Bismarckhäuschen

Bismarckhäuschen
Bismarckhäuschen am Wall
Das Bismarckhäuschen, Nordseite

Das Bismarckhäuschen in Göttingen ist der letzte noch erhaltene Turm des äußeren mittelalterlichen Befestigungsringes der Stadt. Seinen Namen erhielt es, weil der spätere Reichskanzler Otto von Bismarck hier während seiner Studienzeit in Göttingen für etwa ein halbes Jahr wohnte. Eine der Göttinger Gedenktafeln erinnert an diese Zeit. Im Turm ist heute ein kleines Museum zu seinem Gedenken eingerichtet.

Inhaltsverzeichnis

Baugeschichte

Der polygonale Turm wurde 1447 als Teil der Befestigungsanlage erbaut. Zweck war es, den hier den Stadtwall durchfließenden Leine-Kanal zu schützen. Dieser war für die innerhalb liegenden Mühlen und damit für die Versorgung der Stadt unentbehrlich. Dadurch, dass der Turm bis vor den Wall ragte, konnte von ihm aus mit Geschützen auch seitlich geschossen werden, um Angriffe auf die Stadt abzuwehren.

Nach dem Siebenjährigen Krieg wurde ab 1762/63 das Befestigungssystem der Stadt Göttingen geschleift oder anderen Nutzungen zugeführt. Die Trockenlegung des Wallgrabens begann erst 1792 auf Initiative des Pastors der Marienkirche und Gründers der Göttinger Industrieschule Ludwig Gerhard Wagemann. 1797 erhielt dieser den Grabengarten westlich des Leinekanal-Einflusses einschließlich des Befestigungsturmes auf Erbzinspacht. Wagemann richtete den Turm zu einer Gärtnerwohnung ein, indem er ihn von Schutt befreien, neu überdachen und Fenster sowie einen Ausgang zum Garten einbrechen ließ. Den heutigen Eingang von der Wallpromenade genehmigte der Stadtmagistrat erst 1815 unter der Bedingung, dass nie wieder eine Gärtnerfamilie einziehen dürfe.

1819 ersteigerte der Rechtswissenschaftler Karl Friedrich Eichhorn den Erbzinsgarten und verkaufte ihn 1828 an den Universitätsgärtner Heinrich Justus Voß. Dieser vermietete das Gartenhaus als Wohnung an Studenten. Zu seinen Mietern gehörte auch Otto von Bismarck, der ab 1832 Rechtswissenschaften in Göttingen studierte und hier von Frühjahr bis Herbst 1833 lebte. Vorher wohnte er in der Roten Straße 27. Eine Legende sagt, dass der damals 17jährige Jurastudent dieses romantische Domizil am Rande der Stadt nicht freiwillig gewählt hätte. Man hätte ihn behördlicherseits wegen mehrfachen groben Unfugs (Trinkgelage, Rauferei, Duellieren, Tabakrauchen auf der Straße) aus der Innenstadt verbannt.

1839 richtete der Kaufmann Alfred Heintze im Erbzinsgarten eine Appretur- und Färbeanstalt ein, die der Lohgerber August Stöckicht 1861 zu einer Lederfabrik umbaute. Das Gartenhaus diente als Produktionsstätte, in der Folgezeit auch als Wohnung für Betriebsangehörige bzw. als Geräteschuppen. In dieser Zeit gewann auch Otto von Bismarck an Ansehen und damit das Bismarckhäuschen seine Bedeutung. 1874 wurde von Oberbürgermeister Georg Merkel angeregt, eine Gedenktafel zu Ehren des inzwischen berühmten ehemaligen Bewohners über der Eingangstür anzubringen. Diese ist noch heute zu sehen. Sie wurde von der Hannoverschen Eisengießerei gestiftet. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Bismarckhäuschen Teil der Fremdenverkehrswerbung und wurde auch auf Postkarten abgebildet.

1921 erwarb die EDEKA den Turm. 1931/32 übernahm dann die Stadt Göttingen den Turm von EDEKA, um das Gebäude als Gedenkstätte zu nutzen. Grund war der 100. Jahrestag der Immatrikulation von Bismarck, aber auch das 1937 anstehende 200. Jubiläum der Georg-August-Universität. Das Häuschen wurde zur Bismarckerinnerungsstätte umgebaut und mit zeitgenössischer Möblierung aus der Biedermeierzeit eingerichtet. Die im Antiquitätenhandel erworbene Ausstattung entsprach jedoch nicht den studentischen Wohnbedingungen, sondern eher einer bürgerlichen Wohnsituation. 1985/86 wurde das Gebäude neu gestaltet und mit Dachgauben ausgestattet. Die Möbel wurden nun entfernt und in den Räumen eine Dokumentation zum Leben Otto von Bismarcks eingerichtet.

Erwähnung in der Literatur

Das Bismarckhäuschen findet in dem Lied Göttingen des Liedermachers Franz Josef Degenhardt Erwähnung: "Geh in den Bismarckturm und lass mich führen, der blinde Rentener schnarrt so wie ein Korpsstudent, zeigt Bismarcks Säbelschläger für Mensuren und Band und Mütze für ein blutbeflecktes Hemd."[1] Der erwähnte alte Mann war jedoch kein Korpsstudent gewesen, sondern es handelte sich um den Sohn des bekannten Göttinger Gewerkschaftsfunktionärs Wilhelm Großkopf und Schwiegervater des langjährigen Abgeordneten der DKP im Göttinger Stadtrat.[2] Degenhardt verwechselte begrifflich Bismarckturm und -häuschen.

Quellen

  1. Franz Josef Degenhardt: Lullaby zwischen den Kriegen (1983). CD. Polydor/Universal
  2. C. Gottschalk: Geschichten im Grünen: Wall In: Göttingen zu Fuß (herausgegeben von C. Gottschalk) 1992;VSA-Verlag Hamburg ISBN 3-87975-593-0 (vergriffen)

Siehe auch

Weblinks

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