Wilhelmsteine

Wilhelmsteine

Die Wilhelmsteine sind eine Felsengruppe aus Eisenkiesel (Härtlinge) im Schelderwald im Bundesland Hessen. Sie stehen 500 m südöstlich des Fernsehturms Angelburg und etwa 100 m südöstlich der geschichtlich bedeutsamen Herborner-Hohen-Straße auf einer 585 m hohen ebenen Fläche in einem lichten Buchenwald. Die Felsengruppe besteht aus mehreren Einzelfelsen, deren höchstes Exemplar etwa 15 m hoch aufragt. Eine solche Gesteinsformation wird auch als „Felsenburg“ bezeichnet. Die Wilhelmsteine liegen im Gemeindegebiet von Siegbach, direkt an der Grenze zu Eschenburg.

Vom Orkan Kyrill abgebrochene Fichte auf dem großen Stein, links der etwa 15 m hohe „Lange Stein“
Die beiden größten Felsen aus Süd-West gesehen

Inhaltsverzeichnis

Entstehung

Entstanden sind die Wilhelmsteine durch untermeerischen Vulkanismus in der erdgeschichtlichen Epoche des Oberdevon (Erdaltertum) vor etwa 360 Mio. Jahren auf dem Grund eines damals fast ganz Deutschland bedeckenden Ozeans, dessen Boden weitgehend aus Basalt bestand. Vulkanische Gase und heißes Wasser lösten Metalle aus dem Basalt und lagerten sich als Erze in dem zerklüfteten Gestein ab. Dabei kam es örtlich zu Verkieselungen. Die Erzlager und Gesteinsformationen wurden danach durch mehrere tausend Meter mächtige Ablagerungen (Sedimente) bedeckt. Beginnend im oberen Oligozän (vor ca. 30 Mio. Jahren) des zur Erdneuzeit zählenden Tertiärs hoben sich größere Schollenpakete heraus und mit ihnen die jüngeren Sedimente aus dem trocken fallenden Meer. Die Sedimente wurden abgetragen und dabei die im Oberdevon gebildeten Formationen freigelegt. Im Bereich der Dill-Mulde kam es zu derart weitgehenden Schollenhebungen, dass die Erzlagerstätten (Eisen, Kupfer und andere Erze) in relativ oberflächennahe Lage kamen. Diese Erze wurden beginnend in keltischer Zeit bis 1973 abgebaut.

Die Wilhelmsteine blieben stehen, ihre Verkieselung hat sie vor der Abtragung bewahrt. Benannt sind sie nach Herzog Wilhelm von Nassau, der kurz nacheinander sowohl im Fürstentum Nassau-Weilburg als auch im Herzogtum Nassau-Usingen an die Herrschaft kam. Dadurch erhielt das Herzogtum Nassau die Form, in der es bis 1866 existierte. 1830 besuchte der Herzog auch die bis dahin „Buschsteine“ genannte Felsengruppe im Schelderwald. Das hohe Ansehen, das er in der Bevölkerung genoss, führte dazu, dass die Felsgruppe bald nach seinem frühen Tod 1839 seinen Namen erhielt.

Geschichtliche Bedeutung

Je nach Blickwinkel kann man an einigen Felsen groß-skulpturierte Gesichter im Profil und andere Figuren erkennen, besonders am höchsten Felsen, die möglicherweise unter Nutzung naturgegebener Gesteinsformen von Menschenhand nachgearbeitet wurden. Das hat sicherlich mit zur Verehrung der Steine in der Vor- und Frühgeschichte beigetragen.

Wilhelmsteine, Detail des groß-skulptierten Gesichtes am langen Stein
Gesicht mit Kopfbedeckung am langen Stein
Gesicht mit Kinnbart oben am langen Stein

Fachleute sehen die Felsenburg der Wilhelmsteine als eine ehemalige überregional bedeutsame Kultstätte (Naturheiligtum) an, die seit dem Neolithikum über die Bronze- und Eisenzeit (Kelten und Germanen) bis zur Missionierung der einheimischen Bevölkerung genutzt wurde. In der Nähe der Erhebung Angelburg wurden mehrere vorgeschichtliche Siedlungen nachgewiesen.

Wilhelmsteine, groß-skulpturiertes Gesicht am langen Stein

Bedeutendes Fundstück ist der Hirzenhainer „Keltenstein“, eine figürlich geritzte Darstellung eines Menschengesichts auf einer Steinstele, die im Hessischen Landesmuseum Darmstadt im Rahmen der Keltenausstellung gezeigt wird.

Die Wilhelmsteine dürften bereits steinzeitlichen Jägern und Sammlern als zentraler Treffpunkt sowie als Kult- und Wohnplatz gedient haben. Im Bereich der einzelnen Felsformationen gibt es verschiedene Stellen – zum Beispiel Felsüberhänge in südlicher und südöstlicher Lage – die sich mit relativ einfachen Mitteln (Äste und Zweige) sichern und zu einem Lager-und Schlafplatz ausbauen ließen.

Wilhelmsteine: drei Bäume, die auf einem Felsen wachsen

Auch ist vorstellbar, dass in einem bestimmten Zeitraum der gesamte Bereich der „Felsenburg“ befestigt war Die Zwischenräume zwischen den einzelnen äußern Felsen ließen sich mit etwas Aufwand mittels herumliegender Felsbrocken, Baumstämme und Astwerk verschließen (am Südrand deutet einiges daraufhin) und damit ein gut geschützter großer Wohnplatz einrichten. Die in die Befestigung einbezogenen Felsen konnte man dabei als hervorragende Beobachtungs- und Verteidigungstürme nutzen.

Bedeutende frühgeschichtliche und mittelalterliche Fernwege/Handelswege (Altstraßen), wie die alte Köln-Leipziger-Messe-Straße, auch Brabanter Straße genannt (im weiteren Verlauf im Westen hieß sie auch Eisenstraße), die Herborner-Hohe-Straße (genutzt bis 1875) und der Westfalenweg, (aus Richtung Gießen kommend direkt am keltischen Oppidum Dünsberg vorbei auf der Aar-Salzböde-Wasserscheide verlaufend) führten auf den Höhenzügen des Schelderwaldes an den Wilhelmsteinen vorbei und kreuzten in unmittelbarer Nähe bei der Angelburg.

Wanderziel

Als die Eisenbahn-Nebenlinie Dillenburg–Wallau 1911 durchgängig fertiggestellt war, setzte vom nahen Bahnhof Hirzenhain in den Sommermonaten ein lebhafter Ausflugstourismus zu den Wilhelmsteinen ein. Wann das erste kleine Jagdhaus mit Pferdestall bei den Wilhelmsteinen errichtet wurde, ist nicht bekannt. Nachdem dieses Jagdhaus verfallen war, baute die Forstverwaltung ein neues, kleineres Jagdhaus an gleicher Stelle, das jedoch durch wiederholte Beschädigung und Brände baufällig wurde. Mitte des 20. Jahrhunderts riss man es ab und errichtet dort eine Blockhütte, die 1970 wieder abgebaut wurde. Heute stehen den Besuchern mehrere fest installierte Grillplätze zur Verfügung. 2003 wurde das Klettern auf den Wilhelmsteinen verboten. Das Verbot wurde aus Sorge um Schäden an dem Naturdenkmal ausgesprochen, die hineingetriebene Sicherungshaken verursachen könnten.

Jeweils am 1. Mai sind die Wilhelmsteine ein beliebtes Ziel für den traditionellen Maiausflug. Hier treffen sich die Wanderer aus den umliegenden Ortschaften, um zu grillen. Seit Generationen findet außerdem bei den Wilhelmsteinen an Christi Himmelfahrt ein Waldgottesdienst statt, der von Bewohnern aus den umliegenden Gemeinden Eschenburg, Angelburg, Steffenberg, Bad Endbach und Siegbach besucht wird.

Literatur

  • Giesela Graichen: Das Kultplatzbuch, Ein Führer zu den alten Opferplätzen, Heiligtümern und Kultstätten in Deutschland, Hoffmann u. Campe Verlag Hamburg, 1988, ISBN 3-455-08282-3
  • Elisabeth Neumann-Gundrum: Kultur der Groß-Skulpturen, Urbilder/Urwissen einer europäischen Geistesstruktur, Wilhelm Schmitz Verlag Gießen, 1981, ISBN 3-87711-039-8
50.7848944444448.4337166666667

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