Valentin Tomberg

Valentin Tomberg

Valentin Tomberg (* 27. Februar 1900 in Sankt Petersburg, Russland; † 24. Februar 1973 auf Mallorca) war Rechtswissenschaftler und Mystiker.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Sein Vater, ein höherer Beamter, war schwedischer Herkunft, die Mutter war Russin. Er genoss eine gute Schulbildung, lernte früh Griechisch und Latein, im Elternhaus auch Deutsch, Englisch und Französisch. Seit 1919/20 beschäftigte er sich in St. Petersburg mit dem Tarot, früh war er aber auch schon von den Schriften Rudolf Steiners begeistert. Nach der Oktoberrevolution flüchtete er nach Tallinn in Estland. Er arbeitete als Beamter, Lehrer, Landarbeiter, Pharmazeut und Künstler und finanzierte sich so ein Abendstudium der vergleichenden Religionswissenschaften, der Philosophie und mehrerer Sprachen. Außerdem war er für den Tallinner Zweig der Anthroposophischen Gesellschaft tätig, dessen Leiter er bereits mit 25 Jahren wurde.

Seit Beginn der 30er Jahre veröffentlichte er zahlreiche Aufsätze in anthroposophischen Zeitschriften. 1931 hatte er ein tiefgreifendes spirituelles Erlebnis. Nach eigenen Angaben hätten sich seine „geistigen Augen und Ohren“ geöffnet, und er begann die ihn umgebende Welt der Engel und geistigen Individualitäten unmittelbar wahrzunehmen und mit ihnen in geistigen Verkehr zu treten. An die Witwe von Rudolf Steiner schrieb er 1931: „Ein Großes habe ich erleben dürfen – im wahren Sinne dieses Wortes. Denn groß ist der Geist-Kosmos, der sich in strahlender Gewissheit der wachen Seele aufgetan hat“. In der Folgezeit versuchte er mit seinen Aufsätzen und Vorträgen im anthroposophischen Sinne seine Zuhörer und Leser stärker auf Christus hin auszurichten und auch mehr und mehr die Bibel in seinen Vorträgen in den Mittelpunkt zu stellen. 1938 siedelte Tomberg nach Rotterdam über und wohnte in der Zeit des Krieges mit Frau und Kind in den Niederlanden. Er arbeitete 1939 - 1940 als Sekretär im estnischen Vize-Konsulat in Amsterdam unter dem estnischen Vize-Konsul, dem Niederländer Jan Rot. Durch die deutsche Besatzung der Niederlande und die sowjetrussische Besatzung Estlands wurde das Vize-Konsulat in Amsterdam geschlossen und Tomberg verlor seine Arbeit.

1945 orientiert er sich zur Katholischen Kirche (es ist jedoch unklar, ob er dieser auch im formellen Sinne beitrat). Es folgten Aufenthalte in Mülheim an der Ruhr, wo er den Wiederaufbau der Volkshochschule leitete, und Köln, wo ihm Prof. Ernst von Hippel eine Stelle an der Universität zu Köln anbot. Tomberg promovierte dort zum Dr. jur. und legte Schriften zur Rechtsphilosophie und zum Völkerrecht vor. Nach kurzer Zeit in London (um 1948) übersiedelte er nach Reading an der Themse, arbeitete bis zu seiner Pensionierung 1960 für die BBC und danach intensiv an seinen Manuskripten, vor allem an seinem Hauptwerk Die großen Arcana des Tarot (1967). Tomberg starb während eines Aufenthaltes in Mallorca am 24. Februar 1973.

Schaffen

In frühen Schriften greift Tomberg aus den anthroposophischen Lehren Rudolf Steiners insbesondere christologische Aspekte heraus, verbindet diese in umfassenden Zusammenhängen und ergänzt Ergebnisse eigener Forschung. Später bereut Tomberg jedoch „zu dem Viel“ an anthroposophischer Literatur noch „ein Mehr“ hinzugefügt und damit die Leser überfordert zu haben. Es ist jedoch festzuhalten, dass er stets die Bedeutung Rudolf Steiners für die geistige Entwicklung der Menschheit betont hat. Zu einem wirklichen Bruch mit der Anthroposophie kam es folglich nie. Tomberg steht in seinen späteren Schriften, die nicht mehr von der Anthroposophie geprägt sind, sondern von einer tiefempfundenen Christologie in einer großen Tradition, die zum einen die christlichen Kirchenväter und Mystiker bilden, und zum anderen von der französischen und russischen Hermetik, der jüdischen Kabbala und zeitgenössischen Denkern, die die Grenzen des wissenschaftlich-materialistischen Weltbilds zu durchbrechen suchten, wie Henri Bergson, C. G. Jung oder Teilhard de Chardin gebildet werden. Tomberg beschränkte sich aber nicht darauf, die Tradition nur zu rekapitulieren und zusammenzufassen, sondern bereichert mit neuen Einsichten und lässt Kenntnisse einfließen. In den 60er Jahren schrieb er sein Hauptwerk Die großen Arcana des Tarot, das erst – seinem Willen entsprechend – nach seinem Tod unter einem Pseudonym erscheinen sollte. Die großen Arcana sind eine meditative Einführung in all das, was in umfassendster Weise zur christlichen Botschaft und Spiritualität gehört, eine Summa der christlichen Hermetik.

Werke

  • Anonymus d'Outre Tombe: Die großen Arcana des Tarot. Meditationen. Herausgegeben von Martin Kriele und Robert Spaemann. Einführung von Hans Urs von Balthasar, Herder, Basel 1983; 3. erweiterte Auflage 1993, ISBN 3-906371-05-0
    • Originaltitel: Méditations sur les 22 Arcanes Majeurs du Tarot, Aubier-Montaigne, Paris 1980
  • Anonymus d'Outre Tombe: Meditationen über die Großen Arcana des Taro. 22 Briefe an den unbekannten Freund. Übersetzt von Gertrud von Hippel, herausgegeben von Ernst von Hippel. (Vergriffene, aber von V. Tomberg korrigierte Ausgabe) Verlag Anton Hain, 1972, ISBN 3-445-10904-4
  • Anthroposophische Betrachtungen über das Alte Testament, Achamoth, Schönach 1989, ISBN 3-923302-02-9
  • Anthroposophische Betrachtungen über das Neue Testament, Achamoth, Schönach 1991, ISBN 3-923302-03-7
  • Aufsätze aus der Zeit von 1930 bis 1938 (Über östliche und westliche Geistigkeit. Die Geisteswissenschaft Rudolf Steiners. Die Tragik Russlands – Strömungen gegen den Christus-Impuls), hg. v. Willi Seiss, Achamoth, Schönach 1999, ISBN 3-923302-09-6
  • Aufzeichnungen. Vortragsnachschriften, hg. v. Willi Seiss, Achamoth, Schönach 2001, ISBN 3-923302-15-0
  • Degeneration und Regeneration der Rechtswissenschaft, Schwippert („Schriften zur Rechtslehre und Politik“, Band 66, hg. v. Ernst von Hippel), Bonn 1946; 2. Auflage Bouvier, Bonn 1974
  • Die Grundlagen des Völkerrechts als Menschheitsrecht
  • Die Grundsteinmeditation Rudolf Steiners, Achamoth, Schönach 2. A. 1992, ISBN 3-923302-04-5
  • Karmische Zusammenhänge bei Gestalten des Alten Testaments. Mitteilungen aus der Arkandisziplin, hg. v. Willi Seiss, Achamoth, Schönach 2003, ISBN 3-923302-20-7
  • Lazarus komm heraus. Vier Schriften. Hg. v. Martin Kriele. Vorwort von Robert Spaemann, Herder, Basel 1985; Neuauflage 2003, ISBN 3-906371-12-3
  • Sieben Vorträge über die innere Entwicklung des Menschen, Achamoth, Schönach 2. A. 1993, ISBN 3-923302-05-3
  • Die vier Christusopfer und das Erscheinen des Christus im Ätherischen, Achamoth, Schönach 3. A. 1994, ISBN 3-923302-07-X
  • Der wandernde Narr – Die Liebe und ihre Symbole – Eine christliche Tarot-Meditation. Französischer Originaltext mit deutscher Übersetzung von Wilhelm Maas. Hg. v. Friederike Migneco und Volker Zotz, Kairos Edition, Luxemburg 2007, ISBN 2-9599829-5-9
  • Inspirationen zu den Großen Arcana des Taro XIV - XXII von Valentin Tomberg (französisch - deutsch) und weitere hermetische Beiträge. Französischer Originaltext mit deutscher Übersetzung von Sebastian Niklaus. Hg von Willi Seiss und Catharina Barker, Achamoth, Schönach 2007, ISBN 978-3-923302-26-0
  • Der Vaterunser-Kurs - I. Teil, Hg. Willi Seiss, Achamoth (Taisersdorf/Bodensee) 2008, ISBN 978-3-923302-27-7
  • Der Vaterunser-Kurs - II. Teil, Hg. Willi Seiss, Achamoth (Taisersdorf/Bodensee) 2009, ISBN 978-3-923302-27-7/II. Teil

Literatur

  • Sergej O. Prokofieff und Christian Lazaridès: Der Fall Tomberg. Anthroposophie oder Jesuitismus, Verlag am Goetheanum, Dornach 1995; stark erweiterte Neuausgabe 1996 im Selbstverlag, ISBN 3-00-000843-8
  • Martin Kriele: Anthroposophie und Kirche. Erfahrungen eines Grenzgängers, Herder, Freiburg 1996, S. 148-229, ISBN 3-451-23967-1
  • Willi Seiss: Kampf und Widerstand gegen eine geisteswissenschaftlich erforschte Christologie und Christosophie und gegen deren Verfasser Valentin Tomberg. Teil A, Achamoth, Schönach 1996, ISBN 3-923302-10-X
  • Gerhard Wehr: Spirituelle Meister des Westens. Leben und Lehre, Diederichs, München 1998, S. 239ff, ISBN 3-424-01216-5
  • Willi Seiss: Der Kampf gegen Valentin Tomberg und seine geisteswissenschaftlich erforschte Christosophie. Dokumentiert an Hand des Briefwechsels zwischen Valentin Tomberg und Marie Steiner. Teil B – Briefwechsel, Achamoth, Schönach 1999, ISBN 3-923302-11-8
  • Elisabeth Heckmann: Valentin Tomberg. Leben – Werk – Wirkung. Biographie 1900–1944 (= Band I/1), Novalis, Schaffhausen 2001, ISBN 3-907160-77-0
  • Elisabeth Heckmann und Michael Frensch: Valentin Tomberg. Leben – Werk – Wirkung. Biographie 1944–1973 (= Band I/2), Novalis, Schaffhausen 2005, ISBN 3-907160-82-7
  • Ramsteiner Kreis (Hrsg.) Valentin Tomberg. Leben – Werk – Wirkung. Quellen und Beiträge zum Werk (= Band II), Novalis, Schaffhausen 2000, ISBN 3-907160-72-X
  • Ramsteiner Kreis (Hrsg.) Valentin Tomberg. Leben – Werk – Wirkung. Beiträge zur Wirkungsgeschichte (= Band III), Novalis, Schaffhausen 2005, ISBN 3-907160-78-9
  • Jens Roepstorff: Valentin Tomberg - Ein Portrait des Wiederbegründers de Mülheimer Volkshochschule nach 1945, Mülheimer Jahrbuch 2007, S. 241-246.

Weblinks



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