Ursula Herrmann

Ursula Herrmann

Die Entführung von Ursula Herrmann ist ein Fall der Kriminalgeschichte in der Bundesrepublik Deutschland. Keinem der im Laufe der Jahre Verdächtigten konnte die Tat nachgewiesen werden.

Im Mai 2007 geriet der Fall Herrmann erneut in die Schlagzeilen, als DNA-Spuren im Zusammenhang mit der Tötung der wohlhabenden, 59-jährigen Parkhausbesitzerin Charlotte Böhringer gesichert wurden, die dem Fall Herrmann zugeordnet werden konnten.

Im Mai 2008 wurde überraschend ein dringend Tatverdächtiger festgenommen. Nach Pressemeldungen steht die Tat kurz vor der Aufklärung.

Inhaltsverzeichnis

Tathergang

Die zehnjährige Schülerin Ursula Herrmann aus Eching am Ammersee in Bayern war am 15. September 1981 gegen 19.35 Uhr mit dem Fahrrad auf dem Heimweg von ihrer Großmutter in Schondorf am Ammersee. Der Täter riss das Kind vom Rad und schleppte es zu einem präparierten Versteck, einer in einem Waldstück namens „Weingarten“ (zwischen Schondorf und Eching) im Waldboden vergrabenen Kiste. Die Kiste hatte die Maße 72 cm × 60 cm × 139 cm und verfügte über Beleuchtung und einen Toiletteneimer. Zur Belüftung sollte ein aus dem Waldboden ragendes Rohr dienen. Da dieses jedoch durch herabfallendes Laub verstopfte und keinen Luftaustausch gewährleisten konnte, erstickte das Mädchen schon nach wenigen Stunden.

Obwohl dies den Kidnappern bekannt sein musste, forderten sie dennoch ein Lösegeld von zwei Millionen DM. Die Kontaktaufnahme erfolgte zunächst durch Telefonanrufe bei den Eltern, bei denen der Täter jeweils die Erkennungsmelodie von Bayern 3 abspielte, ohne dass es zu Gesprächen gekommen wäre. Am 18. September traf ein Erpresserbrief mit der Lösegeldforderung ein. Am 21. September traf ein weiterer Brief mit den Modalitäten der geplanten Geldübergabe ein. Danach brach der Kontakt ab. Die Kiste mit der Leiche des Kindes wurde dann am 4. Oktober gefunden.

Die Polizei verfolgte hartnäckig mehrere Spuren und zahlreiche Hinweise aus der Bevölkerung, die jedoch alle ins Leere führten. Da es sich juristisch gesehen nicht unbedingt um Mord, sondern möglicherweise lediglich um erpresserischen Menschenraub mit Todesfolge handelt, drohte eine Verjährung nach 30 Jahren.

Der Fall war zweimal, 1982 und 2002, Thema in der ZDF-Fernsehserie Aktenzeichen XY ungelöst, jedoch brachte keine der beiden Ausstrahlungen einen Fahndungserfolg.

2005 wurde der Fall wiederaufgenommen, indem mehrere Haare, die seinerzeit in der Kiste gefunden worden waren und die nicht von Ursula Herrmann stammten, mittels DNA-Analyse untersucht wurden. Dabei konnte ein genetischer Fingerabdruck erstellt werden, der jedoch einem Kriminaltechniker zugeordnet wurde, der selbst mit dem Fall befasst war. Nach wie vor liegt den Ermittlern also kein genetischer Fingerabdruck eines Täters vor.

2006 verfolgten die Ermittler konkret einen der vielen Hinweise aus der Bevölkerung. Er bezog sich auf einen 42-jährigen Mann aus dem Raum Amberg, der seit dem Jahr 2005 in Taiwan wegen Drogenhandels im Gefängnis sitzt. Er leugnet eine Beteiligung an der Tat und gab freiwillig eine Speichelprobe ab. Ein Abgleich seiner DNA mit seinerzeit gesicherten Spuren ist bislang nicht gelungen.

Nach wie vor ist eine Belohnung in Höhe von 50.000 € für Hinweise, die zur Aufklärung des Falls führen, ausgelobt.

Tatverdächtigter Harald Wilhelm

In einem Fall gibt es Vorwürfe, der hohe Fahndungsdruck der Polizei habe einen unschuldig Verdächtigten in den Alkoholismus und letztlich frühzeitigen Tod getrieben.

Dabei geriet ein wegen einer schweren Schussverletzung frühverrenteter, ehemaliger Polizist namens Harald Wilhelm ab Mai 1984 als Hauptverdächtigter in das Visier der Ermittler:

  • man traute ihm Kaltblütigkeit und als ehemaligem Polizisten die nötige Sachkunde zu
  • er arbeitete gelegentlich als Jagdhelfer im fraglichen Gebiet
  • ein Zeuge gab an, im fraglichen Zeitraum Wilhelms Ford Transit in Tatortnähe gesehen zu haben
  • Wilhelm besaß einen Hund, und in der „Erdkiste“ waren Tierhaare gefunden worden

Außerdem verdächtigte man noch Wilhelms Bruder Jürgen – dieser habe als damaliger Medizinstudent geholfen, das Opfer zu betäuben – und Wilhelms ehemaligen Vorgesetzten und Streifenführer. Gegen Letztere wurden die Ermittlungen – u. a. nach Eingaben beim damaligen Chef der Bayerischen Staatskanzlei, Edmund Stoiber – am 23. September 1987 eingestellt, gegen den Hauptverdächtigten erst zwei Jahre später. In dieser Zeit hatte er einen erheblichen Fahndungsdruck zu erleiden, einschließlich Personenobservationen und Telefonüberwachungen; außerdem habe er sein Antiquitätengeschäft wegen häufiger Polizeibefragungen vor Kunden aufgeben müssen. Deswegen sei er Alkoholiker geworden, was letztlich zu seinem frühen Tod am 15. Juli 1995 wegen Magenblutungen geführt habe.

Festnahme eines dringend Tatverdächtigten nach 27 Jahren

Im Mai 2008 steht die Tat angeblich kurz vor der Aufklärung. Ein 58-jähriger Mann wurde in Kappeln nahe der dänischen Grenze festgenommen. Der festgenommene Werner M. wohnte Anfang der 1980er Jahre im Nachbarort der Familie, betrieb dort ein Radio- und Fernsehgeschäft und war hoch verschuldet. Es wurde bereits kurz nach der Tat gegen ihn ermittelt. Zeugen lieferten damals aber ein Alibi. Der Beschuldigte bestreitet die Tat bis heute. Im Oktober 2008 wurde Anklage gegen den 58-jährigen Fernsehtechniker und seine Ehefrau erhoben.

In seiner Wohnung wurde ein Tonbandgerät beschlagnahmt, für das im April 2008 ein aufwendiges Phonetikgutachten erstellt wurde. Dem Gutachten zufolge weist das Tonbandgerät technische Auffälligkeiten auf, die auch bei den mitgeschnittenen Telefonanrufen festgestellt wurden.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft sprechen noch andere Indizien gegen den Beschuldigten. So verwickelte sich der Beschuldigte bei seiner Vernehmung in Widersprüche und behauptete, das Opfer und seine Familie nie persönlich gekannt zu haben. Es gibt aber derzeit keinen DNA-Beweis gegen ihn, da entsprechende Spuren am Fahrrad des Opfers vor Einführung der DNA-Analyse in die Kriminaltechnik bereits vernichtet worden waren und ein DNA-Abgleich mit den anderen rund 30 Jahre alten Beweisstücken technisch schwierig sei und bisher noch zu keinem positiven Ergebnis geführt habe.

Es existieren drei weitere Beschuldigte, wobei die derzeit vorliegenden Beweise nicht für die Anordnung von Untersuchungshaft ausreichend sind. Polizei und Staatsanwaltschaft gehen davon aus, dass es mindestens einen Mittäter gegeben haben muss, da eine Person nicht die schwere Kiste alleine an den Tatort hätte tragen können.

Quellen

Weblinks


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