Am Fenster

Am Fenster

Am Fenster ist ein Lied der Gruppe City, das 1977 auf Schallplatte veröffentlicht wurde. Komponiert wurde der Song bereits 1974 von City. Arrangeur war Georgi Gogow, der Text stammt von Hildegard Maria Rauchfuß. Das Lied gilt als Klassiker der DDR-Rockmusik.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

1974 experimentierten die City-Mitglieder Georgi Gogow und Klaus Selmke mit bulgarischer Folkmusik, wobei Gogow eine Geige spielte, die der Onkel von Klaus Selmke der Band gestiftet hatte. Der damalige Sänger Emil Bogdanow brachte den 1970 erschienenen Gedichtband Versuch es mit der kleinen Liebe der Leipziger Schriftstellerin Hildegard Maria Rauchfuß (1918–2000) mit, der das Gedicht Am Fenster enthielt. Die Komposition entstand, und das Lied Am Fenster wurde auf Konzerten gespielt. Die DDR-Plattenfirma Amiga weigerte sich aber damals, das Lied für eine Single aufzunehmen, da es mit fast sieben Minuten länger als üblich war und die Geige als unpassend angesehen wurde. Später floh Bogdanow nach Schweden, weil er zum Militärdienst eingezogen werden sollte. Statt ihm kam Toni Krahl in die Band. Krahl studierte das Lied ein. Bei einer Probeaufnahme 1976 vergaß Krahl den Text der dritten Strophe und wiederholte die zweite Strophe. Die Tonbandaufnahme wurde an Moderatoren der Rundfunksendungen Beatkiste und Notenbude weitergegeben, die sie spielten. Die Aufnahme wurde so populär, dass sie für die Single ausgewählt wurde. Sie erschien 1977 bei Amiga mit der B-Seite Mein alter Freund, und im selben Jahr mit der B-Seite Traudl bei Telefunken in der Bundesrepublik Deutschland. Von der Amiga-Single wurden 100.000 Stück verkauft, die Pressung musste vier Mal wiederholt werden. Der Titel wurde in Diskotheken mehrmals an einem Abend gespielt.[1] Aufgrund des Erfolgs von Am Fenster durfte City fortan in Westdeutschland auftreten. 1978 erschien dort Am Fenster als Maxi-Single mit der B-Seite Aus der Ferne beim Plattenlabel Pool.

Dank der Initiative des westdeutschen Musikverlegers und Produzenten Peter Schimmelpfennig, der Amiga mit 25.000 DM unterstützte, erschien 1978 Am Fenster erstmals auf einer Langspielplatte.[2] Auf der Amiga-LP Am Fenster ist das Lied in einer 17 Minuten und 42 Sekunden langen Fassung zu hören, die aus den Teilen Traum, Tagtraum und Am Fenster besteht. Traum und Tagtraum wurden von Georgi Gogow komponiert. Der dritte Teil dauert rund zehn Minuten. In Westdeutschland und Griechenland wurde die gleiche LP unter dem Namen City I im selben Jahr veröffentlicht. Auf der 1980 erschienenen englischsprachigen City-LP Dreamer bzw. Dreamland war das Lied als Window mit einer Länge von sieben Minuten und 33 Sekunden vertreten. Eine kürzere Version von Window hat eine Länge von vier Minuten und drei Sekunden.

Auch in Griechenland war Am Fenster außergewöhnlich erfolgreich, offenbar dank griechischer Gastarbeiter oder Touristen, die das Lied in Griechenland bekannt gemacht hatten. City gewann dort 1978[3] oder 1981[4] als dritte ausländische Gruppe überhaupt eine Goldene Schallplatte. Das Lied wurde auf Zypern alle sechs Stunden als Hintergrundmusik der Kulturnachrichten eines Rundfunksenders verwendet.[5]

1987 wurde in Westdeutschland Am Fenster zusammen mit Hiroshima von den Puhdys auf einer Single von Teldec veröffentlicht. 1997 erschien das City-Best-Of-Album Am Fenster – Das Platin-Album. Insgesamt wurde es mehr als zehn Millionen Mal verkauft.[6]

Im Film Der Zimmerspringbrunnen wird Am Fenster als Filmmusik verwendet.

Beschreibung

City bestand zum Zeitpunkt der Aufnahme aus den Musikern Toni Krahl (Gesang), Georgi Gogow (Violine und E-Bass), Fritz Puppel (Gitarre) und Klaus Selmke (Schlagzeug).

Am Fenster dauert in der Originalversion 6 Minuten und 56 Sekunden. Das Lied ist in G-Moll komponiert und hat in der Gitarrenversion ausschließlich die Akkorde G-Moll und F-Dur.

Die LP-Version von Am Fenster enthält zwei Teile vor dem eigentlichen Lied. Traum beginnt mit dem leise gespielten Solo einer akustischen Gitarre, die in ostinate Akkordfolgen übergehen, die bis zum Ende von Traum anhalten. In diese stimmt nach rund einer Minute die Geige ein und lässt damit die Melodie des eigentlichen Liedes erahnen. Das Stück wird lauter, und die Geigenstimme erscheint zum Teil verzerrt. Schließlich sind zwei und mehr Geigenstimmen zu hören. Nach rund fünf Minuten erfolgt ein unvermittelter Abbruch.

Es folgt eine Klangcollage aus Weckerticken, Glockenläuten, Schritten, dem Abreißen von Papier, dem Öffnen und Schließen einer Tür, einem klappernden Fenster, einem Löffel, der auf Geschirr gelegt wird, einem einzelnen Gitarrenton, unterlegt mit dem Spiel der Glocken. Die akustische Gitarre setzt vorsichtig ein, wie bei einer Probe, die Glocken werden ebenfalls zögerlich gespielt. Dazu hört man im Hintergrund Straßenlärm, wie an einem offenen Fenster. Eine Stimme summt leise und scheinbar unsicher die Melodie von Am Fenster. Später wird die Melodie kurz gepfiffen und die Gitarre spielt die Töne des Schlussakkords von oben nach unten. Währenddessen ist das Weckerticken immer noch zu hören.

Unmittelbar danach setzen Geige und eine keyboard-artig klingende E-Gitarre kraftvoll mit dem eigentlichen Lied ein. Anfangs ist auch das Ticken des Weckers noch zu hören. Wenig später spielt auch das Schlagzeug, treibend, aber leise und weitgehend auf dem gleichmäßigen Schlagen der Bass Drum beruhend. Schließlich beginnt der Sänger expressiv, mit leicht heiserer Stimme die ersten beiden, jeweils vierzeiligen Strophen. Danach singt er Silbenfolgen, zum Beispiel aus „na“ und „nei“ bestehend. Der Silbengesang wird lauter, bis erneut Geige, Gitarre und Schlagzeug allein übernehmen. Dabei setzt auch das Schlagzeug Akzente. Die Geige wird nun zeitweise pizzicato gespielt. Später wird sie wieder gestrichen und mit zahlreichen, teils elektronischen Effekten gespielt. Bei der Rückkehr zum Thema ist die Lautstärke hoch. Erst nach rund sechs Minuten setzt der Sänger mit der dritten Strophe ein. Anschließend folgt erneut Silbengesang und ein Wechselspiel von akustischer Gitarre und Geige. Die E-Gitarre spielt hier wieder das Ostinato. Abermals spielt die Geige mit elektronischen Effekten und kehrt dann mit der E-Gitarre zum Thema zurück. Der Sänger wiederholt die dritte Strophe und den Silbengesang, diesmal aber lauter. Er endet eine Sekunde oberhalb des Grundtons. Die Geige spielt noch einige Takte solo, bevor die drei Instrumente etwas unvermittelt den Schlussakkord setzen. Dabei spielt die Geige eine Quinte über dem Grundton.

Der von tiefer Melancholie und lyrischer Verschlüsselung geprägte Text handelt von einem Menschen auf der Innenseite eines Fensters, der sich nach bleibender, tief fühlender Liebe statt nach rauschhaften Erlebnissen sehnt. Er klagt über die schweren Seiten seines Lebens.

Versionen anderer Musiker

Das Lied wurde 2001 auch von Scooter in einer Techno-Version veröffentlicht.

2002 wurde es von den Puhdys in einen Medley gemeinsam mit anderen bekannten DDR-Rocksongs verarbeitet und auf ihrem Album Undercover veröffentlicht.

Platzierungen

Auszeichnungen

  • 1978: Goldene Schallplatte in Griechenland (nach anderen Angaben 1981)
  • 1987: Goldene Schallplatte in der Bundesrepublik Deutschland für die LP City mit Am Fenster (nach anderen Angaben 1979)

Ausgaben (ohne Kompilationen)

Singles

  • 1977: Am Fenster (Amiga)
  • 1977: Am Fenster (Telefunken)
  • 1978: Am Fenster (EPIC, Griechenland)
  • 1987: Am Fenster (Teldec)

Alben

  • 1978: Am Fenster (mit Traum und Tagtraum) auf Am Fenster (Amiga)
  • 1978: Am Fenster ((mit Traum und Tagtraum) auf City I (Telefunken)
  • 1978: Am Fenster ((mit Traum und Tagtraum) auf City I (EPIC)
  • 1980: Window auf Dreamer (Amiga)
  • 1981: Window auf Dreamland (Teldec-Pool)
  • 1981: Window auf Dreamland (EPIC)

Sonstiges

City spielten in Konzerten über 5000 Stunden Am Fenster.[8] Das 2002 erschienene City-Album Am Fenster 2 enthält zwar nicht das Stück Am Fenster, jedoch heißt das erste Lied Flieg’ ich um die Welt, wie die Schlusszeile von Am Fenster.

Literatur

  • Thomas Otto: City – Am Fenster. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 1997, ISBN 3-89602-123-0

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Porträt bei ostmusik.de, abgerufen am 24. Juli 2011
  2. Pressebericht bei ostmusik.de, abgerufen am 27. Juli 2011
  3. Bernd Lindner: DDR Rock & Pop. Komet, Berlin 2008, ISBN 978-3898367158
  4. Chronik der Wende zu Toni Krahl, abgerufen am 25. Juli 2011
  5. Christian Hentschel: Du hast den Farbfilm vergessen und andere Ostrockgeschichten. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2000, ISBN 3-89602-317-9, S. 177
  6. Bericht in Super-Illu, abgerufen am 24. Juli 2011
  7. Götz Hintze: Rocklexikon der DDR. 2. Auflage. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2000, ISBN 3-89602-303-9, S. 322
  8. a b 5000 Stunden ‚Am Fenster‘, abgerufen am 26. Juli 2011

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Fenster — Fenster, Oeffnungen, die dazu dienen, dem Innern der Gebäude Licht und Luft zuzuführen; von ihrer Form und Größe sowie ihrer Anzahl hängt mehr oder minder sowohl die äußere Erscheinung als auch die Zweckmäßigkeit der baulichen Anlage ab. Damit… …   Lexikon der gesamten Technik

  • Fenster Post Tenebras Lux — In …   Deutsch Wikipedia

  • Fenster — Fenster: Die festen Wohnstellen der Germanen waren in der ältesten Zeit Flechtwerkbauten, später auch Holzhäuser. Daran erinnern alte Bezeichnungen wie ↑ Wand (ursprünglich »Gewundenes, Geflecht«) und ↑ Zimmer (ursprünglich »Bauholz; Holzbau«).… …   Das Herkunftswörterbuch

  • Fenster — (v. lat. fenestra), Öffnungen in den Umfangswänden der Gebäude, durch die den Räumen Licht und Luft zugeführt werden, und die in der Regel Verschlußvorrichtungen erhalten; dann auch diese Verschlußvorrichtungen selbst. Die Größe der… …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

  • Fenster — [Basiswortschatz (Rating 1 1500)] Auch: • Schaufenster Bsp.: • Mach bitte das Fenster zu! • Ihre neue Karte ist im Schaufenster. • Schau aus dem Fenster, man kann das Meer sehen …   Deutsch Wörterbuch

  • fenster-promenada — fènster promenáda ž <G fènster promenádē> DEFINICIJA reg. zast. šetnja ispod nečijeg prozora (ob. o momku koji šeće ispod djevojčina prozora) ETIMOLOGIJA njem. Fensterpromenade …   Hrvatski jezični portal

  • fenster-serenada — fénster serenáda ž DEFINICIJA reg. zast. podoknica ETIMOLOGIJA njem. Fenster: prozor + v. serenada …   Hrvatski jezični portal

  • Fenster zum Sonntag — ist eine wöchentliche, halbstündige, christliche Fernsehsendung im Schweizer Fernsehen auf SF zwei und SF info. Sie wird gemeinsam von der Alphavision und ERF Medien produziert. Seit 2003 wird die Sendung in neuer Zusammenstellung vom deutschen… …   Deutsch Wikipedia

  • Fenster [1] — Fenster, die Öffnung in den Umfassungsmauern, durch welche der innere Raum eines Gebäudes erleuchtet wird. Die Größe der F. richtet sich nach dem Zwecke, den das Gebäude hat; unbedeutende Gebäude erhalten kleinere, wichtigere aber größere F.;… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Fenster [2] — Fenster, 1) (Glash.), so v.w. Arbeitsloch; 2) Öffnung in Maschinen, um den innern Gang derselben zu besehen; 3) (Uhrm.), Öffnung in der oberen Uhrplatte über dem Eingriffe eines Rades u. Getriebes, um denselben beobachten zu können; auch die… …   Pierer's Universal-Lexikon

  • Fenster, ovales — und rundes, Teile des innern Ohrs, s. Ohr …   Meyers Großes Konversations-Lexikon

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”