- Berufsständische Versorgung
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Berufsständische Versorgung im engeren Sinne ist die auf einer gesetzlichen Pflichtmitgliedschaft beruhende Altersversorgung für kammerfähige freie Berufe (Ärzte, Apotheker, Architekten, Notare, Patentanwälte, Rechtsanwälte, Steuerberater beziehungsweise Steuerbevollmächtigte, Tierärzte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Zahnärzte sowie jeweils partiell Psychologische Psychotherapeuten und Ingenieure). Die berufsständische Versorgung wird durch auf landesrechtlicher Grundlage errichtete Versorgungseinrichtungen (i. d. R. rechtlich selbstständige Anstalten des öffentlichen Rechts, zum Teil auch Sondervermögen der jeweiligen Berufskammern) erbracht. Die berufsständische Versorgung ist stark durch landesrechtliche oder satzungsrechtliche Legitimationen zur Selbstverwaltung durch die betroffenen Berufsstände geprägt und bietet ihren Mitgliedern eine umfassende Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung. Dachverband ist die Arbeitsgemeinschaft Berufsständischer Versorgungseinrichtungen e.V., in der sich die Versorgungswerke zusammengeschlossen haben. Eine Besonderheit stellt das Versorgungswerk der Mitglieder des Landtags Nordrhein-Westfalen dar, da Abgeordnete keinen Kammerberuf ausüben.
Inhaltsverzeichnis
Rechtliche Stellung im gegliederten Altersversorgungssystem
Die berufsständische Versorgung ist im gegliederten System der Altersversorgung ebenso wie die gesetzlichen Rentenversicherung der "ersten Säule" zuzurechnen. Sie repräsentiert einen Versorgungstypus eigener Art, der selbständig neben den sonstigen gesetzlichen Altersversorgungssystemen (insbesondere der gesetzlichen Rentenversicherung, von der sich die angestellt tätigen Versorgungswerksmitglieder in der Regel befreien lassen können) und den Formen freiwilliger Vorsorge (insbesondere der privaten Lebens- und Rentenversicherung) steht. Kraft ihres Versorgungsauftrages beziehen sie nur die Angehörigen der jeweiligen Berufsgruppe ein, denen sie durch die kontinuierliche Begleitung von Beginn der Berufsausübung an eine einheitliche Versorgungsbiographie bieten können. Dadurch entsteht eine Versichertengemeinschaft mit einheitlicher Risikostruktur, auf deren spezielles Versorgungsbedürfnis die Regelungen und die Leistungen des jeweiligen Versorgungswerkes ausgerichtet werden können.
Finanzierung der Leistungen
Die Leistungen der Versorgungswerke sind grundsätzlich beitragsabhängig. Zur Finanzierung der Leistungen werden Kapital bildende Verfahren eingesetzt, die auf die spezifischen Anforderungen des einzelnen Versorgungswerks zugeschnitten sind: das auch in der Lebensversicherung gebräuchliche Anwartschaftsdeckungsverfahren und das im berufsständischen Versorgungswesen weit verbreitete offene Deckungsplanverfahren, bei dem auch künftige Beiträge und Versorgungsansprüche in die versicherungsmathematische Kalkulation einbezogen werden.
Die berufsständischen Versorgungswerke erhalten (anders als die gesetzliche Rentenversicherung) keinerlei Zuschüsse von staatlicher Seite, sondern finanzieren sich alleine aus den Mitgliedsbeiträgen.
Aufsicht
Berufsständische Versorgungswerke unterliegen den gesetzlichen Kontrollinstanzen der jeweiligen Bundesländer.
Die Rechts- und Versicherungsaufsicht üben die zuständigen Ministerien des Innern / der Wirtschaft aus. Den Jahresabschluss und die Rechnungsprüfung bewerkstelligen wirtschaftsmathematische Sachverständige.
Historische Wurzeln
Die Wurzeln der berufsständischen Versorgung reichen bis in das Jahr 1923 zurück, in dem die älteste und heute größte berufsständische Versorgungseinrichtung, die Bayerische Ärzteversorgung, auf damals dringenden Wunsch der bayerischen Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte errichtet worden ist. Hintergrund hierfür war der Umstand, dass die Versorgung von Ärzten, Zahnärzten und Tierärzten von der gesetzlichen Rentenversicherung nicht sichergestellt werden konnte und die Wirtschaftskrise sowie die Inflation nach dem Ersten Weltkrieg die private Vorsorge praktisch vollständig entwertet hatten. Die Geschäftsführung der Bayerischen Ärzteversorgung obliegt von Anbeginn an der Bayerischen Versicherungskammer, seit 1995 der Bayerischen Versicherungskammer-Versorgung (Bayerische Versorgungskammer). Die Bayerische Versorgungskammer, eine Oberbehörde des Freistaats Bayern, führt als größte öffentlich-rechtliche Versorgungsgruppe in Deutschland die Geschäfte von zwölf Altersversorgungseinrichtungen, davon fünf berufsständischen Versorgungswerken, im Verbund.
In der Nachkriegszeit entstanden weitere berufsständische Versorgungswerke als Folge der Adenauerschen Rentenreform von 1957. Diese Reform versagte den Mitgliedern der sog. freien Berufe die Möglichkeit der freiwilligen Versicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung. Um nicht gänzlich ohne Altersabsicherung zu sein, entstanden nach und nach Versorgungseinrichtungen der einzelnen Berufsgruppen auf Landesebene.
Heute bestehen in Deutschland 89 auf Landesrecht beruhende öffentlich-rechtliche Pflichtversorgungseinrichtungen der Angehörigen der verkammerten Freien Berufe. Diese sind in der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen zusammengeschlossen und beinhalten die folgenden Berufsgruppen
- Ärzte, z.B.: Ärzteversorgung Westfalen-Lippe
- Apotheker,
- Architekten,
- Notare,
- Rechtsanwälte,
- Steuerberater bzw. Steuerbevollmächtigte,
- Tierärzte,
- Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer,
- Zahnärzte,
- Psychologische Psychotherapeuten (nur Versorgungswerk der Psychotherapeutenkammer NRW und Schleswig-Holstein),
- Ingenieure (nur Versorgungswerk der Ingenieurkammer Niedersachsen)
Weblinks
Homepage der Arbeitsgemeinschaft berufsständischer Versorgungseinrichtungen e.v.
Literatur
- Kilger, Hartmut: Die Rechtsprechung zum Recht der berufsständischen Versorgung seit dem Jahre 2008, NJW 2010, 3137
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