility. Eine Begriffserläuterung. In: Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik. Jg. 6, Nr. 2, 2005. Rainer Hampp Verlag, Mering, ISSN 1439-880X, S. 231-236.
  • Markus Beckmann: Corporate Social Responsibility und Corporate Citizenship, eine empirische Bestandsaufnahme der aktuellen Diskussion über die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen. Lehrstuhl für Wirtschaftsethik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Halle 2007, ISBN 978-3860109120 (PDF; 0,7 MB).
  • Andrew Crane, Abagail McWilliams, Dirk Matten, Jeremy Moon, Donald S. Siegel (Hrsg.): The Oxford Handbook of Corporate Social Responsibility. Oxford University Press, New York 2008, ISBN 978-0199211593
  • André Habisch, Martin Neureiter, René Schmidpeter (Hrsg.): Handbuch Corporate Citizenship. Corporate Social Responsibility für Manager. Springer Verlag, Berlin Heidelberg 2008, ISBN 978-3540363576, doi:10.1007/978-3540363583.
  • Ursula Hansen, Ulf Schrader: Corporate Social Responsibility als aktuelles Thema der Betriebswirtschaftslehre, in: Die Betriebswirtschaft, Jg. 65, Heft 4, S. 373-395.
  • Daniel Klink: Der Ehrbare Kaufmann – Das ursprüngliche Leitbild der Betriebswirtschaftslehre und individuelle Grundlage für die CSR-Forschung. In: Joachim Schwalbach (Hrsg.): Corporate Social Responsibility. Zeitschrift für Betriebswirtschaft – Journal of Business Economics, Special Issue 3, Wiesbaden 2008, Gabler, ISBN 3-834910449, S. 57–79.
  • Beatrix Kuhlen: Corporate Social Responsibility (CSR). Die ethische Verantwortung von Unternehmen für Ökologie, Ökonomie und Soziales: Entwicklung, Initiativen, Berichterstattung, Bewertung. Deutscher Wissenschaftsverlag, Baden-Baden 2005, ISBN 978-3935176392.
  • Nick Lin-Hi: Corporate Social Responsibility: An Investment in Social Cooperation for Mutual Advantage, Diskussionspapier Nr. 2008-6 des Wittenberg-Zentrums für Globale Ethik.
  • Martin Müller, Stefan Schaltegger (Hrsg.): Corporate Social Responsibility - Trend oder Modeerscheinung. oekom Verlag, München 2008, ISBN 978-3865810533

Siehe auch

Weblinks

Fußnoten

  1. "Grünbuch Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen. KOM (2001) 366 endgültig", Brüssel 2001
  2. ebenda, S. 29 ff.
  3. Meffert, Heribert; Münstermann, Matthias: "Corporate Social Responsibility in Wissenschaft und Praxis: eine Bestandsaufnahme", Arbeitspapier Nr. 186, Wissenschaftliche Gesellschaft für Marketing und Unternehmensführung e.V., Münster 2005, S. 20 f.
  4. Herchen, Oliver: "Corporate Social Responsibility. Wie Unternehmen mit ihrer ethischen Verantwortung umgehen", Norderstedt 2007, ISBN 978-3-8370-0262-1, S. 25 f.
  5. "Grünbuch Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen. KOM (2001) 366 endgültig", Brüssel 2001, S. 30
  6. Herchen, Oliver: "Corporate Social Responsibility. Wie Unternehmen mit ihrer ethischen Verantwortung umgehen", Norderstedt 2007, ISBN 978-3-8370-0262-1, S. 32 ff.
  7. Daniel Klink: Der Ehrbare Kaufmann – Das ursprüngliche Leitbild der Betriebswirtschaftslehre und individuelle Grundlage für die CSR-Forschung. In: Joachim Schwalbach (Hrsg.): Corporate Social Responsibility. Zeitschrift für Betriebswirtschaft – Journal of Business Economics, Special Issue 3, Wiesbaden 2008, Gabler, ISBN 3-8349-1044-9, S. 57–79.
  8. Herchen, Oliver: "Corporate Social Responsibility. Wie Unternehmen mit ihrer ethischen Verantwortung umgehen", Norderstedt 2007, ISBN 978-3-8370-0262-1, S. 19 ff.
  9. vgl. Loew: "The Results of the European Multistakeholder Forum on CSR in the View of Business, NGO and Science", Berlin 2005.
  10. "Suchanek, Andreas; Lin-Hi, Nick 2006: Eine Konzeption unternehmerischer Verantwortung, Diskussionspapier Nr. 2006-7 des Wittenberg Zentrums für Globale Ethik.

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