Franz Josef Degenhardt

Franz Josef Degenhardt

Franz Josef Degenhardt (* 3. Dezember 1931 in Schwelm, Provinz Westfalen; † 14. November 2011 in Quickborn, Schleswig-Holstein)[1] war ein deutscher Liedermacher, Schriftsteller und promovierter Rechtsanwalt.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Franz Josef Degenhardt, geboren 1931 am östlichen Rand des Ruhrgebiets, wuchs in einer streng katholischen Familie auf (sein Vetter Johannes Joachim Degenhardt war Erzbischof von Paderborn). Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Köln und Freiburg 1952–1956 und Ablegen des ersten juristischen Staatsexamens 1956 sowie des zweiten juristischen Staatsexamens 1960 arbeitete er ab 1961 für das Institut für Europäisches Recht der Universität des Saarlandes. Er promovierte 1966 mit einer Studie über Die Auslegung und Berichtigung von Urteilen des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften. 1968 verteidigte Degenhardt als Rechtsanwalt in mehreren Prozessen Sozialdemokraten oder Kommunisten, die wegen Aktionen der APO angeklagt waren. 1972/73 verteidigte er Mitglieder der Baader-Meinhof-Gruppe.[2]

1961 trat Degenhardt der SPD bei, wurde jedoch 1971 ausgeschlossen, weil er in Schleswig-Holstein zur Wahl der DKP aufgerufen hatte. 1978 trat er in die DKP ein.

Als Liedermacher war er eine Stimme der 68er-Bewegung, engagierte sich für die Ostermarschbewegung, die Proteste gegen den Vietnamkrieg, die Notstandsgesetze, den Radikalenerlass.[3] Seine ersten Auftritte hatte er auf den Burg-Waldeck-Festivals. 1965 erschien sein Album Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, dessen Titellied ihn berühmt machte. 1967 produzierte er im Quartett mit Hanns Dieter Hüsch, Wolfgang Neuss und Dieter Süverkrüp die gemeinsame Platte Da habt ihr es!. Im Album Wildledermantelmann (1977) kritisierte er die sozial-liberale Einstellung vieler seiner ehemaligen Kampfgenossen. Er schrieb auch eine deutsche Fassung des Songs Here’s to you über Sacco und Vanzetti.

Degenhardt trat bei den UZ-Pressefesten der DKP sowie bei zahlreichen Konzerten der westdeutschen Friedensbewegung auf. In mehreren Liedern setzte er sich mit dem Zweiten Weltkrieg, dem Vietnamkrieg und der Gefahr eines Atomkriegs auseinander.

Er verfasste mehrere Romane mit zum Teil autobiografischen Zügen, in denen meist Rechtsanwälte oder Liedermacher die Protagonisten sind, unter anderem Brandstellen, Für ewig und drei Tage und Der Liedermacher. Sein Roman-Erstling Zündschnüre (1973) erzählt den Alltag und die Abenteuer einiger Arbeiterkinder am Ende des Zweiten Weltkriegs in der Kleinstadt Schwelm in der Nähe von Wuppertal. Er war ein großer Erfolg und wurde fürs Fernsehen verfilmt.[3] Sein zweiter Roman Brandstellen erzählt vom Widerstand einer Bürgerinitiative gegen einen Truppenübungsplatz der NATO. Als literarischer Anstoß diente der (vergebliche) Kampf der Gemeinde Klausheide gegen den NATO-Bombenabwurfplatz Nordhorn Range in den Jahren 1971 bis 1973. Der Roman wurde 1977 von der DEFA (DDR) verfilmt (Drehbuch Gerhard Bengsch, Regie Horst E. Brandt).[3] Im Kulturmaschinen-Verlag erscheint zu Degenhardts 80. Geburtstag eine Werkausgabe seiner belletristischen Arbeiten.[4]

Degenhardt war seit 1983 bis zum Ende der DDR korrespondierendes Mitglied der Akademie der Künste der DDR. Er trat seit den 1970er Jahren mehrmals beim Festival des politischen Liedes auf.

Seine beiden Söhne Jan Degenhardt und Kai Degenhardt veröffentlichten als Liedermacher ebenfalls Soloalben. Degenhardt war ein Cousin des 2002 verstorbenen Paderborner Kardinals Johannes Joachim Degenhardt und Schwager der Illustratorin Gertrude Degenhardt, die für ihn mehrere Plattencover illustrierte.

Franz Josef Degenhardt wohnte in Quickborn, Kreis Pinneberg. Dort verstarb er am 14. November 2011 im Kreise seiner Familie.

Werke

Diskografie

  • 1963: Rumpelstilzchen (ursprünglich: „Zwischen Null Uhr Null und Mitternacht“)
  • 1965: Spiel nicht mit den Schmuddelkindern
  • 1966: Väterchen Franz
  • 1968: Wenn der Senator erzählt
  • 1968: Live 68 (Live)
  • 1969: Im Jahr der Schweine
  • 1971: Wallfahrt zum Big Zeppelin (Live)
  • 1972: Mutter Mathilde
  • 1973: Kommt an den Tisch unter Pflaumenbäumen (mit einer Ballade über Joß Fritz)
  • 1975: Mit aufrechtem Gang
  • 1977: Wildledermantelmann
  • 1978: Liederbuch (Live, ursprünglich 2 LP)
  • 1980: Der Wind hat sich gedreht im Lande
  • 1982: Du bist anders als die anderen
  • 1983: Lullaby zwischen den Kriegen
  • 1985: Vorsicht Gorilla!
  • 1986: Junge Paare auf Bänken (Lieder von Georges Brassens)
  • 1987: Da müssen wir durch
  • 1988: Jahreszeiten
  • 1989: Aus diesem Land sind meine Lieder (Live, 2 CD)
  • 1990: Wer jetzt nicht tanzt
  • 1992: Und am Ende wieder leben
  • 1993: Nocturne
  • 1994: Aus dem Tiefland
  • 1996: Weiter im Text
  • 1998: Sie kommen alle wieder – oder? (Live)
  • 2000: Cafe nach dem Fall
  • 2002: Quantensprung
  • 2006: Dämmerung
  • 2008: Dreizehnbogen

Sampler, Singles, EPs, Sonstiges

  • 1963: Zwischen null Uhr null und Mitternacht, LP Polydor 46593
  • 1964: Mitternachts-Bänkel Songs, EP Polydor J73 551
  • 1965: Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, LP Polydor 2428 121
  • 1965: Wölfe mitten im Mai (oder August der Schäfer), LP
  • 1967: Da frierst du vor Gemütlichkeit, LP Polydor H 840
  • 1968: Adieu Kumpanen, LP Polydor H872/4
  • 1969: Vatis Argumente/P.T. aus Arizona (Single) Polydor 53 026
  • 1969: Porträt, 2 LP LP Polydor 2638 009
  • 1970: Degenhardt, Schütt& Wandrey LIVE (25. Dezember 1970 Rote Rille)
  • 1971: Degenhardt, Schütt & Wandrey
  • 1971: Franz Josef Degenhardt, 3LP Polydor 827 972-1
  • 1972: Sacco und Vanzetti/Befragung eines Kriegsdienstverweigerers (Single) Polydor 2041 252
  • 1974: Meine Lieblingssongs, LP Polydor 2371 466
  • 1974: Portugal/Chile (Single) Polydor 2041 568
  • 1974: Der frühe Degenhardt, 4 LP Polydor 2630 089
  • 1978: Starstunden – Väterchen Franz, LP Polydor 2416 185
  • 1981: Der ganze Degenhardt (12LP +1 Maxi LP in einer Box), Polydor 2630 126
  • 1981: Durch die Jahre, LP Polydor 2459 242
  • 1985: Jahreszeiten (Maxi), Polydor 835 628-2
  • 1987: Ich laß dich…/Am Spion (Single) Polydor 887 150-7
  • 1996: Quartett 67 (Live) mit Dieter Süverkrüp, Wolfgang Neuss, Hanns Dieter Hüsch (von bis dahin unveröffentlichter Tonaufnahme aus dem Jahre 1967), 2 CD
  • 1988: Stationen, 2 CD
  • 1989: Von damals und von dieser Zeit, 2 CD
  • 1999: Petroleum und Robbenöl (Hörbuch des gleichnamigen Romans) 2 CD
  • 2003: Krieg gegen den Krieg (Verschiedene Künstler) CD

Romane

  • 1973: Zündschnüre
  • 1974: Brandstellen
  • 1976: Petroleum und Robbenöl oder wie Mayak der Eskimo kam und mein verrückter Vater wieder gesund wurde
  • 1979: Die Mißhandlung oder der freihändige Gang über das Geländer der S-Bahn-Brücke
  • 1982: Der Liedermacher
  • 1985: Die Abholzung
  • 1991: August Heinrich Hoffmann, genannt von Fallersleben
  • 1998: Für ewig und drei Tage

Liederbücher

  • 1969: Spiel nicht mit den Schmuddelkindern (Illustrationen: Eduard Prüssen)
  • 1970: Im Jahr der Schweine
  • 1974: Laßt nicht die roten Hähne flattern
  • 1978: Kommt an den Tisch unter Pflaumenbäumen, alle Lieder mit Noten bis 1975, rororo 5774, Reinbek bei Hamburg, ISBN 3-499-15774-8 (1984 auch als Ala Kumpanen – Sangesbrüder bei Reclam in Leipzig veröffentlicht)
  • 1987: Reiter wieder an der schwarzen Mauer
  • 2006: Die Lieder

Filmografie

Drehbuchvorlage

  • 1974: Zündschnüre (nach seinem gleichnamigen Roman)
  • 1978: Brandstellen (nach seinem gleichnamigen Roman)

OFF-Sprecher

  • 1987: Tango du Midi (Sprechrolle)

Komponist

  • 1974: Zündschnüre (Originalmusik)

Weitere Auftritte

Auszeichnungen

Würdigungen

  • Ingar Solty: „Der Chronist der Schmuddelkinder. Zum 75. Geburtstag von Franz Josef Degenhardt“. In: Das Argument – Zeitschrift für Philosophie und Sozialwissenschaften 268, 48. Jg., 5/2006, S. 448–451.
  • Thomas Rothschild: „Franz Josef Degenhardt wird 75. Antworten auf die Widersprüche des Systems“. In: Folker, 6/2006.
  • Ingar Solty: „Franz Josef Degenhardt“. In: Killy Literaturlexikon. 2. vollst. überarb. Aufl. in 13 Bänden, Band 2 (Boa-Den).

Literatur

  • Adelheid Maske, Ulrich Maske: Das werden wir schon ändern. Franz Josef Degenhardt und seine Lieder. Weltkreis-Verlag, Dortmund 1977, ISBN 3-88142-180-7.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Mitteilung zum Tod von Franz Josef Degenhardt bei seinem Verlag Kulturmaschinen.
  2. Presseerklärung von zwölf Rechtsanwälten, darunter Degenhardt, vom 22. Januar 1973 zum Hungerstreik von 17 Häftlingen, dort „politische Gefangene“ genannt. In: Kritische Justiz, 6 (1973), S. 63. Nach Georg Fülberth: Geschichte der Bundesrepublik in Quellen und Dokumenten. Köln 1983, S. 364.
  3. a b c Illustrierte Geschichte der deutschen Literatur in sechs Bänden, v. Anselm Salzer u. Eduard von Tunk, neu bearb. v. Claus Heinrich u. Jutta Münster-Holzlar, Bd. VI, Köln o. J., S. 292.
  4. Buchmarkt. Printausgabe Nr. 11, November 2011, 46. Jahrgang, S. 8, Werkausgabe – Degenhardt komplett.

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