Äthiopisch-Somaliland

Äthiopisch-Somaliland
Karte Ogadens bzw. der heutigen Somali-Region; die früheren Provinzen in Grau
Flagge des Ogaden

Ogaden (Somali: Ogaadeen oder Ogaadeeniya) ist eine historische Provinz Äthiopiens, die seit Ende des 19. Jahrhunderts bestand. Sie bildete in etwa ein Dreieck, von dem zwei der drei Seiten an Somalia (bzw. Somaliland im Norden) grenzen. Hauptstadt der Provinz war Jijiga. Das Zentrum des Islam in Äthiopien, die Stadt Harar, lag ebenfalls in dieser Provinz. Heute entspricht die Region Somali in etwa dem Ogaden, welcher sich jedoch im Westen auch auf die heutigen Regionen Oromiyaa und Harar erstreckte.

Die Bewohner der dünn besiedelten Region sind mehrheitlich Somali, hauptsächlich vom Clan der Ogadeni-Darod. Daneben sind weitere Somali-Clans präsent sowie im Westen der Provinz Oromo. Analog den früheren Kolonialbezeichnungen Französisch-Somaliland (Dschibuti), Britisch-Somaliland (Nordsomalia) und Italienisch-Somaliland (Zentral- und Südsomalia) wurde Ogaden früher auch als Äthiopisch-Somaliland bezeichnet. Die Provinz umfasste ungefähr 370.000 Quadratkilometer, was etwa der Größe Deutschlands entspricht.

Befürworter eines Groß-Somalia wollen den Ogaden an Somalia angliedern, was zu Spannungen und Konflikten zwischen Somalia und Äthiopien geführt hat. Sie verwenden für Ogaden auch die Bezeichnung West-Somalia (Soomaaliya Galbeed). Andere Sezessionisten streben eine Unabhängigkeit Ogadens an.

Dieser Artikel behandelt vorwiegend die Geschichte des Gebietes. Für die Gegenwart (seit 1991) siehe Somali (Region).

Inhaltsverzeichnis

Ogaden innerhalb Äthiopiens

Seit dem 15. Jahrhundert gab es Konflikte zwischen dem christlichen Äthiopien und muslimischen Sultanaten in Ogaden und Nordsomalia (siehe Sultanat Ifat, Sultanat Adal, Ahmad ibn Ibrahim al-Ghazi). Ende des 19. Jahrhunderts geriet Ogaden durch die Eroberungen Meneliks II. unter die Herrschaft Äthiopiens.

Wegen fortgesetzten Konflikten mit der äthiopischen Regierung wurden die Provinzgrenzen mehrfach verändert und beschnitten. Während der kommunistischen Herrschaft war Ogaden bis 1987 in die Provinzen Harar (Harrar, Harerge) und Bale aufgeteilt. 1987–91 wurden daraus gar sechs kleinere Provinzen (Ost-Harerge, West-Harerge, Bale, Ogaden, Dire Dawa, Borena).

Seit der Neuordnung der äthiopischen Verwaltungsgliederung 1995/1998 bildet der größte Teil des ehemaligen Ogaden die Region Somali. Hingegen gehört die wichtigste Stadt der Provinz, Harar, nicht mehr zur Somali-Region, sondern bildet eine separate Verwaltungseinheit (mit den Aderi als Titularnation), ebenso wie Dire Dawa als unabhängige Stadt. Der von Oromo bewohnte Westteil der Provinz wurde der Region Oromiyaa zugeschlagen, wobei die Zugehörigkeit der Grenzgebiete beider Regionen in Referenden festgelegt werden musste.

Zwischen Äthiopien und Italienern

Aber nicht nur die Grenzen innerhalb Äthiopiens, sondern auch die Außengrenzen Ogadens gegenüber „Erbfeind“ Somalia wurden oftmals verändert und überrannt. Vor dem Britisch-Äthiopischen Teilungsabkommen von 1897 hatte Äthiopiens Ostgrenze am Fluss Shebeli gelegen, 1907 erkannte auch Italien die neuen, faktisch bis heute gültigen Grenzen an. Seit 1930 jedoch beanspruchte das italienische Mussolini-Regime Teile Ogadens. Nach einem „Grenzzwischenfall“ bei Walwal (Ualual) Anfang November 1934, fast 100 Kilometer tief in Äthiopien, besetzte Italien im Dezember kurzerhand jene Gebiete etwa jenseits (östlich) einer Linie von Dolo (somalisch-äthiopisch-kenianisches Dreiländereck) im Süden bis Buuhoodle (Bohotle) bzw. Boosaaso (Küstenstadt im Norden Italienisch-Somalilands). Das mündete im Oktober 1935 in den Italienisch-Äthiopischen Krieg, für den Kriegsverlauf spielte General Grazianis Südfront in Ogaden jedoch nur eine untergeordnete Rolle. Während der italienischen Besetzung 1936–1941 wurden auch die Gebiete etwa bis zur Linie Negele-Hargeysa aus Äthiopien ausgegliedert und der Kolonie Italienisch-Somaliland direkt angegliedert – prinzipiell entsprechend einer zuvor von den Außenministern Frankreichs und Großbritanniens vorgeschlagenen Grenzveränderung zuungunsten Äthiopiens (allerdings hätte diesem Hoare-Laval-Pakt entsprechend zumindest Assab im Austausch an Äthiopien fallen sollen). Die bei Kriegsende bzw. 1950 wiederhergestellte Grenze wurde 1955 zugunsten Äthiopiens begradigt bzw. korrigiert.

Ogaden und Groß-Somalia

Es gab bei Teilen der Somali-Bevölkerung Bestrebungen, die Ende des 19. Jahrhunderts erfolgte koloniale Teilung ihres Gebietes aufzuheben und alle Somali in einem Groß-Somalia zu einen. Diese Bestrebungen erhielten mit der Dekolonisierung der Region verstärkten Auftrieb. Das 1960 unabhängig gewordene Somalia schrieb sie in seiner Verfassung fest und erhob Anspruch auf den Nordosten Kenias, auf Französisch-Somaliland und auf Ogaden. 1964 kam es zu einem kurzen Grenzkrieg beider Staaten.

Innerhalb Ogadens brach 1963 wegen einer Reihe von Gründen die „Bale-Revolte“ aus. Diese wurde vor allem von muslimischen Oromo-Bauern getragen, die wegen hoher Steuern und dem Verlust von Land an neue Siedler unzufrieden waren, weitete sich aber auch auf nomadische Somali und Borana-Oromo aus, die in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt wurden. Sie dauerte bis 1970 an.[1]

Der 1969 an die Macht gekommene somalische Diktator Siad Barre nutzte die zwischenzeitliche Schwächung Äthiopiens durch Machtkämpfe innerhalb des neuen kommunistischen Regimes, indem er ab Mitte der 1970er Jahre die Western Somali Liberation Front dort unterstützte. 1977 kam es zum offenen Krieg, als somalische Truppen zusammen mit ogadenischen Rebellen der Western Somali Liberation Front in Ogaden vordrangen. Sie eroberten Gode (am Shebeli) und Jijiga. Damit kontrollierten sie 90 % Ogadens, doch Harar konnten sie nicht erobern. Dort hatten sich 50.000 Äthiopier, Kubaner und Südjemeniten verschanzt, die von der Sowjetunion ausgerüstet wurden. Zahlenmäßig waren die Somalier von Anfang an unterlegen, allmählich errang auch die äthiopische Luftwaffe – durch sowjetische MiG-21 verstärkte alte amerikanische F5-Jäger – die Herrschaft über veraltete somalische MiGs, obwohl Somalia wiederum massiv von den USA unterstützt wurde. 1978 konnten die Äthiopier schließlich alle Städte Ogadens innerhalb nur einer Woche zurückerobern.

Weiterhin unterstützte Somalia in verringertem Umfang ogadenische Rebellen, im Gegenzug förderte Äthiopien diverse Rebellengruppen, die gegen die Regierung Somalias kämpften. 1984 bombardierte die äthiopische Luftwaffe vermeintliche Rebellenlager in Zeila (Saylac) und anderen nordsomalischen Städten. 1986 kam es nach dem Scheitern von Friedensverhandlungen erneut zu Grenzscharmützeln, erst 1988 wurde offiziell Frieden geschlossen und damit die gegenseitige Unterstützung von Rebellen eingestellt. Doch noch im gleichen Jahr kam es zu neuen Kämpfen mit somalischen Rebellen in Ogaden.

Ogaden und äthiopisch-somalische Beziehungen heute

1989 misslang in Harar (2. äthiopische Revolutionsarmee) und Asmara (1. Armee) ein Umsturzversuch, weil die zuvor bereits in Addis Abeba gescheiterten Putschisten sich nicht rechtzeitig zu einem Zusammengehen mit somalischen und eritreischen Rebellen hatten durchringen können. Doch auch nach dem Sturz des kommunistischen Regimes in Äthiopien 1991, dem Auseinanderbrechen Somalias im selben Jahr und der Unabhängigkeit Eritreas 1993 setzen einige Rebellengruppen mit Hilfe aus Eritrea und Somalia den bewaffneten Kampf für die Selbständigkeit Ogadens bzw. seine Angliederung an ein „Groß-Somalia“ bis heute fort. Die Ogaden National Liberation Front (ONLF) wendet sich in jüngerer Zeit auch gegen chinesische Unternehmen, die in der Region Erdöl- und Erdgasvorkommen ausbeuten. Seit 2007 intensivierte sich der Konflikt zwischen der ONLF und der äthiopischen Armee. Besonders der letzteren werden Menschenrechtsverletzungen an der Bevölkerung vorgeworfen.

Vor dem Hintergrund des Ogaden-Konfliktes stehen auch die wiederholten Eingriffe Äthiopiens auf Seiten verschiedener Kriegsparteien in den somalischen Bürgerkrieg. Äthiopien unterstützte etwa „Aidid junior“ oder Separatisten in Puntland und Südwestsomalia. 1996–2002 hatten äthiopische Truppen auch direkt einige südwestsomalische Städte besetzt und an Kämpfen der Kriegsherren gegen die Übergangsregierung Somalias teilgenommen. Nachdem 2006 die Union islamischer Gerichte die Kontrolle über große Teile Somalias erlangt und zum „Dschihad“ gegen Äthiopien zwecks Eroberung Ogadens aufgerufen hatte, marschierte Äthiopien wiederum auf der Seite der Übergangsregierung in Somalia ein, verdrängte die Union und unterhält heute eine massive Militärpräsenz.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Tirfe Mammo: The Paradox of Africa's Poverty, Red Sea Press 1998, ISBN 9781569020494 (S. 99)

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