- Wladimir Konstantinowitsch Bukowski
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Wladimir Konstantinowitsch Bukowski (russisch Владимир Константинович Буковский; * 30. Dezember 1942 in Belebei) ist ein russischer Publizist und ehemaliger sowjetischer Dissident. Er machte die Unterbringung von politischen Gefangenen in der UdSSR international bekannt. Zu den russischen Präsidentschaftswahlen im Jahr 2008 strebte er erfolglos eine Kandidatur an.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Als Schüler und Student geriet Bukowski durch abweichende Meinungen in Konflikt mit der Sowjetmacht und wurde sowohl aus der Schule als auch von der Universität ausgeschlossen. 1963 wurde er wegen des Versuchs, das Buch Die neue Klasse des jugoslawischen Dissidenten Milovan Đilas zu vervielfältigen, als unverbesserlich eingestuft und in eine psychiatrische Anstalt in Leningrad eingewiesen. Im Februar 1965 entlassen, setzte er seine oppositionelle Tätigkeit fort und wurde von Ende 1965 bis Juli 1966 erneut zur psychiatrischen Behandlung eingewiesen. Wegen der Organisation einer Protestdemonstration im Januar 1967 wurde er vor Gericht gestellt; seine Rede vor Gericht kursierte bald im Samisdat. Die Richter stuften dies als Teilnahme an Gruppenhandlungen, welche die öffentliche Ordnung stören ein und verurteilten ihn zu drei Jahren Lagerhaft.
Nach der Rückkehr aus dem Lager nach Moskau wurde Bukowski einer der Wortführer der sich formierenden sowjetischen Dissidentenbewegung. In der Folge gab er ausländischen Korrespondenten Interviews und sorgte dafür, dass im Westen insbesondere der Einsatz der Psychiatrie gegen Andersdenkende bekannt wurde.
Im März 1971 wurde Bukowski erneut verhaftet, nachdem ihn ein Artikel in der Zeitung Prawda, der ihm antisowjetische Tätigkeit vorwarf, in der ganzen UdSSR bekannt gemacht hatte. Vor allem wegen der Herausgabe einer Dokumentensammlung, die den Missbrauch der Psychiatrie zu politischen Zwecken in der UdSSR belegte, wurde er in einem Prozess am 5. Januar 1972 in Moskau zu 7 Jahren Freiheitsstrafe (zwei Jahren Gefängnis und fünf Jahren Lager) und fünf Jahren Verbannung verurteilt. Nach anhaltenden Protesten im Westen tauschte die Sowjetregierung Bukowski am 18. Dezember 1976 zusammen mit seiner Mutter gegen den in Chile gefangen gehaltenen chilenischen Kommunisten Luis Corvalán aus.
Nach seiner zwangsweisen Aussiedelung ließ er sich in Großbritannien nieder und setzte seine kritischen Recherchen und Analysen fort. 1985 trat Bukowski aus der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte aus[1]. Ebenfalls 1985 begründete er, u.a. zusammen mit Jeane Kirkpatrick und Richard Perle, die „American Foundation for Resistance International“, eine Organisation, die helfen sollte, Proteste in Staaten des Ostblocks zu organisieren und zu finanzieren. Die Regierung unter Boris Jelzin lud Bukowski 1992 als Experten im Prozess gegen die KPdSU nach Moskau ein, um ein Verbot der KPdSU zu erreichen.
2002 besuchte Boris Jefimowitsch Nemzow von der Union der rechten Kräfte Bukowski zur Strategiebesprechung einer neuen Partei in Russland. 2004 gründete Bukowski zusammen mit Politikern wie Nemzow und Garri Kasparow das wirtschaftsliberale Komitee 2008.
Bukowski ist Förderer der United Kingdom Independence Party und Vizepräsident der Freedom Association, welche für eine Erhöhung der Militärausgaben und für Wirtschaftsliberalismus (weniger staatliche Eingriffe in das Wirtschaftssystem) wirbt.
Bukowskis Hauptthema ist die Naivität (gullibility) des Westens gegenüber der Sowjetunion bzw. ihrer – seiner Meinung nach – keineswegs untergegangenen Ideologie. In der EU sieht er einen neuen Sowjetstaat im Entstehen. Ihre Ideologie sei die politische Korrektheit, welche gezielt eingeführt werden würde, um sie dann mit repressiven Methoden durchsetzen zu können.[2] Er prophezeit, auch dieser EU-Sowjetstaat werde Gulags haben. Bukowski behauptete, aus den Dokumenten des Moskauer Archivs, die er während seines Besuchs 1992 einsehen konnte, gehe hervor, dass die EU eine sowjetische Verschwörung sei, welche die Europäer politisch umerziehen solle (genauso wie die Sowjetunion „Sowjetmenschen“ schaffen wollte). Kein Verständnis hat Bukowski für die Friedensbewegung, die er u.a. wegen ihrer Aktivitäten gegen den NATO-Doppelbeschluss und gegen den Irak-Krieg attackierte. Die Friedensbewegungsaktivitäten seien laut Bukowski ein Ergebnis sowjetischer bzw. russischer Propaganda. 2005 kritisierte Bukowski die US-Regierung nach dem Bekanntwerden des Abu-Ghuraib-Folterskandals. Es dürfe nicht der Eindruck entstehen, dass in den USA Folter erlaubt sei, da ansonsten die russische Regierung dies als Rechtfertigung für eigene Folter ansehen könnte.[3]
Am 28. Mai 2007 erklärte Bukowski seine Bereitschaft, für die Wahlen zum Präsidenten der Russischen Föderation im März 2008 zu kandidieren. Am 16. Dezember 2007 fand in Moskau die erste amtliche Wählerversammlung von Bukowski statt; es wurden mehr als die benötigten 500 Teilnehmer registriert. Am 18. Dezember reichte er seine Dokumente für seine Kandidatur beim zentralen Wahlkomitee der Russischen Föderation ein. Seine Bewerbung wurde abgelehnt, da er seit geraumer Zeit in London lebt. Nach der russischen Gesetzgebung muss ein Präsidentschaftskandidat mindestens zehn Jahre vor der Wahl im Land leben.
Am 10. März 2010 unterzeichnete er ein Manifest der russischen Opposition unter dem Titel „Putin muss gehen“.
Werke
In deutscher Übersetzung erschienen:
- Wind vor dem Eisgang. Ullstein Kontinent, Berlin 1981. ISBN 3-548-38018-2
- Pazifisten gegen den Frieden – Friedensbewegung und Sowjetunion. Verlag SOI, Bern 1983. ISBN 3-85913-120-6
- Dieser stechende Schmerz der Freiheit. Russischer Traum und westliche Realität. Ullstein, Berlin 1985. ISBN 3-548-20576-3
- Abrechnung mit Moskau. Das sowjetische Unrechtsregime und die Schuld des Westens. Lübbe Verlagsgruppe, Bergisch Gladbach 1996. ISBN 3-7857-0829-7
In englischer Übersetzung erschienen:
- To Build a Castle-My Life As a Dissenter, Rowman & Littlefield Publishers, 1988, ISBN 978-0-89633-131-0
- EUSSR. The Soviet Roots of European Integration, mit Pavel Stroilov, Sovereignty Publications, 2004, ISBN 978-0-9540231-1-9
- Reckoning With Moscow: A Nuremberg Trial for Soviet Agents and Western Fellow Travelers, Regnery Publishing Inc., 1998, ISBN 978-0895263896
Literatur
- Andre Martin und Peter Falke: Wladimir Bukowski. Vom Sowjetkerker ins Weiße Haus. Pattloch-Verlag, München 1977. ISBN 3-557-91147-0
Einzelnachweise
- ↑ Leonie Louegk, Humanitäres Gewissen?, in: Frankfurter Rundschau, 14. August 1987; aus: Büro der Stadtverordnetenversammlung Wiesbaden (Hrsg.): Günter Platzdasch/Rainer Fromm 1990: Die sogenannte Internationale Gesellschaft für Menschenrechte – Eine rechte Grauzonenorganisation. (PDF), S. 19
- ↑ http://www.schweizerzeit.ch/0707/euverschwoerung.htm
- ↑ http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2005/12/17/AR2005121700018.html
Weblinks
- http://bukovsky2008.org/ (Seite des Kandidaten fürs Präsidentenamt, Russisch)
- Bukovsky Portal (russisch)
- Literatur von und über Wladimir Konstantinowitsch Bukowski im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Biographische Daten auf der Webseite des Moskauer Sacharow-Zentrums
- Biographie auf der Webseite gewidmet den ehemaligen Polithäftlingen der UdSSR politzeki.ru
- Biographie auf einer Webseite zu Autoren des Samisdat (russisch)
- „Former Soviet Dissident Warns For EU Dictatorship“ (englisch) Wladimir Bukowskis Vortrag in Brüssel, 23. Februar 2006, und ein Interview.
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