William Joyce

William Joyce

William Joyce alias Lord Haw-Haw (* 24. April 1906 in New York, NY; † 3. Januar 1946, in Wandsworth (hingerichtet)) war ein britischer faschistischer Politiker und während des Zweiten Weltkrieges ein Propaganda-Rundfunksprecher der Nationalsozialisten.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Jugend

Er wurde als Kind eines irisch-katholischen Vaters und einer englisch-protestantischen Mutter geboren. Ein paar Jahre nach seiner Geburt kehrte seine Familie nach Galway, Irland zurück, wo er von 1915 bis 1921 das St.-Ignatius-College besuchte. Für irische Katholiken ungewöhnlich, waren William Joyce und sein Vater überzeugte Unionisten. William Joyce behauptete später, die Black-and-Tans unterstützt zu haben und deswegen von der IRA bedroht worden zu sein. Aus Angst vor Rache zog die Familie Joyce nach der Errichtung des Irischen Freistaates nach London. Hier bewarb sich William Joyce am Birkbeck College der Universität von London und später für den Eintritt ins Officer Training Corps. Auf dem College entwickelte Joyce sein Interesse für den Faschismus und trat den British Fascisti von Rotha Lintorn-Orman bei.

1924, als er bei einem Treffen der Konservativen Partei bediente, wurde er angegriffen und erlitt einen tiefen Schnitt mit einer Rasierklinge über seine rechte Wange. Er hinterließ eine bleibende Narbe vom Ohrläppchen bis zum Mundwinkel. Joyce war überzeugt, dass sein Angreifer ein „jüdischer Kommunist“ gewesen sei. Dieser Zwischenfall prägte seine Weltanschauung nachdrücklich.

British Union of Fascists

Im Jahr 1932 schloss er sich Oswald Mosleys British Union of Fascists an und stieg rasch zu einem ihrer Wortführer auf, der für seine Redekunst gepriesen wurde. Der Journalist und Romanautor Cecil Roberts beschreibt eine Rede von William Joyce folgendermaßen:

„Dünn, bleich und heftig, er hatte noch nicht viele Minuten gesprochen, als wir schon elektrisiert waren von diesem Mann, … so mitreißend in seiner Dynamik, so offensiv, von so ätzender Schärfe.“

1934 stieg Joyce zum Propagandabeauftragten der BUF auf und wurde später zu Mosleys Stellvertreter ernannt. Neben seiner Reputation als Redner erwarb sich Joyce auch den Ruf eines Krawallmachers. Seine aggressive Rhetorik und seine Bereitschaft, physisch und frontal gegen antifaschistische Agitatoren vorzugehen, spielten keine geringe Rolle dabei, die Begeisterung der etablierten Schicht in Großbritannien für den Faschismus zu zerstören.

Bei einer BUF-Versammlung im Londoner Ausstellungszentrum Olympia mit 30000 Teilnehmern kam es zu blutigen Ausschreitungen zwischen 500 in den Saal gelangten Antifaschisten und 1000 Schwarz-Hemd-Ordnern. In der Folge des öffentlichen Aufschreis über diese Ausschreitungen setzte sich Joyce an die Spitze des Wandels der BUF-Politik von wirtschaftlicher Wiederbelebung zum Antisemitismus.

Er trug dazu bei, 1936 den vollen Namen der BUF in British Union of Fascists and National Socialists zu ändern. 1937 war er Kandidat der Partei für die Wahlen zum London County Council. Da jedoch Mosley kurz nach den Wahlen die Parteispitze der BUF reduziert hatte, wobei Joyce fallengelassen worden war, formierte Joyce eine Splitterorganisation, die National Socialist League.

Anders als Joyce war Mosley nie ein ausgewiesener Antisemit, sondern bevorzugte es lediglich, anti-jüdische Gefühle als zweckdienliches politisches Werkzeug zu nutzen. Nach 1937 wandte sich seine Partei vom Antisemitismus ab, hin zum Anti-Kriegs-Aktivismus. Obwohl Joyce seit 1933 stellvertretender Parteichef der BUF und ein einflussreicher Redner gewesen war, verleugnete ihn Mosley in seiner Autobiographie und prangerte ihn aufgrund seiner Aktivität während des Krieges als Verräter an.

Joyce alias Lord Haw Haw

Als sich im Sommer 1939 die Lage auf dem europäischen Kontinent weiter zuspitzte, flüchtete Joyce mit seiner Frau Margaret nach Deutschland. Er hatte (möglicherweise von Maxwell Knight vom MI5) einen Tipp erhalten, dass die britischen Behörden ihn nach der Defence Regulation 18B internieren wollten. In Deutschland fand er bald Anstellung in Joseph GoebbelsPropagandaministerium und wurde Sprecher des Programms Germany Calling. Er sendete den gesamten Krieg hindurch von Hamburg aus, bis die Stadt von britischen Truppen besetzt wurde. 1940 wurde Joyce durch Naturalisation Deutscher.

Der Name 'Lord Haw-Haw von Zeesen' wurde 1939 von dem pseudonymen Daily Express-Radio-Kritiker Jonah Barrington geprägt, bezog sich anfangs aber auf Wolf Mittler oder möglicherweise Norman Baillie-Stewart. Als Joyce der bekannteste Propaganda-Rundfunksprecher geworden war, ging der Spitzname auf ihn über.

Seine Sendungen wurden in der britischen Öffentlichkeit sehr populär: Zeitweise mehr als sechs Millionen Engländer - obwohl seine Propaganda viele abstieß - hörten sie, auch weil hier die Namen von britischen Kriegsgefangenen in Deutschland und deren Briefe verlesen sowie Kurzinterviews eingespielt wurden, kurz: alles, was die Familien der Soldaten zu Hause brennend interessierte.[1] Sie begannen immer mit den Worten „Germany calling, Germany calling“, aber aufgrund von Joyces nasaler Aussprache klang es stets wie „Jairmany calling, Jairmany calling“. Die Sendung drängte das britische Volk zur Aufgabe und war bekannt für ihren höhnischen, sarkastischen und bedrohlichen Tonfall. Weit entfernt von einem Zusammenbruch der britischen Moral führten sie nur zur Vergrößerung des Ärgers oder Spotts über Joyce. Aber zahlreiche Briten, vor allem in den unteren Schichten, hörten auch gern den professionell gemachten Spott über ihre Obrigkeit.[1]

Joyces letzte Sendung wurde am 30. April 1945 ausgestrahlt. Hörbar betrunken beschimpfte er Großbritannien für seine Rolle bei der bevorstehenden Niederlage Deutschlands und warnte, dass der Krieg Britannien nun arm und unfruchtbar zurücklassen würde. Er schloss mit einem letzten trotzigen „Heil Hitler“.

Neben seinen Rundfunksendungen gehörte auch die Verbreitung von Propaganda unter den britischen Kriegsgefangenen, die er für das British Free Corps, einem Zweig der Waffen-SS, zu rekrutieren versuchte, zu Joyces Pflichten. Er schrieb außerdem ein Buch, Twilight over England, das vom deutschen Propagandaministerium gefördert wurde: Ein Werk, in dem er einen unvorteilhaften Vergleich zwischen den Übeln des angeblich jüdisch-dominierten kapitalistischen Britannien mit den Wundern des nationalsozialistischen Deutschlands zog. Adolf Hitler zeichnete Joyce für seine Sendung mit dem Kriegsverdienstkreuz Erster und Zweiter Klasse aus.

Das RSHA setzte Joyce im Winter 1941/42 zu Vorlesungen an der Universität Berlin nur für SS-Angehörige ein.[2]

Gefangennahme durch die Briten und Verurteilung

William Joyce liegt unter Bewachung in einem Krankenhaus, nachdem er von britischen Truppen am Oberschenkel angeschossen wurde.

Bei Kriegsende begann die fieberhafte Fahndung nach dem Mann, der für die englische Öffentlichkeit zu der Hassfigur geworden war. Joyce wurde von britischen Einheiten an der deutsch-dänischen Grenze in der Nähe von Flensburg gefasst. Während seiner Verhaftung wurde ihm versehentlich ins Bein geschossen, als man glaubte, er würde eine Waffe ziehen. Man hielt ihn zunächst für einen deutschen Zivilisten, aber seine Stimme verriet ihn, er wurde erkannt und nach Großbritannien gebracht, wo ihm der Prozess gemacht wurde.

Joyce wurde in drei Punkten des Hochverrats angeklagt:

  • Er förderte und unterstützte am 18. September 1939 und zahlreichen anderen Tagen zwischen dem 18. September 1939 und 29. Mai 1945 die Feinde des Königs durch Ausstrahlung von Propaganda an die Untertanen des Königs zugunsten der Feinde des Königs.
  • Er förderte und begünstigte die Feinde des Königs durch Anstreben der Naturalisation als Deutscher.
  • Er förderte und unterstützte am 18. September 1939 und zahlreichen anderen Tagen zwischen dem 18. September 1939 und 2. Juli 1940 die Feinde des Königs durch Ausstrahlung von Propaganda an die Untertanen des Königs zugunsten der Feinde des Königs.

Joyce brachte zu seiner Verteidigung vor, dass seine Beweggründe für die Sendungen patriotischer Natur gewesen seien: Sein Ziel sei eine antikommunistische Allianz zwischen Deutschland und Großbritannien gewesen.

Während der Verhandlung der Anklagepunkte wurde Joyces US-amerikanische Staatsangehörigkeit entdeckt, und es schien zweifelhaft, ob er ohne tatsächliche britische Staatsangehörigkeit überhaupt des Hochverrats angeklagt werden könne. Der Generalstaatsanwalt, Sir Hartley Shawcross, argumentierte dagegen erfolgreich, dass Joyces Besitz eines britischen Passes, auch wenn er, um ihn zu erhalten, hinsichtlich seiner Nationalität gelogen habe, ihn zu britischem diplomatischen Schutz in Deutschland berechtigt und er dafür dem König Treue geschuldet habe. Aufgrund dieser Konstruktion wurde Joyce, bestätigt vom Court of Appeal und dem House of Lords, zum Tode durch den Strang verurteilt.

Am 3. Januar 1946 wurde das Urteil im Gefängnis von Wandsworth durch den Henker Albert Pierrepoint vollstreckt. Joyce war der vorletzte Mann, der im Vereinigten Königreich für ein anderes Verbrechen als Mord hingerichtet wurde. Als letzter wurde Theodore Schurch am nächsten Tag im Pentonville-Gefängnis exekutiert. In der Geschichte des britischen Strafrechts war dies außerdem der letzte Fall, in dem ein Mensch wegen Hochverrats zum Tode verurteilt wurde.

Joyces Familie

Die britische Krone erwog, auch seine Frau, Margaret Joyce, zu verurteilen. Der tatsächliche Beweggrund, warum keine Gerichtsverhandlung stattfand, ist unklar. Eine einfache Erklärung ist, dass der Status ihrer Nationalität weit komplexer war und eine Verurteilung unwahrscheinlich gewesen wäre. Manche halten es auch für möglich, dass ein Gnadenerlass in ihrer Sache erging, etwa in einem geheimen Memo. Margaret Joyce starb 1972 in Soho, London Meldungen zufolge an Alkoholmissbrauch.

William Joyce hatte zwei Töchter aus einer früheren Verbindung: Eine von ihnen, Heather Iandolo, äußerte sich öffentlich zu ihrem Vater. Joyce wurde 1976 auf den New Cemetery in Bohermore, County Galway, Irland umgebettet.

Sonstiges

Das Leben von William Joyce war Vorbild für Kurt Vonneguts Figur Howard W. Campbell in seinen Romanen Mother Night und Slaughterhouse Five.

Literatur

Dämmerung über England, 3. Auflage 1942
  • William Joyce: Dämmerung über England, Internationaler Verlag Cesare Santoro, Berlin 1940
  • Rebecca West: The Meaning of Treason. Macmillan, London 1949
  • William Cole: Lord Haw-Haw and William Joyce. Faber and Faber, London 1964
  • Francis Selwyn: Hitler’s Englishman. Routledge and Kegan Paul Ltd, London 1987
  • Mary Kenny: Germany Calling – a personal biography of William Joyce. New Island Books, Dublin 2003
  • Nigel Farndale: Haw-Haw: the tragedy of William and Margaret Joyce. Macmillan, London 2005
  • C. E. Bechhofer Roberts (Hrsg.): The Trial of William Joyce. Old Bailey Trials series. Jarrolds, London 1946.
  • Margret Boveri: Der Verrat im zwanzigsten Jahrhundert. In: Die Zeit, Nr. 32/1956

Hörspiele

  • Robert Neumann: Lord Haw Haw. Der Mann, der Goebbels´ Goebbels sein wollte. [Radiofeature über William Joyce]; kein Hinweis auf Realisierung. - Manuskript-Konzept im Nachlass in der Österreichischen Nationalbibliothek. Signatur: ONB06-000140079 bzw. Cod.Ser.n. 20968 (oJ).
  • Johann Buchholz und Daniel Gerlach: Lord Haw-Haw, Hitlers englische Stimme. Ein dokumentarisches Hörspiel mit Ulrich Noethen, 2006 Random House Audio.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Vgl. Matthias Matussek: Propagandakrieg im Äther. Hitlers hämischer Lord; in: einestages, 2. Juli 2010 ; zuletzt abgerufen am 30. April 2011
  2. Über Der englische Faschismus sowie akute Fragen des engl. Weltreiches. Name zu Joice verschrieben. homepages.uni-tuebingen.de (PDF) S. 52

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • William Joyce — William Joyce. William Joyce (Nueva York, 24 de abril de 1906 – Londres, 3 de enero de 1946), conocido despectivamente como Lord Haw Haw (si bien éste fue un alias empleado por más personas), fue un activista político y locutor de radio de origen …   Wikipedia Español

  • William Joyce — For other uses, see William Joyce (disambiguation). William Joyce Joyce shortly after capture, 1945 Born William Joyce 24 April 1906(1906 04 24) Brooklyn, New Y …   Wikipedia

  • William Joyce — Pour les articles homonymes, voir Joyce. Joyce peu après son arrestation en 1945. William Joyce, appelé Lord Haw Haw, est un politicien et journaliste fasciste américano …   Wikipédia en Français

  • William Joyce (writer) — William Joyce (born December 11 1957) is an American author, illustrator, and filmmaker. Newsweek has called him one of the top 100 people to watch in the new millennium.Fact|date=October 2007 His illustrations have appeared on numerous New… …   Wikipedia

  • William Joyce (Schriftsteller) — William Joyce (* 11. Dezember 1957 in Shreveport, Louisiana) ist ein US amerikanischer Autor. Neben diversen Zeitungsartikeln und Büchern für Erwachsene ist er vor allem durch seine Kinderbücher populär. Tätigkeiten Joyce entdeckte schon früh… …   Deutsch Wikipedia

  • William Joyce Sewell — Infobox Military Person name= William Joyce Sewell born= Birth date|1835|12|6 died= Death date and age|1901|12|27|1835|12|6 placeofbirth= Castlebar, County Mayo, Ireland placeofdeath= Camden, New Jersey placeofburial= caption= Medal of Honor… …   Wikipedia

  • William Petre, 4th Baron Petre — (1626 – 5 January 1684), was an English peer, a victim of the Popish Plot.Petre was the eldest son of Robert Petre, third Baron Petre (1599–1638), and Mary (1603–1685), daughter of Anthony Maria Browne, second Viscount Montagu, who had been… …   Wikipedia

  • Joyce — steht für: eine Variante des Vornamens Jodok Joyce (Zeitschrift), eine Frauenzeitschrift des christlichen Bundes Verlags Joyce (Computertyp), 8 Bit CP/M Computer, siehe Amstrad PCW Orte in den Vereinigten Staaten: Joyce (Louisiana) Joyce… …   Deutsch Wikipedia

  • William Murdoch — William McMaster Murdoch Nacimiento 28 de febrero de 1873 Dumf …   Wikipedia Español

  • William Jowitt, 1. Earl Jowitt — William Jowitt als Rechtsanwalt (1912) William Allan Jowitt, 1.  Earl Jowitt, Viscount Stevenage, of Stevenage in the County of Hertford, and Earl Jowitt PC KC (* 15. April 1885 in Stevenage, Hertfordshire; † 16. August 1957 in Bury St… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”