Wechselfalle

Wechselfalle

Unter Betrug versteht man

  • im rechtlichen Sinn eine Straftat nach § 263 Abs. 1 StGB, die unter anderem eine Täuschung voraussetzt, um den Getäuschten dazu zu veranlassen, so über sein Vermögen oder das eines Dritten zu verfügen, dass ein Vermögensschaden eintritt;
  • im nichtstrafrechtlichen Sinn eine Täuschung, die nicht auf einen Vermögensvorteil abzielt und damit eine strafrechtlich gesehen irrelevante Form des Betrugs ist (zur Abgrenzung auch als "Betrügerei" bezeichnet). Voraussetzung dafür ist allerdings, dass der Täter dabei keine anderen strafbaren Delikte begeht. Motive hierfür sind oft immaterielle Werte wie wissenschaftlicher Ruhm; eine Bestrafung hat allenfalls außergerichtlich zu erfolgen.

Inhaltsverzeichnis

Rechtliche Situation in Deutschland

Das Vergehen des Betruges ist ein Straftatbestand der Vermögensdelikte. Das geschützte Rechtsgut ist nicht die Verfügungsfreiheit des Vermögensinhabers, sondern das Individualvermögen (auch das Vermögen des Staates) als ganzes.

Der deutsche Bundesgesetzgeber hat dies in vielen Sanktionsnormen geregelt. An erster Stelle steht § 263 Strafgesetzbuch. Spezielle Strafvorschriften für Sonderfälle des Betruges oder besonders gefährliche Taten schon im Vorfeld sind unter anderem der Versicherungsmissbrauch nach § 265 StGB (der schon im sogenannten Vorfeld jeglicher Täuschung - also schon vor dem eigentlichen Versicherungsbetrug - allein das Beiseiteschaffen einer versicherten Sache unter Strafe stellt), der Kapitalanlagebetrug nach § 264a StGB und der Subventionsbetrug nach § 264 StGB, der nach EU-Richtlinien gestaltet wurde. Besondere Betrugsform ist der Computerbetrug nach § 263a StGB, bei der kein Mensch, sondern eine Maschine, „getäuscht“ wird. Während die Täuschung zum Erhalt von Sozialleistungen unter den allgemeinen Betrugstatbestand fällt, ist die Täuschung gegenüber dem Finanzamt nach §§ 369 ff. Abgabenordnung (AO) insbesondere als Steuerhinterziehung gesondert geregelt.

Gesetzliche Normierung

Der Betrugstatbestand des Strafgesetzbuchs (§ 263 StGB) lautet in seinem Absatz 1:

Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhält, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Die Absätze 2-7 regeln die Strafbarkeit des Versuchs, besonders schwere Fälle, Bandenbetrug, die Anordnung von Führungsaufsicht sowie entsprechend anwendbare Normen.

Systematik der Tatbestandsmerkmale

Den Tatbestand des Betrugs verwirklicht, wer alle objektiven und subjektiven Tatbestandmerkmale erfüllt.

Objektiver Tatbestand

  • Die Tathandlung ist die Vorspiegelung falscher oder die Unterdrückung wahrer Tatsachen. (Aufgrund der schlechten Abgrenzbarkeit spricht man von der einheitlichen Tatmodalität der Täuschung über Tatsachen.)

Täuschung ist hierbei die intellektuelle Einwirkung auf das Vorstellungsbild eines anderen, durch die eine unrichtige Vorstellung über Tatsachen erzeugt oder aufrechterhalten werden soll. Die Täuschung kann ausdrücklich (schriftlich, mündlich, durch Gesten), schlüssig (das Gesamtverhalten des Täters ist nach der Verkehrsanschauung als Erklärung über eine Tatsache zu verstehen) oder durch Unterlassen (Nichtverhindern / Beseitigen eines Irrtums trotz Aufklärungspflicht) erfolgen.

Tatsachen sind alle konkreten Geschehnisse und Zustände der Vergangenheit oder Gegenwart, die die Außenwelt oder psychische Vorgänge betreffen und dem Beweis zugänglich sind (Lackner in Lackner/Kühl, StGB, § 263 Rdnr. 4). Keine Tatsache ist der Preis einer Ware. Die bloße Behauptung, eine Sache sei einen bestimmten Betrag wert, stellte somit keine Täuschung über Tatsachen dar. Tatsachen sind aber Eigenschaften der Ware, an die der Preis anknüpft.

  • Die Täuschungshandlung muss einen Irrtum (d.h. das Auseinanderfallen von Vorstellung und Realität) bei einem Dritten erregen (Hervorrufen) oder unterhalten (Erschwerung der Aufklärung oder Bestärkung der Fehlvorstellung). Daran fehlt es, wenn der Betreffende sich überhaupt keine Gedanken macht (sog. ignorantia facti) oder bereits vorhandene Fehlvorstellungen lediglich ausgenutzt werden (anders wiederum, wenn beispielsweise aus Geschäftsbeziehungen eine Aufklärungspflicht besteht).
  • Aufgrund des Irrtums muss der Getäuschte eine Vermögensverfügung vornehmen. Vermögensverfügung ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das unmittelbar zu einer Vermögensminderung führt. Der Begriff des Vermögens ist hierbei stark umstritten. Nach dem vermittelnden juristisch-ökonomischen Vermögensbegriff fallen hierunter zumindest die Positionen, die einen eigenen wirtschaftlichen Wert haben und unter dem Schutz der Rechtsordnung stehen.
  • Aus der Vermögensverfügung muss ein Vermögensschaden resultieren. Der Vermögensschaden wird berechnet anhand einer Gesamtsaldierung der Vermögenslagen vor und nach der Vermögensverfügung unter Berücksichtigung einer etwaigen Schadenskompensation. Dabei ist es unerheblich, ob der Getäuschte und der Geschädigte identisch sind (wenn nicht, dann sog. Dreiecksbetrug).

Vermögensschaden ist jedes Minus (negative Wertdifferenz) gegenüber dem vorher bestehenden Vermögen, welches nicht durch ein vermögenswertes Äquivalent ausgeglichen wurde. Eine Gleichwertigkeit ist hierbei nicht erforderlich, da hierdurch ein marktwirtschaftliches Handeln unmöglich wäre. Ein Vermögensschaden ist jedoch zumindest bei einem krassen Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung gegeben, soweit die anderen Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind.

  • Die Vermögensverfügung stellt den ursächlichen Zusammenhang zwischen Irrtum und Vermögensschaden her. Die vom Gesetz erforderte Unmittelbarkeit ist insoweit eine doppelte: Sie muss zwischen der Täuschungshandlung und der Vermögensverfügung vorliegen, genauso wie zwischen der Vermögensverfügung und dem eingetretenen Vermögensschaden (Unmittelbarkeitsprinzip). Unmittelbarkeit versteht sich als "Verkettung" der Merkmale ohne weitere Zwischenakte.

Subjektiver Tatbestand

  • Bereicherungsabsicht. Dies wird bejaht, wenn Absicht bezüglich der Erzielung eines Vermögensvorteils vorliegt; dieser muss stoffgleich zum Vermögensschaden des Opfers sein; will heißen, dass der Täter den Vorteil unmittelbar aus dem Vermögen des Geschädigten anstrebt, der Vorteil bei ihm mithin die Kehrseite des Schadens beim Geschädigten ist. Schließlich muss der angestrebte Vermögensvorteil rechtswidrig sein, er darf also keinem fälligen und einredefreien Anspruch gegen das Opfer entsprechen.

Versuch des Betruges

Die Versuchsstrafbarkeit des Betruges folgt aus § 263 Abs. 2 StGB. Der Versuch des Betruges ist nach der allgemeinen Lehre dann gegeben, wenn bereits zur Vornahme von Täuschungshandlungen unmittelbar angesetzt wurde. Ist der angestrebte Vermögensvorteil jedoch rechtmäßig, liegt weder ein versuchter noch ein vollendeter Betrug vor.

Abgrenzungsprobleme/Besonderheiten

Probleme bereitet die Abgrenzung zwischen Diebstahl (§ 242 StGB) und Betrug, da sich diese gegenseitig in ihrer Strafbarkeit ausschließen. Abgestellt auf die Willensrichtung des Opferhorizontes. Es stellt sich die Frage, ob ein gegen den Willen des Gewahrsamsinhabers gerichtetes "Nehmen der Sache " im Vordergrund steht oder aber "eine durch Täuschung erschlichene Weggabe" durch selbigen. Ist das Opfer mit einem Gewahrsamswechsel aufgrund seines frei gefassten Willensentschlusses einverstanden (gleichwohl täuschungsbedingt), liegt Betrug vor. Lässt er den Gewahrsamswechsel geschehen, ohne sich darüber bewusst zu sein, dass eine Gewahrsamsverschiebung zu seinen Lasten stattfindet, liegt Diebstahl vor.

Dreiecksbetrug

Da Getäuschter und Geschädigter nicht identisch zu sein brauchen, kann Betrug auch vorliegen, wenn der Getäuschte über fremdes Vermögen verfügt. Beim Dreiecksbetrug ist zwischen dem Betrug und dem Diebstahl in mittelbarer Täterschaft zu unterscheiden. Wer einen anderen davon überzeugt, er möge doch einen Ball aus dem Garten des Nachbarn holen, weil es angeblich sein Ball sei, obwohl er tatsächlich im Eigentum des Nachbarn steht, macht sich des Diebstahls schuldig, wenn der Ballholer (der Verfügende) mit dem Nachbarn kein besonderes Näheverhältnis aufweist. Wäre es die Großmutter des Nachbarkindes, die zu Besuch wäre, so würde es sich um einen Betrug handeln. Im Zusammenhang mit der Abgrenzung zwischen Dreiecksbetrug und dem Diebstahl in mittelbarer Täterschaft hilft die sog. Lagertheorie insoweit weiter, als überprüft wird, inwieweit ein Näheverhältnis (Lager) zwischen dem "Getäuschten" und dem Geschädigten besteht. Liegt dieses Näheverhältnis (oft eine Obhutsbeziehung) vor, kommt - wie oben dargestellt - Betrug in Betracht. Fehlt diese Nähe (Zufälligkeit der Mittlung zwischen "Getäuschtem" und Geschädigtem), kommt Diebstahl in mittelbarer Täterschaft in Betracht.

Benzinerschleichungsproblematik

Ferner problematisch ist auch die Abgrenzung des Betruges vom Diebstahl bzw. der Unterschlagung bei den "Tanken ohne zu bezahlen"-Fällen. Dabei wird auf das subjektive Element abgestellt. Wer mit dem Vorsatz, ohnehin nicht bezahlen zu wollen, tankt, der betrügt. Unabhängig von der Frage eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses des Tankstellenpächters (Wegnahmehandlung beim Diebstahl?) und der zivilrechtlichen Fragen um den gesetzlichen Eigentumsübergang kraft Vermischung des Treibstoffs im Tank einerseits sowie vorliegenden Eigentumsvorbehaltes andererseits, wird Betrug angenommen. Entsteht hingegen der Wille erst beim Tankvorgang, so handelt es sich um Diebstahl/Unterschlagung. Für den Täter ist dies einerlei. Die Strafe bzw. das Strafmaß des Betruges ist dasselbe wie das des Diebstahls/der Unterschlagung. Mangels Täuschung (Betrug) und mangels Wegnahme (Diebstahl) wird regelmäßig sogar Unterschlagung bejaht. Unterschiede bestehen jedoch dann, wenn der Täter eine Waffe bei sich trägt. Der Diebstahl kann dadurch weiter qualifiziert werden (z. B. § 244 StGB); bei einem Betrug fehlt diese Strafschärfung.

Trickdiebstahl

Ebenfalls problematisch kann die Abgrenzung zwischen Trickdiebstahl und Sachbetrug sein. Beim Trickdiebstahl liegt regelmäßig deshalb kein Betrug vor, weil auf den Geberhorizont des Opfers abgestellt wird. Die tatsächlich vorliegende Wegnahme wird durch eine Täuschung verschleiert, d. h. die Wegnahme ist für den Betroffenen als solche nicht erkennbar. Beispiel: Der Täter lässt sich von seinem Gegenüber einen Stift geben um ihn sich anzusehen. Danach flieht er mit dem Stift. Eine Vermögensverfügung wird vor dem Horizont zu verneinen sein, da der andere sich lediglich eine Gewahrsamslockerung mit jederzeitiger Rückholmöglichkeit vorgestellt hat. Stattdessen liegt ein vollendeter Trickdiebstahl vor.

Beschlagnahmefall

Der Täter täuscht in diesem Fall Amtsträgereigenschaft vor (Polizist, Gerichtsvollzieher, und dgl.) und übt eine (vorgetäuschte) Beschlagnahme aus. Der Eigentümer oder rechtmäßige Besitzer (strafrechtlich: Gewahrsamsinhaber) duldet dies, da er in die Amtseigenschaft vertraut. Regelmäßig liegt eine Wegnahmehandlung im Sinne des § 242 StGB (Diebstahl) vor, da das Opfer sich unter dem Eindruck einer Zwangslage lediglich beugt. Gibt das Opfer ausnahmsweise die "beschlagnahmte" Sache freiwillig heraus, liegt eine Vermögensverfügung vor und damit Betrug.

Besondere Betrugsarten im juristischen Sinne

Die Kriminologie beschreibt mehrere Abarten des Betrugs und hat kriminologische Begriffe gebildet, d.h. einige Betrugsformen sind nicht eigens normiert (lex specialis), sondern fallen unter § 263 StGB (lex generalis). Eine Auswahl geläufiger kriminologischer Bezeichnungen findet sich in der Liste besonderer Betrugsarten.

Geringwertigkeit

Bezieht sich der Betrug lediglich auf einen geringwertigen Vermögensschaden (die Grenze wird – wie beim Diebstahl – in der Regel bei 50 angesetzt), so ist nach § 263 Abs. 4 StGB zur Verfolgung der Tat unter Umständen ein Strafantrag erforderlich.

Rechtliche Situation in Österreich

Die betrügerischen Strafdelikte zählen zur Gruppe der Vermögensdelikte und sind im österreichischen Strafgesetzbuch in den Paragraphen 146 fortfolgend geregelt.

Betrug

Das Grunddelikt des Betruges findet sich im § 146 StGB und lautet

Wer mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, jemanden durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung verleitet, die diesen oder einen anderen am Vermögen schädigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.

Das Delikt normiert als Tathandlung die Täuschung über Tatsachen und als Taterfolg die Schädigung des Opfers oder eines Dritten am Vermögen. Der Betrug ist ein Vorsatzdelikt und erfordert für die Strafbarkeit einen doppelten Vorsatz. Einerseits den wissentlichen Tatvorsatz, den anderen zu täuschen und so das Opfer zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu verleiten. Diese Vorsatzform muss wissentlich geschehen. Andererseits muss der Täter mit einem Bereicherungsvorsatz handeln, den anderen am Vermögen zu schädigen. Hier genügt der dolus alternativus. Eine Bereicherungsabsicht - wie im deutschen Recht - ist nicht erforderlich.

Schwerer Betrug

In § 147 StGB ist die straferhöhende Qualifikation des Betruges geregelt. Die Strafdrohung erhöht sich auf ein bis zu drei Jahre Freiheitsstrafe, wenn bei der Vollendung des Betruges

  • falsche oder verfälschte Urkunde, ein falsches, verfälschtes oder entfremdetes unbares Zahlungsmittel, falsche oder verfälschte Daten, ein anderes solches Beweismittel oder ein unrichtiges Messgerät verwendet werden;
  • ein zur Bezeichnung der Grenze oder des Wasserstands bestimmtes Zeichen unrichtig gesetzt, verrückt, beseitigt oder unkenntlich macht wird oder;
  • man sich fälschlich für einen Beamten ausgibt.

Die gleiche Straferhöhung tritt ebenfalls ein, wenn der Betrug einen 3 000 Euro übersteigenden Schaden zur Folge hat. Übersteigt der Schaden 50 000 Euro, erhöht sich die Strafdrohung auf ein bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe.

Gewerbsmäßiger Betrug

Wird der Betrug gewerbsmäßig begangen, so erhöht sich nach § 148 StGB der Strafrahmen auf mindestens sechs Monate bis maximal fünf Jahre Freiheitsstrafe. Gewerbsmäßig handelt man nach dem österreichischen Strafgesetzbuch, wenn man den Betrug in der Absicht begeht, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Wird ein schwerer Betrug in dieser gewerbsmäßigen Absicht begangen, erhöht sich die Strafandrohung auf von ein bis zu zehn Jahre Freiheitsstrafe.

Erschleichung einer Leistung

Notbetrug

Der Notbetrug ist in § 150 StGB geregelt und stellt ein Privileg zum Betrug nach § 146 dar. Wer einen Betrug nach § 146 StGB begeht, ist mit einer geringeren Strafdrohung von nur bis zu einem Monat Freiheitsstrafe oder 60 Tagessätzen Geldstrafe zu bestrafen.

Voraussetzung für diese Privilegierung ist, dass der Betrug aus Not begangen wurde, nur einen geringen Schaden verursacht hat und keinen schweren oder gewerbsmäßigen Betrug (§§ 147 oder 148 StGB) darstellt. Außerdem handelt es sich beim Notbetrug um ein Ermächtigungsdelikt, sodass der Täter nur nach Ermächtigung des Opfers verfolgt werden darf.

Wird die Tat gegenüber dem Ehegatten, Verwandten in gerader Linie, dem Bruder oder der Schwester oder anderen Angehörigen, mit denen er in Hausgemeinschaft wohnt, verübt, so ist der Täter überhaupt nicht zu bestrafen.

Rechtliche Situation in der Schweiz

Gesetzestext

Art. 146 StGB (SR 311.0)

Betrug

1 Wer in der Absicht, sich oder einen andern unrechtmässig zu bereichern, jemanden durch Vorspiegelung oder Unterdrückung von Tatsachen arglistig irreführt oder ihn in einem Irrtum arglistig bestärkt und so den Irrenden zu einem Verhalten bestimmt, wodurch dieser sich selbst oder einen andern am Vermögen schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft.

2 Handelt der Täter gewerbsmässig, so wird er mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe nicht unter 90 Tagessätzen bestraft.

3 Der Betrug zum Nachteil eines Angehörigen oder Familiengenossen wird nur auf Antrag verfolgt.


Kommentar

Wie in Deutschland werden die Tatbestandsmerkmale der Täuschung über Tatsachen und die Bereicherungsabsicht vorausgesetzt. Zusätzlich wird aber im Schweizer Strafrecht noch Arglist verlangt. Zu den Tatbestandmerkmalen im Einzelnen:


Täuschung

Betrug setzt voraus, dass ein Mensch getäuscht wird. Wer also z.B. unbefugt Geld aus einem Automaten bezieht, begeht keinen Betrug. Um diese Lücke zu schliessen wurde der Tatbestand des Missbrauchs einer Datenverarbeitungsanlage (Art. 147) eingeführt.

Tatbestandsmässig ist nur die Täuschung, also die Einwirkung auf die Vorstellung des Opfers. Eine Veränderung von Tatsachen, so dass sie nicht mehr der (bereits gemachten) Vorstellung des Opfers entsprechen, ist keine Täuschung.

Freiwilliges Handeln des Opfers

Betrug setzt voraus, dass die Schädigung vom Opfer selbst verursacht wird und dass das Opfer aus freiem Willen und nur auf Grund der Täuschung handelt. Ob das Täuschungsopfer durch sein Verhalten sich selbst oder einen Dritten schädigt, ist unerheblich.

Das Opfer muss nicht unbedingt aktiv eine Vermögensverfügung vornehmen, betrogen ist z.B. auch, wer es auf Grund einer Täschung unterlässt, eine berechtigte Forderung geltend zu machen (zu einem Verhalten bestimmt).

Tatsachenirrtum

Das Opfer muss einem Tatsachenirrtum unterliegen. Dabei ist unerheblich, ob der Irrtum durch die Täuschung hervorgerufen wird oder das Opfer nur in einem bereits bestehenden Irrtum bestärkt wird, falls diese Bestärkung der Grund für das selbstschädigende Handeln des Opfers ist.

Tatsachen können auch sogenannte innere Tatsachen sein, insbesondere also Gedanken des Täters. Eine klassische innere Tatsache ist z.B. ein fehlender Zahlungswille. Dabei ist es aber nötig, dass der Zahlungswille bereits fehlte, als das Opfer, unter Vortäuschung ebendieses Zahlungswillens, zur Vermögungsverfügung veranlasst wurde. Entschliesst sich der Täter erst später, entgegen seiner ursprünglichen Absicht seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachzukommen, so scheidet Betrug aus. Das kann in der Praxis zu Beweisschwierigkeiten führen. Eine zum Tatzeitpunkt fehlende Zahlungsunfähigkeit wird in der Regel als Indiz für den fehlenden Zahlungswillen angesehen.

Schädigung

Das Opfer oder ein Dritter muss am Vermögen geschädigt werden. Auch ein Verzicht auf berechtigte Forderungen ist eine Vermögensschädigung.

Bereicherungsabsicht

Es muss eine Bereicherungsabsicht bestehen. Blosse Vermögensschädigung ohne Bereicherungsabsicht ist kein Betrug, sondern eine arglistige Vermögensschädigung (Art. 151). Die Bereicherungsabsicht zu Gunsten eines Dritten, an der Tat unbeteiligten, erfüllt den Tatbestand ebenfalls.

Arglist [1]

Alle bisher genannten Tatmerkmale werden auch im deutschen Recht genannt. Zusätzlich wird vom Schweizer Strafrecht aber noch gefordert, dass die Täuschung arglistig sein müsse. In der Praxis erweist sich diese zusäzliche Forderung sehr oft als die zentrale Knacknuss.

Die Idee hinter dieser zusätzlichen Forderung ist, dass strafrechtlich nicht geschützt werden soll, "wer sich mit einem Mindestmass an Aufmerksamkeit selbst hätte schützen" bzw. "den Irrtum durch ein Minimum an zumutbarer Vorsicht hätte vermeiden können" (BGE 72 IV 128 bzw. 99 IV 78). Dies entspricht dem Grundsatz der Subsidiarität des Strafrechts: Bei einer blossen Verletzung vertraglicher Pflichten ist das Zivilrecht zuständig.

Das Schweizer Recht vertritt hier eine Mittelposition zwischen dem französischen und dem deutschen Recht. Das französische Recht fasst den Betrugsbegriff sehr eng, vorausgesetzt werden besondere Kniffe («manœvres frauduleuses», «mise en scène»). Das deutsche Recht vertritt die gegensätzliche Extremposition, hier genügt jede Lüge, auf die die Gegenpartei hereinfällt. Der Grund für die Schweizer Kompromisslösung ist historisch: Vor der Einführung des gesamtschweizerischen Strafgesetzbuches war das Strafrecht kantonal, wobei sich die Deutschschweizer Kantone am deutschen, die französischsprechenden Kantone am französischen Recht orientierten. (BGE 72 IV 12f).

Die Abgrenzung der stafbaren arglistigen Täuschung von der straflosen einfachen Lüge (die auch schriftlich sein kann) ist schwierig.

Als arglistig im strafrechtlichen Sinn gelten zunächst falsche Angaben, die sich nicht oder nur mit besonderer Mühe überprüfen lassen. Falls die Überprüfung sowohl möglich als auch zumutbar ist, scheidet Arglist aus. Dabei kommt es durchaus auch auf die Person des Opfers an: So sollte man z.B. von einem Investmentbanker erwarten können, dass er ein dubioses Finanzkonstrukt eher durchschaut als ein Laie. Das kann im Ergebnis dazu führen, dass für die gleiche Handlungsweise bei einem Opfer Arglist bejaht wird, bei einem anderen aber nicht. Der Sinn davon ist, dass der leichtfertige und faule nicht geschützt werden soll, wohl aber der dumme und schwache (Basler Kommentar, Arzt).

Nützt der Täter eine besondere Vertrauensstellung aus, so wird die Zumutbarkeit einer Überprüfung in der Regel verneint und folglich Arglist angenommen.

Unabhängig von der Überprüfbarkeit wird Arglist ferner immer angenommen, wenn der Täter ein ganzes Lügengebäude errichtet, bei dem eine Vielzahl von Lügen so raffiniert aufeinander abgestimmt sind, dass sich auch ein kritisches Opfer täuschen lässt.

Die Praxis hat den Begriff der Arglist schon immer sehr weit ausgelegt, und die Entwicklung geht dahin, den Begriff immer noch weiter auszudehnen. Heute gibt es kaum noch Fälle, in denen ein Gericht Arglist verneint. Recht unverblümt spielen dabei auch kriminalpolitische Überlegungen eine Rolle („es kann doch nicht sein, dass ein solches Verhalten straflos ist“), während der vom Gesetzgeber eigentlich gemeinte opferorientierte Schutzgedanke immer mehr in den Hintergrund tritt. Kritiker monieren, dass die heutige Praxis den Gesetzestext strapaziert.

Arglist beim Versuch

Versuchte Arglist gibt es nicht. Wird das Täuschungsmanöver rechtzeitig durchschaut, so muss zuerst geprüft werden, ob es als arglistig eingestuft worden wäre, falls der Betrug geglückt wäre. Nur wenn diese Frage bejaht wird, liegt ein versuchter Betrug vor. Die gegenteilige Auffassung hätte die absurde Folge, dass ein Täuschungsmanöver im Erfolgsfall wegen fehlender Arglist straflos bleibt, das gleiche Manöver aber bei einem Misserfolg wegen versuchter Arglist bestraft würde.

Betrug ohne Vermögensschädigung

besondere Betrugsfälle

Als größter Betrugsfall der Wirtschaftsgeschichte gelten die Betrügereien der Bank BCCI, London, Luxemburg und Cayman-Inseln, die 1991 zu einem Schaden von über 10 Milliarden Dollar führten.

2007 schädigte ein Mitarbeiter der französischen Bank Société Générale diese um 4,9 Milliarden Euro. Dieser Fall wäre, sollte es sich herausstellen, dass es sich dabei um Betrug handelte und der Mitarbeiter alleine gehandelt hatte, vor der Schädigung der Barings Bank durch Nick Leeson um 1,2 Milliarden Euro, die diese 1995 in den Ruin trieb, der bisher größte Fall durch einen Einzeltäter. [2]

Sprichwort

Aus dem Narrenschiff stammt das zur Redensart gewordene lateinische Zitat mundus vult decipi („die Welt will betrogen sein“) mit der Bedeutung, dass sich Leute sehr gern betrügen lassen, wenn man ihrer Selbstliebe schmeichelt (vgl. Heiratsschwindel) oder ihre Vorurteile bedient (vgl. Sündenbock). In der Bildungssprache ist sie heute noch geläufig[3].

Siehe auch

Weblinks

Quellen

  • Karl Lackner, Kristian Kühl, Eduard Dreher, Hermann Maassen: Strafgesetzbuch (StGB). Kommentar mit Erläuterungen. Beck Juristischer Verlag; Auflage: 25. A. (Oktober 2004). ISBN 3406522955

Anmerkungen

  1. Die Dissertation „Das Tatbestandselement der Arglist beim Betrug“ von Willi Wismer (Diss. Zürich 1988, Shaker-Verlag 1996) ist zur Zeit die umfassendste Abhandlung über das Tatbestandsmerkmal der Arglist.
  2. ap/afp: Aktienhändler verzockt 4,9 Milliarden Euro, in Die Rheinpfalz vom 25. Januar 2008, Blatt 2 Wirtschaft
  3. vgl. ergänzend: Georg Paul Hoenn: Betrugs-Lexicon ...", 2. Aufl. Coburg 1761, Neudruck München 1977
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