- Witwenverbrennung
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Dieser Artikel beschäftigt sich mit dem Phänomen der Witwenverbrennung im Hinduismus; für die gleichnamige Göttin siehe Sati (Göttin); zur Bedeutung von Sati (Pali) im Buddhismus siehe Achtsamkeit. - Jörg Fisch, Tödliche Rituale. Die indische Witwenverbrennung und andere Formen der Totenfolge, Frankfurt am Main / New York 1998, ISBN 3593360969
- Lindsey Harlan, Religion and Rajput Women, Berkeley 1992, ISBN 0-520-07339-8
- John Stratton Hawley (Hrsg.), Sati, the Blessing and the Curse, New York / Oxford 1994, ISBN 0195077741
- Shakuntala Rao Shastri, Women in the Sacred Laws, Kapitel The later law books, Bombay 1953
- Gesetzestext zum Verbot von Sati 1987
- K. Jamanadas, Sati Was Started For Preserving Caste
- Maja Daruwala, Central Sati Act - An analysis
- ↑ Webster Dictionary, 1913
- ↑ Vgl.: Hawley 1994, S.12f.
- ↑ G. Wirth / O. Veh (Hrsg.), Diodoros Griechische Weltgeschichte, Band XIX, Stuttgart 2005, Kapitel 33, S.125f.
- ↑ A.S. Altekar, The position of women in Hindu Civilization, Delhi 1959, S.126-130.
- ↑ H.D. Leicht (Hrsg.), Reisen ans Enden der Welt. Das größte Abenteuer des Mittelalters, Tüben / Basel 1974, S.72-78.
- ↑ M. Gaur, Sati and Social Reforms in India, Jaipur 1989, S.47ff.
- ↑ a b Vgl.: Fisch 1998, S.235-249.
- ↑ The New York Times, 1987. Abgerufen am 31. Mai 2008.
- ↑ "Medieval Madness", India Today, 29. November 1999.
- ↑ "Woman commits 'sati' in UP village", 19. Mai 2006.
- ↑ BBC News, "India wife dies on husband's pyre", 22. August 2006.
- ↑ "Woman jumps into husband's funeral pyre".
- ↑ „No violation of Sati Act, say police “, The Hindu, June 6, 2005. Zugriff am 20. November 2007.
- ↑ No. 2: Commission of Sati (Prevention) Act, 1987.
- ↑ India: Tour Guide Praises Suttee?, 11. Juni 2005.
- ↑ Rajasthan tourism’s new line: welcome to the state of Sati, 31. Mai 2005.
- ↑ Glorification of Sati' Outlawed in India, Hinduismus Today, Dezember 1988
- ↑ Vgl.: L. Harlan, Perfection and Devotion: Sati Tradition in Rajasthan; in: Hawley 1994, S.79-91; auch:Hawley 1992, S.112-181.
- ↑ Rig-Veda, 10. Liederkreis, Vers 18.7.
- ↑ Pandita Ramabai Sarasvati: The High Caste Hindu Woman, ISBN-13: 978-0865902541.
- ↑ Women in world history.
- ↑ Atharvaveda Buch 18, Hymne 3, Vers 1.
- ↑ Mahabharata, 16. Buch (Mausala Parva), 7. Teil.
- ↑ Ramayana, 6. Buch, 32. Canto.
- ↑ J. Jolly (Hrsg.), The Institutes of Visnu, Delhi 1965, S.80f.
- ↑ Kamasutram, Buch 6, Kapitel 2.
- ↑ E. Abegg (Hrsg.), Der Pretakalpa des Garuda-Purana, Berlin 1956, S.140ff, Abschnitt X.
Sati (Sanskrit, f., सती, satī, wörtl.: „die Seiende“, Frau, die den richtigen, mutigen Weg wählt) ist die rituelle Selbstverbrennung von Frauen in einigen indischen Religionsgemeinschaften. Nach dem Tod des Mannes konnte es geschehen, dass seine Witwe bei der Verbrennung des Leichnams auf den Scheiterhaufen gelangte. Es handelt sich damit um eine Form der Witwenfolge. Frauen, die Sati begingen, wurden in hohen Ehren gehalten und teilweise göttlich verehrt, ihre Familie gewann hohes Ansehen. Ursprünglich opferten sich auf diese Weise Frauen der im Kampf gefallenen Männer aus Fürstenfamilien, möglicherweise, um nicht den Feinden in die Hände zu fallen. Diese Sitte, zunächst als Selbstopfer gedacht, wurde jedoch im Laufe der Zeit in vielen Bevölkerungskreisen eingeforderte Praxis. Besonders häufig war die Witwenverbrennung bei den Kshatriya-Kasten, wie z. B. den Rajputs in Nordindien, wo sie bis heute vereinzelt vorkommt.
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Wortbedeutung
Das Wort Sati, bzw. die der englischen Aussprache näher kommende Schreibweise suttee, hat zwei Bedeutungen. Zusätzlich steht es auch für die Göttin Sati.
Handlung
In außerindischen Sprachen, vor allem in englischer Fachliteratur, bezeichnet sati meist eine Handlung. Es meint die Selbstverbrennung einer Witwe auf dem Scheiterhaufen ihres Ehemannes. „Sati“ wird als Objekt in Verbindung mit Verben wie „to perform“ benutzt, üblicher ist aber „to commit“. Damit steht es im Englischen dem Selbstmord oder einer kriminellen Handlung nahe, eine negative Konnotation ist vorgegeben. In Wörterbüchern heißt es außerdem meist vergleichbar: „The act of burning a widow on the funeral pile of her husband“.[1] Die Witwe ist passiv, wodurch keine Freiwilligkeit sondern das Vorherrschen einer externen Kraft vorausgesetzt wird. Die englischen Ausdrücke bürgerten sich in der Zeit des Kolonialismus ein.
Frau, die dem Ritus folgt
Im Sanskrit, den Sprachen Indiens und teilweise auch im außerindischen Sprachgebrauch wird mit sati die Frau bezeichnet, die einer rituellen Selbstverbrennung nach dem Tod ihres Mannes folgt. Das sanskritische Wort „sati“ ist die feminine Partizipialform von „sat“, das „sein“ oder „wahr“ bedeutet und etwas moralisch Gutes bezeichnet. Demnach ist „sati“ eine „gute Frau“. Da eine gute Frau im klassischen hinduistischen Verständnis ihrem Mann treu ergeben ist, bedeutet „sati“ auch „treue Frau“. Weil im Hinduismus ein Mensch erst nach der Einäscherung als tot gilt, können „sati“ und Witwe auch als sich ausschließende Kategorien betrachtet werden. Witwenschaft widerspricht demnach dem Prinzip einer Sati.[2]
Ablauf der Witwenverbrennung
Wenn ein Mann gestorben ist, wird seine Leiche binnen eines Tages verbrannt. Eine Frau, die eine Witwenverbrennung erwägt, muss sich in diesem kurzen Zeitraum, noch unter Schock stehend, entscheiden, eine Sati zu werden, was eine schnelle Wiederaufnahme der Ehe nach dem Tod ermöglichen soll. Diese weitergehende Bindung wird im Fall einer Witwenverbrennung dadurch symbolisiert, dass die Frau bis zuletzt wie eine Ehefrau, nicht wie eine Witwe behandelt wird.
Nach der Entscheidung wurde früher eine aufwändige Zeremonie vorbereitet, die sich je nach Region unterschied, bei der aber stets Priester beteiligt sein mussten. Außerdem waren begleitende Musikanten, Schmuck in Form von Gewändern sowie Gaben üblich. Die eigentliche Tötungsform war hauptsächlich die religiös legitimierte Verbrennung auf dem Scheiterhaufen. Selten war das Lebendigbegraben. Zusätzlich war eine Tötung durch Einsatz von Waffen oder Gewalt möglich, falls sich das Opfer gegen die Verbrennung wehrte und flüchtete. Der Scheiterhaufen wurde mit leicht brennbaren Stoffen angelegt, auf den sich die Witwe mit der Leiche ihres Mannes im Schoß setzte. Der älteste Sohn entzündete daraufhin das Feuer. Mittel, um eine Flucht der Witwe aufgrund von Todesangst zu verhindern, waren das Verschütten mit großen Holzstücken oder das Niederhalten mit langen Bambusstäben. Eine erweiterte Form, die in Zentralindien verbreitet war, ist die Errichtung einer hüttenartigen Konstruktion auf dem Scheiterhaufen. Der Eingang wurde mit Holz verschlossen und verbarrikadiert und die mit weiterem Holz beschwerte Hütte kurz nach Entzündung des Feuers zum Einsturz gebracht. So war ein Entkommen noch deutlich schwieriger. Im Süden Indiens gab es noch eine weitere Methode, bei der eine Grube ausgehoben wurde. Ein Vorhang sollte die Witwe vor dem Anblick des Feuers schützen, bis sie schließlich selbst hineinsprang oder hineingeworfen wurde. Meist wurden dann schwere Holzklötze und leicht brennbares Material auf das Opfer geworfen.
Sobald die Frau das Bewusstsein verlor, wurde die Feuerbestattung unter Gesängen und religiösen Ritualen zu Ende gebracht.
Geschichte
Der älteste fundierte Bericht über eine Witwenverbrennung stammt aus der Antike. Es handelt sich um einen Bericht des Historikers Diodor aus dem 1. Jahrhundert vor Christus (der ursprüngliche Bericht ist jedoch vermutlich noch älter), der von einem gefallenen Heerführer aus Indien namens Keteus erzählt.[3] Dessen zwei Ehefrauen verbrannten sich schließlich zusammen mit ihrem Ehemann auf dem Scheiterhaufen. Zur Zeit der griechisch-römischen Antike scheint die Witwenverbrennung ziemlich weit verbreitet gewesen zu sein, da auch andere Autoren sie erwähnen. Sie fand sich vor allem in der kriegerischen Elite, allerdings sind keine Hinweise bekannt, dass sie anderen Schichten verboten gewesen wäre.
In der Zeit von 700 – 1100 wurden Witwenverbrennungen in Nordindien und vor allem Kaschmir immer üblicher, besonders in adligen Familien. Der indische Historiker Kalhana schreibt in seinem Werk Rajatarangini von Fällen, in denen selbst unkeuscheste Frauen sich selbst auf dem Scheiterhaufen des Mannes umgebracht hätten. Sogar Konkubinen folgten ihnen. Das Prinzip wurde auch auf nahe weibliche Verwandte wie Mütter, Schwestern, Schwägerinnen sowie Bedienstete ausgedehnt. Das Geschichtswerk erwähnt viele verschiedene Fälle von Satis. Archäologisch lässt sich diese Entwicklung durch das Auftauchen von Gedenksteinen („Sati-Steine“) untermauern. Diese zeigen meist einen erhobenen rechten Arm mit Armreif, der die verheiratete Frau symbolisiert. Satis aus dieser Zeit finden sich jedoch nicht nur in Kaschmir. Auch unter Brahmanen wurde es zunehmend beliebt. Die Praxis der Witwenverbrennung wurde zu einer hoch angesehenen aber optionalen Praxis im Hinduismus. Sie beschränkte sich in der Umsetzung allerdings größtenteils auf eine spezielle Gesellschaftsschicht und einige Regionen.[4]
Aus dem Mittelalter sind ebenfalls einige außerindische Berichte bekannt. Diese stammen vor allem von muslimischen Autoren, nachdem Indien durch islamische Eroberer eingenommen worden war. Der berbische Reisende Ibn Battuta, der im 14. Jahrhundert auch Indien bereiste, berichtet in seinem berühmten Reisebericht von Witwenverbrennungen.[5] Er erwähnte, dass Witwenverbrennungen in muslimischen Gebieten Indiens der Erlaubnis des Sultans bedurften, dass dieser Akt bei den Indern als lobenswerte Tat galt, nicht jedoch Bedingung für eine Witwe war (die allerdings, wenn sie es nicht tat, als untreue Frau galt). Battuta bezeichnet die Nicht-Muslime lediglich als Heiden, sodass nicht ersichtlich wird, ob es sich um Hindus oder Buddhisten handelte. Ab Ende des 16. Jahrhunderts breitete sich die Praxis stark im Raum von Rajasthan aus und wurde unter der Volksgruppe der Rajputen immer beliebter. In nahezu allen Fällen, in denen ein König oder ein hoher Adliger gestorben war, folgten kinderlose und für Amtstätigkeiten entbehrliche Witwen ihren Männern. Verpflichtend war es jedoch nicht, die überlebenden Frauen erhielten beispielsweise weiter Lehen. Europäische Reisende berichteten von Witwenverbrennungen, die sie selbst erlebt hatten. Ende des 18. Jahrhunderts war die Praxis bereits so weit verbreitet und üblich, dass es zumindest in Königshäusern verpflichtend war. Es war zu einer kollektiven Erfahrung geworden, sodass fast jeder Mensch einmal von einer Zeremonie gehört, wahrscheinlich sogar eine miterlebt hatte. Es existierten jedoch stets Gegenstimmen, die ein Leben in Keuschheit für wichtiger als die Selbstvernichtung erachteten.[6]
Mit der europäischen Kolonisierung vor allem durch Großbritannien versuchten die Engländer, nach anfänglicher Ignorierung der Praxis, eine Reglementierung zu erreichen. Dafür wurden großflächig Statistiken erfasst und Einzelfälle dokumentiert. In der Präsidentschaft Bengalen wurden einigermaßen verlässliche Zahlen anhand von Sterberate, Bevölkerungszahl und Dunkelziffer durch Nichtmeldung aufgestellt, die durchschnittlich von einer verbrannten Witwe auf 430 Witwen insgesamt ausgingen. Das bedeutet demnach, dass in einem Dorf mit 5000 Einwohnern alle 20 Jahre eine Verbrennung stattgefunden hat. Die regionalen Unterschied waren beträchtlich. Die Abscheu der Europäer gegenüber dieser Sitte führte schließlich zu einem Verbot der Witwenverbrennung 1829/30 in Britisch-Indien, durchgesetzt von der damaligen Bewegung um den Hindu-Reformer Ram Mohan Roy. Selbst die beobachtende Teilnahme konnte strafbar sein. Witwenverbrennungen wurden immer seltener und erfuhren bei Bekanntwerden große mediale Aufmerksamkeit. In der Stadt Jodhpur im indischen Bundesstaat Rajasthan soll sich noch 1953 die letzte Sati aus dem Königshaus selbst verbrannt haben.[7]
Witwenverbrennung heute
Es kommen immer noch, wenn auch selten, Witwenverbrennungen vor. Ein bekannter Fall ist Roop Kanwar, ein 18-jähriges Mädchen, die in Rajasthan 1987 auf dem Scheiterhaufen ihres Mannes verbrannte. Die Verbrennung wurde von tausenden Zuschauern verfolgt und in aller Welt durch Medien und Wissenschaft rezipiert. Es ist unklar, ob sie mit oder ohne Zwang auf den Scheiterhaufen gelangte. Tausende Anhänger der Witwenverbrennung pilgerten anschließend zu dem Ort.[8] Der Tod von Roop Kanwar führte zu heftigen öffentlichen Auseinandersetzungen und einer weiteren Verschärfung des Verbots.
Ausgerottet werden konnte die Praxis jedoch nicht, einzelne Fälle sind seitdem weiterhin bekannt geworden. Aufgrund der Illegalität und der teilweise existenten gesellschaftlichen Akzeptanz muss von einer anteilmäßig hohen Dunkelziffer ausgegangen werden. Geschätzte Zahlenangaben gehen von 40 Fällen seit 1947 aus, davon 28 in Rajasthan, möglicherweise sind es noch mehr. Von einer Steigerung der Zahlen in den letzten Jahrzehnten kann nicht ausgegangen werden.[7]
Am 11. November 1999 verbrannte im nordindischen Dorf Satpura die 55-jährige Bäuerin Charan Shah auf dem Scheiterhaufen ihres Mannes.[9] Am 18. Mai 2006 verbrannte die 35-jährige Vidyawati, im Dorf Rari-Bujurg, Fatehpur, im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh, indem sie auf den Scheiterhaufen ihres Mannes sprang.[10] Am 21. August 2006 starb die ungefähr 40-jährige Janakrani auf dem Scheiterhaufen ihres verstorbenen Gatten Prem Narayan im Dorf Tuslipar, im indischen Bundesstaat Madhya Pradesh.[11] Am 11. Oktober 2008 gelangte die 75 Jahre alte Lalmati Verma auf den bereits brennenden Scheiterhaufen ihres Mannes in Kasdol, Raipur Distrikt, im indischen Bundesstaat Chhattisgarh.[12]
Laut indischem Gesetz ist heute jede direkte und indirekte Unterstützung zur Selbstverbrennung verboten; selbst die traditionelle Verherrlichung solcher Frauen wird geahndet. Jedoch wird dieses Gesetz nicht immer gleichermaßen energisch umgesetzt[13] und der National Council for Women (NCW) empfiehlt Verbesserungen am Gesetz.[14] Das Tourismusministerium von Rajasthan veröffentlichte 2005 ein Buch mit dem Titel Popular Deities of Rajasthan, welches aufgrund enthaltener positiver Aussagen über Witwenverbrennungen kritisiert wurde.[15] Die Tourismusministerin von Rajasthan, Usha Punia, verteidigte die Darstellung von Witwenverbrennungen in dem Buch mit der Behauptung: „Sati wird heute als eine Quelle der Kraft angesehen.“[16]
Gründe
Die Beweggründe für die Selbstverbrennung sind bis heute umstritten. Sie wurde in einigen Bevölkerungskreisen von Witwen erwartet. Teilweise wurden die trauernden Witwen durch sozialen Druck zur Selbstverbrennung gebracht und teilweise auch mit Gewalt gezwungen. Auch wird die schlechte Situation von Witwen und eine möglicherweise daraus resultierende Lebensangst der Witwen verantwortlich gemacht.[17]
Satimatas - lokale Göttinnen
Ein Phänomen, das zur Erklärung der Verbreitung der Witwenverbrennung beiträgt, sind die Satimatas. Das sind lokale Göttinnen, meist Verehrungen von Frauen, die als Sati in den Tod gegangen sind. Satimatas kommen besonders häufig in der Region Rajasthan vor.[18]
Im Verständnis des Hinduismus, und vor allem der Rajputischen Volksgruppe, geht einer Sati der Status einer „pativrata“ voraus, die treue Hingabe zum lebenden Mann. Teilweise wird damit auch generell Ehe bezeichnet. Die Hauptaufgabe der Pativrata (im Sinne eines Gelübdes, „vrat“) ist dabei der Schutz des Ehemannes („pati“). In dieser Sicht ist Krankheit oder Tod des Mannes möglicherweise die Schuld der Frau, welche ihrer Aufgabe nicht gut nachgekommen ist. Diesem Schuldvorwurf kann eine Frau entgehen, indem sie als Sati sterben will. Sie wird dadurch von der Pativrata zur „sativrata“, also einer guten Frau, die das Gelübde auf sich nimmt, dem Mann in den Tod zu folgen. Es wird davon ausgegangen, dass sich nur Frauen dazu entschließen können, die ein Leben in vollster Verehrung ihres Mannes geführt haben. Somit kann sie quasi rückwirkend – für andere, aber auch für sich selbst – unter Beweis stellen, dass sie stets eine gute Frau gewesen ist. In der Zeit zwischen Entschluss und Ausführung der Verbrennung kommt der Frau eine besondere Verehrung zuteil, da ihr durch die Ablehnung des Lebens besondere Kräfte zugeschrieben werden. Sie kann Flüche aussprechen und bestimmte Praktiken und Besitztümer verbieten lassen, womit auch eine Basis für ihre spätere Verehrung gegeben ist.
Mit dem Tod verwandelt sich die Sativrata in eine „satimata“, eine gute Mutter („mata“). Der Begriff der Mutterschaft macht hier das Verständnis deutlich, dass eine Satimata weiter für die Familie sorgt, während sie gleichzeitig das Schicksal ihres Mannes teilt. Eine Satimata verkörpert das Prinzip der Pativrata über den Tod hinaus, da sie selbst im Jenseits ihrem Mann dient. Dies macht sie attraktiv als Verehrungsobjekt für diejenigen, die das moralische Ideal der Patrivrata hochhalten. Vor allem aber beschützt sie in ihrer Mutterrolle die Familien der Zurückgebliebenen (auch im Sinne einer Dorfgemeinschaft). Diese Beschützerrolle entsteht aus dem Verständnis, dass die Satimata eine Verkörperung des reinen Guten ist, des „sat“. Es gilt, dass eine Satimata in den Träumen von Frauen erscheint, die eine Krise in der Familie erleben, Frauen tadelt, die sich nicht an die religiösen Regeln halten, und diejenigen beschützt, die nach einem Leben als Pativrata streben. Gleichzeitig ist es jedoch möglich, dass der Haushalt einer Patrivrata bestraft werden kann, wenn sie die religiösen Verpflichtungen gegenüber der Satimata vernachlässigt. Diese Strafen können sofort wieder abgewandt werden, wenn den Verpflichtungen nachgekommen wird.
Satimatas haben ein vielseitiges Verehrungsspektrum. Sie werden von Familien verehrt, bevor sie zu einer großen Reise aufbrechen oder von dieser zurückkommen, um Respekt gegenüber dem Einflussbereich der Beschützerin zu demonstrieren. Auch das Eintreffen einer neuen Ehefrau in der Familie führt zu einer Anrufung durch die Frau, welche sich davon einen Segen für das Neue verspricht. Regelmäßige Pujas finden nur selten und meist an bestimmten Tagen im Jahr statt, die von Familie zu Familie unterschiedlich sind. Dann werden Lieder auf die Beschützerin gesungen.
Legitimation durch Heilige Schriften
Veden
Ein möglicher Hinweis auf Witwenverbrennungen findet sich im Rigveda, welcher einen Vers enthält, der als vedische Legitimation oder zumindest Erwähnung von Witwenverbrennung lesbar ist.[19] Der Vers steht im Kontext von Lobpreisungen an Agni, welcher den Leichnam in einer Feuerbestattung auf rechte Weise zu sich nehmen soll, und Beschreibungen der Leichenfeier. Der Gesang dient offenbar dazu, während einer Totenbestattung rezitiert zu werden. In diesem Vers werden „Nichtwitwen mit guten Gatten“ dazu aufgefordert, sich gesalbt zum Toten zu gesellen. In der älteren Auslegung wurde daher vermutet, dass hier ein Bezug zur Witwenverbrennung gegeben ist und diese legitimiert wird. Moderne Sanskritforscher und Gegner der Witwenverbrennung, wie Pandita Ramabai in ihrem Buch „The High Caste Hindu Woman“[20], betonen jedoch, dass dies auf einer falschen Interpretation beruhe.[21] Der Vers müsse in Verbindung mit dem folgenden betrachtet werden. Er fordert, dass die Frau sich „zur Welt der Lebenden“ erheben soll. Vermutlich wird also nur der Schein einer reinigenden Mitverbrennung aufgebaut. Zudem sollte dieser uneindeutige Abschnitt in Bezug auf den Atharvaveda[22] gelesen werden, in welcher eine Witwe einen neuen Gatten gewählt und sich zum Toten gelegt hat, um von diesem Nachkommenschaft und Güter zu erhalten. Demnach diente dieser Kult kinderlosen Witwen dazu, den Sohn des nächsten Mannes als Sohn des Verstorbenen zu legitimieren. Dadurch konnten die wichtigen Väteropfer durchgeführt werden. Der vedische Akt des Beilegens ist also rein symbolisch, er soll nicht zum Tod der Witwe führen.
Epen
Eindeutige Witwenverbrennungen finden sich im Mahabharata. Es erzählt von vier Frauen des toten Vasudevas, die sich klagend während der Verbrennung auf den Scheiterhaufen werfen. Dies wird für die Frauen positiv bewertet: „All of them attained to those regions of felicity which were his.“[23] Einige Verse später wird berichtet, wie sich die Kunde des Todes Krishnas in der Hauptstadt des vedischen Großreiches verbreitet. Vier seiner Frauen besteigen den Scheiterhaufen, auf dem sich jedoch kein Körper befindet. Jedoch ist dieser Akt keine „Standardprozedur“. In dem Epos werden verschiedene Fälle von toten Helden berichtet, bei denen sich Witwen nicht das Leben nehmen. Allen voran das gesamte 11. Buch, in welchem unter anderem eine große Trauerfeier mit vielen gefallenen Helden stattfindet. Hier lässt sich kein Fall einer Sati entdecken.
In dem anderen großen Epos, dem Ramayana, wird in der Ursprungsfassung kein Fall einer Witwenverbrennung erwähnt. Lediglich das später hinzugekommene 6. Buch spricht von Sita, welche vom vorgetäuschten Tod ihres Mannes Rama erfährt und sich daraufhin an die Seite seines Leichnams wünscht, sie will „Rama folgen, wohin er auch geht“.[24]
Gesetzestexte
Eine der ältesten religiösen Legitimationen stammt wahrscheinlich aus dem 1. Jahrhundert n.Chr. und findet sich im Vishnu Smriti. Da heißt es im 20. Kapitel: „he [der Tote] will receive the Srâddha offered to him by his relatives. The dead person and the performer of the Srâddha are sure to benefitted by its performance. [...] This is the duty which should be constantly discharged towards a dead person by his kinsmen“. In den folgenden Ausführungen wird klar, dass es sich bei der Verpflichtung, die hier im Text „Srâddha“ genannt wird, um die Selbstverbrennung handelt. Auf das Nichtbefolgen dieser Verpflichtung wird nicht eingegangen, es wird lediglich der Unsinn von Trauer erwähnt.[25]
Das Kamasutra heißt die Selbstverbrennung gut, indem es beschreibt, auf welche Art sich eine Kurtisane wie eine gute Ehefrau verhalten kann. Innerhalb einer langen Aufzählung wird von dieser auch verlangt, dass sie „wünsche ihn nicht zu überleben“.[26]
Die Puranas enthalten Beispiele von Satis und theologische Richtlinien, wie diese zu bewerten sind. Beispielhaft hierfür das Garuda Purana: Eine Sati wird als „gattentreue Frau, die für das Wohl ihres Mannes besorgt ist“, bezeichnet. Die Verbrennung wird zudem als seelische Reinigung der Witwe (sogar ihrer Verwandtschaft) bezeichnet, bei der sich die Seele der Frau mit der ihres Gatten verschmilzt. Als Belohnung winkt zudem eine lange Zeit im Paradies, „so viel [Jahre] als der Mensch Körperhärchen hat“. Doch auch hier wird nicht vergessen diejenigen zu erwähnen, die sich der Verbrennung widersetzen: „Wenn eine Frau sich nicht verbrennen läßt, wenn ihr Gatte im Feuer bestattet wird, so wird sie niemals aus dem Frauenleibe erlöst“, sowie: „Die Törin, die wegen des augenblicklichen Schmerzes der Verbrennung ein solches Glück von sich weist, wird ihr Leben lang vom Feuer des Trennungsschmerzes verzehrt.“[27]
Parallelen
Auch in der Antike sind Fälle überliefert, bei der sich Frauen selbst verbrannten, um nicht den Feinden in die Hände zu fallen, bzw. durch Angehörige getötet wurden (Fall von Karthago, Axiothea von Paphos).
Literatur
Weblinks
Einzelnachweise
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