Werner-Siemens-Realgymnasium

Werner-Siemens-Realgymnasium
Werner-Siemens-Realgymnasium
Werner-Siemens-Realgymnasium
Gebäudefront Hohenstaufen- Ecke Münchener Straße
Schulform Realgymnasium
Gründung 1903
Ort Berlin (W 30)
Land Berlin
Staat Deutschland
Koordinaten 52° 29′ 38,9″ N, 13° 20′ 33,1″ O52.49413888888913.342519444444Koordinaten: 52° 29′ 38,9″ N, 13° 20′ 33,1″ O
Schüler 382 (Stand: 1931)
Leitung Wilhelm Wetekamp, 1906-1919
Website Offizielle Schulgeschichte

Das Werner-Siemens-Realgymnasium (kurz: WSRG) war ein staatliches Realgymnasium im Berliner Ortsteil Schöneberg. Es wurde von linksliberalen Reformpädagogen gegründet und geleitet. Über die Hälfte der Schüler entstammte der jüdischen Intelligenz des umliegenden Bayerischen Viertels. Die Schule wurde 1935 aufgelöst.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das Gymnasium wurde im März 1903 unter dem Schulreformer Wilhelm Wetekamp in der Hohenstaufenstraße 47/48 gegründet. Ab 1906 war er ihr Direktor. Er strebte aufgeklärtes Denken und eine Abkehr von Drill und Untertanengeist an, führte die Schule nach dem reformpädagogischen Frankfurter Lehrplan des Schulreformers Karl Reinhardt. Dazu gehörten ein Schwerpunkt auf Hand- und Werkunterricht sowie eine lebendige, praxisnahe Unterrichtsgestaltung. 1909 führte er als erster in Preußen eine Schülervertretung an der Schule ein, förderte die Gründung von Schülervereinen. Neben den Eltern sollten die Schüler so an der Gestaltung des Schullebens beteiligt werden. Auch Schulfeste, Schulfahrten und Schülertheaterinszenierungen waren fester Bestandteil des pädagogischen Programms.

Der Schulname erinnerte an den Erfinder, Industriellen und Mitbegründer der Deutschen Fortschrittspartei, Werner von Siemens. Zum Lehrerkollegium gehörten prominente Vertreter der Reformpädagogik, unter ihnen 1911 bis 1923 Franz Hilker, der Begründer der Vergleichenden Erziehungswissenschaft und spätere Herausgeber der Zeitschrift Bildung und Erziehung. Der Bund entschiedener Schulreformer wurde im September 1919 im Lehrerzimmer gegründet.

Soziales und politisches Engagement galten an der Schule als selbstverständlich: Die Schüler stifteten ihr zweites Pausenbrot regelmäßig einer Friedrichshainer Volksschule, die damit täglich rund 150 belegte Brote erhielt. 1928 löste die Schülervertretung eine Debatte im Preußischen Abgeordnetenhaus aus, als sie sich für freie Liebe und homosexuelle Bekenntnisfreiheit für Schüler ab dem 16. Lebensjahr einsetzte und auf Straßen und Plätzen Unterschriften dafür sammelte.

Die liberale Reformschule war, wie das umliegende Bayerische Viertel, ein Magnet für jüdische Familien. 1931 waren von 382 Schülern 212 jüdischen Glaubens. Sie kamen nicht nur aus dem unmittelbaren Umfeld der Schule, sondern auch aus entfernteren Stadtgebieten wie beispielsweise aus dem Ortsteil Grunewald.

Die Machtergreifung der Nationalsozialisten bildete für das WSRG einen scharfen Einschnitt. Jüdische und NS-kritische Lehrer wurden aus dem Schuldienst entlassen, der Schuldirektor zwangsweise pensioniert. Er hatte nach dem Reichstagsbrand in einer Rede vor Schülern durchblicken lassen, dass die Nationalsozialisten das Parlament angezündet hätten. Jüdische Schüler emigrierten mit ihren Familien aus Deutschland. Andere jüdische Familien konnten ihren Kindern den Schulbesuch nicht mehr finanzieren, weil ihnen eine Schulgeldbefreiung oder -ermäßigung verwehrt war. 1934 war die Anzahl jüdischer Schüler auf 72 gesunken und die Oberstufe musste wegen Schülermangels geschlossen werden. Im Mai 1935 wurde das Werner-Siemens-Realgymnasium von den Nationalsozialisten aufgelöst. Das Schulgebäude wurde anschließend von einer Berufsschule für Mädchen genutzt. 1970 zog die 4. Oberschule Technischen Zweigs, die spätere Georg-von-Giesche-Realschule dort ein.

1994 wurde über einem Seiteneingang des Gebäudes an der Hohenstaufenstraße eine Gedenktafel zur Erinnerung an das Werner-Siemens-Realgymnasium angebracht. Auf Anregung des Vereins ehemaliger Schüler und Lehrer des Werner-Siemens-Realgymnasiums nahm die seinerzeit nach der deutschen Schriftstellerin benannte „Malwida-von-Meysenbug-Schule“ in Nikolassee 1967 den Namen „Werner-von-Siemens-Oberschule“ an und verpflichtete sich, die Tradition des WSRG fortzuführen.

Ehemalige Schüler

Gedenktafel für das WSRG

Literatur

  • Wilhelm Richter: Berliner Schulgeschichte: Von den mittelalterlichen Anfängen bis zum Ende der Weimarer Republik. Colloqium Verlag, Berlin 1981, ISBN 3-7678-0538-3
  • Reinhold Kockjoy: Die Schulen und ihre Lehrer in … Schöneberg und Friedenau. o.O. 1958
  • Wilhelm Wetekamp: Selbstbetätigung und Schaffensfreude in Erziehung und Unterricht: Mit besonderer Berücksichtigung des ersten Schuljahres. Teubner, Leipzig 1908
  • Wolfgang Yourgrau: Ich lächelte, wenn diese Teutomanen mit dem Worte 'Deutsch' Schindluder trieben, In: Sylke Bartmann, Ursula Blömer, Detelef Garz (Hrsg.): Wir waren die Staatsjugend aber der Staat war schwach. Universität Oldenburg 2003, ISBN 3-8142-0865-X, S. 71-85, (Online, PDF, 2,4 MB)
  • Marcel Reich-Ranicki: Mein Leben. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1999, ISBN 3-421-05149-6

Film

  • Ausgrenzung von Juden und Nicht-Juden am Werner-Siemens-Realgymnasium, 1994, Schöneberger Museum

Weblinks


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