Carl Wilhelm Ferdinand Guhr

Carl Wilhelm Ferdinand Guhr

(Karl) Carl Wilhelm Ferdinand Guhr (* 27. Oktober 1787 in Militsch, Schlesien; † 23. Juli 1848 in Frankfurt am Main) war ein deutscher Violinenspieler, Komponist und seit 1821 bis zu seinem frühen Tod Theaterkapellmeister sowie Musikunternehmer in der freien Reichsstadt Frankfurt am Main.

Inhaltsverzeichnis

Familie

Er stammte aus einer Musikerfamilie. Sein Vater war Carl Christoph Guhr, ein Kantor an der evangelischen Gnadenkirche in Militsch/Militschau (heute poln. Milicz), ca. 55 km nördlich von Breslau/Schlesien mit damals ca. 3.300 überwiegend evangelischen Einwohnern. Diese Kirche war eine der sechs schlesischen Gnadenkirchen, die der österreichische Kaiser 1709 den schlesischen Lutheranern gewähren musste. 1797/98 ließ Graf Joachim Carl von Maltzan in Militsch, der viele Jahre Gesandter Friedrich des Großen an den Höfen von Wien, London und Petersburg war, durch Carl Gottfried Geißler ein neues Schloss im klassizistischen Stil erbauen. Der Graf unterhielt bis 1810 eine kleine Schlosskapelle mit fest besoldeten Musikern, zu denen auch sein Vater Carl Christoph Guhr gehörte. Aus dieser Kapelle entwickelte sich 1811 der erste Konzertverein Schlesien, dessen Leitung sein jüngerer Bruder Friedrich Heinrich Florian Guhr (* 17. April 1791–1841) übernahm.

Ausbildung

Laut Meyers Konversations-Lexikon von 1888 erhielt Carl Wilhelm Ferdinand Guhr seine musikalische Grundausbildung durch seinen Vater Carl Christoph Guhr, der ihm dann eine Aufnahme als Geiger in der Hofkapelle des Grafen von Maltzan ermöglichte. Von den Komponisten und Kirchenmusikern Joseph Ignaz Schnabel (1767–1831) und später Friedrich Wilhelm Berner (1780–1827) im nahen Breslau wurde er weiter ausgebildet. Auch Georg Joseph Vogler, auch Abbé Vogler oder Abt Vogler (1749–1814) genannt, war später sein Lehrer.

Werdegang

Carl Wilhelm Ferdinand Guhr verließ seine schlesische Heimat. Ein Grund dürften auch die Napoleonischen Kriege gewesen sein, die diese Gegend erneut verwüsteten und Militsch arm machten. Auch wurde die feudale Abhängigkeit der Stadt vom Grafen Maltzan aufgehoben.

Würzburg

Ab 1807 war Guhr Kammermusiker für Violine im Großherzogtum Würzburg, das unter seinem Habsburger Großherzog Ferdinand, dem ehemaligen Großherzog der Toskana, seit 1806 dem sog. Rheinbund angehörte.

Nürnberg

Joseph Reuter übernahm zur Freude der Nürnberger die Theaterdirektion und übertrug 1808 Guhr die Stelle eines Musikdirektors. In dieser Stadt, die seit 1806 zum neuen Königreich Bayern gehörte, errang Guhr schnell berufliche und private Erfolge. Er trat mehrfach als gefeierter Violoncellist auf und komponierte einige kleinere Opern. Hier lernte er die 18-jährige Sängerin Wilhelmine Epp (1792–1845) kennen und heiratete sie.

Wiesbaden

1812/13 wurde er musikalischer Leiter der reisende Schauspiel- und Operntruppe des Großherzogtums Nassau-Usingen in Wiesbaden, das unter Friedrich-August (Hessen-Nassau) 1806 dem Rheinbund beigetreten war. Nach der Völkerschlacht bei Leipzig vom 16. bis 19. Oktober 1813 fällt das napoleonische Machtsystem zusammen. Das Herzogtum Hessen-Nassau trat aus dem Rheinbund aus und wechselte noch rechtzeitig die Seiten. In Wiesbaden lernte er den noch nicht restituierten Kurfürst Wilhelm I. kennen, der nicht dem Rheinbund beigetreten war und daher durch Napoleons Bruder Jérôme exiliert wurde. Kurfürst Wilhelm I. galt immer noch, u.a. durch seinen Soldatenhandel, als einer der reichsten deutschen Fürsten seiner Zeit, und es gelang ihm mit Hilfe des Frankfurter Bankiers Mayer Amschel Rothschild, dieses Vermögen auch über die napoleonische Zeit hinweg zu retten.

Kassel

Am 26. Oktober 1813 verließ König Jérôme fluchtartig Kassel, die Hauptstadt des von ihm regierten Königreichs. Am 21. November 1813, nach siebenjährigem Exil, traf der rechtmäßige Landesherr, Kurfürst Wilhelm I., wieder in seiner Hauptstadt Kassel ein. Anfang 1814 wurde das Kurfürstliche Hoftheater in Kassel wieder eröffnet und Guhr das Amt des Musikdirektor und zugleich Direktors des kurfürstlichen Theaters angetragen, welches er zunächst auch annahm. Bald zählte das Schauspiel und die Oper unter den besten Spielstätten im damaligen zerrütteten nachnapoleonischen Deutschland. In der Oper glänzte neben anderen Sängerinnen seine Ehefrau Wilhelmine Epp. Ende 1814 legt Guhr die Direktion des Theaters nieder und konzentrierte sich auf die Oper. Hier schrieb er eigene Werke und führte sie auf. Das erste Werk war die Musik zur Oper „Feodore und Deodata“ von Kotzebue. Das weite Werk bestand fast nur aus Chören, Tänzen und Romanzen. Das dritte Werk war „die Vestalin“. Im Jahr 1819 komponierte er die Oper „König Siegmar“. Schon bald kam es zu Auseinandersetzungen mit der Kasseler Theaterintendanz, da man versuchte den kostspieligen Opernbetrieb zugunsten des Sprechtheaters zu beschneiden. Am 27. Februar 1821 stirbt Kurfürst Wilhelm I.

Frankfurt am Main

Im Winter 1821 wechselte Guhr schließlich an das städtische Theaterorchester in Frankfurt und wurde zum Kapellmeister ernannt. Hier wurde er zuerst auf sechs Jahre, bald darauf auf 22 Jahre engagiert.

Louis Spohr war von Winter 1817 bis September 1819 Vorgänger von Carl Wilhelm Ferdinand Guhr als Kapellmeister in Frankfurt am Main. Spohr galt neben Paganini als berühmteste Violine-Virtuose seiner Zeit und damals als führender Komponist der Romantik. Spohr verließ diese Stelle um eine ruhmgekrönte größere Konzertreise, sowie ausgiebige Kunstreisen nach Belgien und Paris zu unternehmen. Bizarrer weise wurde Louis Spohr 1822 in Kassel, nunmehr unter der Herrschaft von Kurfürst Wilhelm II. als Nachfolger von Guhr zum Generalmusikdirektor ernannt.

Guhr traf und hörte in Frankfurt Niccolò Paganini. Er bewunderte ihn sehr und reiste dem Virtuosen in verschiedene Städte zu dessen Konzerten nach. Auch soll er eine Zeit lang mit dem Italiener in einem Streichquartett gespielt haben. Auch Guhr war ein genialer Musiker und namentlich als Operndirigent von ungewöhnlicher Tüchtigkeit. So besaß er u.a. eine außerordentliche Fertigkeit Partituren zu lesen, ein feines musikalisches Ohr und ein selten gut entwickeltes Gedächtnis. Nur so war es ihm möglich, die noch ungedruckten Kompositionen Paganinis nur nach seinem Gehör aufzuschreiben und die Fülle von spieltechnischen Besonderheiten Paganinis darzustellen und zu überliefern. In seiner vielbeachteten Schrift „Über Paganinis Kunst, die Violine zu spielen“ 1829 hat er diese Gedanken veröffentlicht. Daneben hatte Guhr zahlreiche Kontakte zu bekannten Musikerpersönlichkeiten seiner Zeit, so u.a. zu Richard Wagner und Felix Mendelssohn Bartholdy und dirigierte viele Werke Beethovens. Sein Führungsstil scheint schon früh legendär gewesen zu sein („sicherer, strenger und despotischer Dirigent“ (R. Wagner)), auch als Violine- und Klaviervirtuose war er seinerzeit sehr bekannt. Er komponierte u.a. heute vergessene Opern, Instrumentalwerke und Kirchenmusik, sowie auch (kontrapunktisch gut ausgearbeitete) Messen und Sinfonien.

Auch beendete er sein Angestelltenverhältnis wurde selbstständiger Musikunternehmer. Er übernahm auch die wirtschaftlichen Risiken der Oper- und Konzertaufführungen in Frankfurt am Main. Zusätzlich betätigte er sich nebenbei als Musikalienhändler. Als Sammler von Bach-Autographen war er in seiner Zeit bekannt. Schon während seiner Nürnberger Zeit nahm er die Gelegenheit war, die Sammlung zu erwerben.

Ende

Carl Wilhelm Ferdinand Guhr lebte lange vor den Toren der Stadt Frankfurt am Main in dem zu Kurhessen gehörenden Dorf Bockenheim. Hier wohnte er mit seiner Ehefrau, der Sängerin Wilhelmine Epp (1792–1845) bis zu seinem Tode 1848 in der Frankfurter Straße (nach der Eingemeindung Leipziger Straße Nr. 9) im sechseckigen, 1826 vom Architekten und späteren Bürgermeister Philipp Brandt gebauten Haus. Dieses noch existierende Haus nennt man heute, nach einem späteren Eigentümer, Delkeskampsche Haus. Begraben wurde er auf dem alten Bockenheimer Friedhof an der Solmsstraße. Nur ein Foto seines Grabsteins von 1905 ist heute erhalten. Sein Grab wurde 1909 anlässlich von Bauarbeiten zur Verbreiterung der Solmsstraße geöffnet. Den dabei gefundenen Taktstock übergab man dem Historischen Museum der Stadt. Auch eine 1953 von August Bischoff im Auftrag der Stadt Frankfurt am Main geschaffene, hier angebrachte, ehrende Gedenktafel für die hier bestatteten Bockenheimer Künstler Friedrich Wilhelm Delkeskamp, Carl Wilhelm Ferdinand Guhr und Anton Felix Schindler auf dem alten Bockenheimer Friedhof an der Solmsstraße ist verschwunden.

Guhrs Todesjahr 1848

In diesem Jahr überschlugen sich die politischen und wirtschaftlichen Ereignisse und traten besonders in Frankfurt deutlich hervor. So entschied Ende März 1848 das sog. Vorparlament die Wahl der Deutschen Nationalversammlung in Frankfurt am Main.

Auswahl seiner Werke

Literatur

  • Die Tonkünstler Schlesiens. Ein Beitrag zur Kunstgeschichte Schlesiens vom Jahre 960 bis 1830, Verfasst und herausgegeben von Carl Julius Adolph Hofmann, Chor-Direktor an der kath. Stadt Pfarrkirche und Lehrer des Gesangs am königlichen Gymnasium zu Oppeln, Breslau 1830
  • Kleines biographisches Lexikon der Violinisten: vom Anfang des Violinspiels von Friedrich Frick, ISBN 3837039072
  • Carl Gollmick, Nekrolog, Frankfurt/a.M. 1848, zum Tod von Carl Wilhelm Ferdinand Guhr
  • Lebensdaten von Carl Wilhelm Ferdinand Guhr
  • Epp, Wilhelmine, Schauspielerin u. Sängerin in Nürnberg. Verheiratet mit Karl Wilhelm Ferdinand Guhr, Kapellmeister, Komponist u. Musikschriftsteller in Frankfurt/Main. 1792 - 1845. Brustbild im Profil nach rechts im Oval, unten Notenheft u. Maske. Aquatintastich von L.H. Hessell um 1810. 102 x 68 mm.

Weblinks


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