Walter Klingenbeck

Walter Klingenbeck

Walter Klingenbeck, (* 20. März 1924 in München; † 5. August 1943 in Stadelheim) war ein deutscher jugendlicher Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus.

Inhaltsverzeichnis

Herkunft und Motiv

Walter Klingenbeck stammte aus einer katholischen Familie, die Anfang der 20er Jahre von dem fränkischen Ort Fechenbach/Main nach München gezogen war. Er war überzeugtes Mitglied der katholischen Jungschar St. Ludwig, bis sie 1936 durch das NS-Regime verboten und aufgelöst wurde. Diese Tatsache erweckte seine frühe regimekritische Einstellung.

Zusammen mit seinem Vater hörte er die Sendungen von Radio Vatikan, in denen von nationalsozialistischen Verstößen gegen das Reichskonkordat berichtet wurde. Als sein Vater 1939 aufhörte, die mit Kriegsbeginn verbotenen Feindsender zu hören, machte er damit alleine weiter.

Aktionen

Im Frühjahr 1941 schlossen sich vier Lehrlinge, im Alter zwischen 16 und 17 Jahren, zusammen. Sie verband eine ähnliche politische und religiöse Einstellung.

Treibende Kraft war der Schalttechnik-Lehrling Walter Klingenbeck. Zur Lehre war er bei der Firma Rohde und Schwarz. Dort lernte er den Praktikanten Daniel von Recklinghausen kennen. Hans Haberl war Hochfrequenztechniker und teilte sich ein gemietetes Zimmer mit Erwin Eidel, der eine Lehre als Flugmotorenschlosser absolvierte. Die vier Freunde hatten eine große Leidenschaft für Technik, besonders für das Radio. Durch das Hören deutschsprachiger Sendungen der britischen BBC, des internationalen Radio Vatikan und anderer verbotener Radiostationen verstärkte sich ihre regimeferne Sichtweise.

Sie verbreiteten Flugblätter die, anders als die der Helmuth Hübener-Gruppe in Hamburg, nur aus Kurztexten und Bildern bestanden. Zeitlich parallel hatte sich in Wien eine weitere Gruppe gebildet, deren Anführer Josef Landgraf war. Die drei jugendlichen Vierergruppen hatten sich unabhängig gebildet und sie wussten nichts voneinander.

Der Klingenbeck-Kreis traf sich anfangs nur zum Abhören unerlaubter Radiobeiträge. Fasziniert waren die Jungen von dem Sender Gustav Siegfried 1, der Gerüchte verbreitete wie „an der Ostfront sei Fleckentyphus ausgebrochen“ oder „hohe Funktionäre würden sich wilden sexuellen Ausschweifungen hingeben“. Schließlich versuchten sie einen eigenen Schwarzsender aufzubauen. Sie überlegten sich Namen für ihren Sender: „Radio Rotterdam“, um an die Vernichtung der Stadt durch die eigene deutsche Luftwaffe zu erinnern, oder „Sender der Freiheit“ oder „Gustav Siegfried 8“. In ersten, kleinsten Probeversuchen sandten sie französische Schlagermusik und oppositionelle Propaganda, um zum Sturz des NS-Regimes aufzufordern, den sie ersehnten.

Klingenbeck arbeitete auch an einen Flugblatt über die verstorbene Tänzerin La Jana. Damit wollte er das Gerücht verbreiten, die Frau habe sich selbst umgebracht, um Annäherungsversuchen von Goebbels zu entgehen. Dieser habe sie durch die Gestapo inhaftieren lassen, um sie gefügig zu machen. Klingenbecks Versuch galt als Hochverrat.

Im Sommer 1941 erging über BBC der Aufruf, das V-Zeichen als Kürzel für das englische Wort „victory“ zu verbreiten um damit den Sieg der Alliierten anzukündigen. Im September 1941 malte Klingenbeck mit schwarzem Altöl große V-Zeichen an etwa 40 Gebäude im Süden Münchens, im Stadtteil Bogenhausen und vor die SS-Kaserne im Stadtteil Freimann. Recklinghausen war beteiligt, indem er Wache stand.

Gegenaktionen des NS-Regimes

Verhaftung und Untersuchungshaft

Aus Leichtsinn erzählte Klingenbeck von dieser Aktion, so dass er denunziert und am 26. Januar 1942 im Alter von 17 Jahren verhaftet wurden. Wenige Tage später kamen seine Freunde in Haft. Acht Monate saßen die Jungen in Untersuchungshaft. Walter Klingenbeck nahm die gesamte Verantwortung auf sich.

Verurteilung

Am 24. September 1942 kam es zur Verhandlung am Volksgerichtshof Berlin, der für Hochverrat zuständig war. Im damaligen Gesetz zur Volljährigkeit war das Alter auf 21 Jahre festgelegt. Die mit Kriegsbeginn erlassene „Verordnung zum Schutz gegen jugendliche Schwerverbrecher“ machte seit Oktober 1939 den Weg frei um Zuchthaus- oder Todesstrafe gegen 16-Jährige verhängen zu können.

Vizepräsident Karl Engert verurteilte Klingenbeck zur Todesstrafe. Hans Haberl und Daniel von Recklinghausen wurden zunächst ebenfalls zum Tode verurteilt, Erwin Eidel zu acht Jahren Zuchthaus:

„Sämtliche Angeklagten waren zur Tatzeit jugendlich, aber über 16 Jahre alt und sind ihrer geistigen und sittlichen Entwicklung nach einer über 18 Jahre alten Person gleich zu achten.“

Knapp ein Jahr nach dem Urteil, am 2. August 1943, wurden Haberl und von Recklinghausen begnadigt zu acht Jahren Freiheitsstrafe. Das Begnadigungsgesuch für Walter Klingenbeck hingegen wurde abgelehnt.

Vollstreckung

Drei Tage nach Begnadigung seiner Freunde, am 5. August 1943, wurde Walter Klingenbeck in der Strafanstalt München-Stadelheim im Alter von nur 19 Jahren guillotiniert. Er ist in München auf dem Friedhof am Perlacher Forst bestattet.

Kriegsende

Die Alliierten befreiten seine Freunde zu Kriegsende aus der Haftanstalt. Der 22-jährige Haberl errichtete eine Rundfunkwerkstätte. Recklinghausen arbeitete als Radiomechaniker in einer Werkstatt einer amerikanischen Einheit. Später wanderte er in die Vereinigten Staaten aus.

Die Eltern gingen nach dem Tod ihres Sohnes wieder zurück in ihr Heimatdorf Fechenbach (heute Collenberg). Dort wurde auf dem Mahnmal für die Gefallenen des Zweiten Weltkriegs, das neben der Pfarrkirche St. Stephanus steht, der Name von Walter Klingenbeck in den 50er Jahren nachträglich hinzugefügt.

Heute

In Erinnerung an den jungen Widerstandskämpfer nennt sich die staatliche Realschule in Taufkirchen (Landkreis München) „Walter-Klingenbeck-Schule“.

Seit Januar 1998 trägt ein bis dato unbenannter Weg in der Münchner Maxvorstadt Klingenbecks Namen.

Am 8. November 2006 gedachten in der Maxvorstadt, Klingenbecks Heimatviertel, etwa 60 Menschen mit einem akustischen Denkmal. Von mitgebrachten CDs wurde das Signal des deutschen Dienstes der BBC gespielt, zugleich ist es das Morsezeichen für V wie „victory“.

Zitate

  • „Unsere Jugendlichen wollen und müssen wissen, wofür sie leben und für welche Ideen sie sich einsetzen: Aufrecht und ohne Scheu kritisch, aber konstruktiv ihr Umfeld hinterfragen – damit werden sie entscheidungsfähig und mitverantwortlich für ihr eigenes Leben und das der anderen.“ Walter-Klingenbeck-Schule, Taufkirchen (Landkreis München)
  • Klingenbeck hat geltend gemacht, er sei streng katholisch erzogen worden und habe aus dieser Einstellung heraus gehandelt. Dabei sei er sich darüber klar gewesen, daß seine Tat ihn den Kopf kosten könne. Die nationalsozialistische Ideenwelt sei ihm ihrem wesentlichen Inhalt nach zur Zeit der Tat fremd gewesen.“ Urteil Volksgerichtshof Berlin, 1942, Quelle: Kulturreferat Stadt München

Literatur

  • Ruth-Maria Gleißner: „Der Hitler soll das Maul nicht so voll nehmen.“ Das kurze Leben des Walter Klingenbeck. - München : Bayer. Rundfunk, 2004
  • Jürgen Zarusky: „... nur eine Wachstumskrankheit“? Jugendwiderstand in Hamburg und München. In: Dachauer Hefte Nr. 7: Solidarität und Widerstand. 1991.

Weblinks


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