- Christian von Holst
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Christian von Holst (* 19. August 1941 in Danzig) ist ein deutscher Kunsthistoriker. Von 1994 bis 2006 war er Direktor der Staatsgalerie Stuttgart.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Nach dem Abitur am Nordpfalzgymnasium in Kirchheimbolanden und der Teilnahme an Oskar Kokoschkas „Schule des Sehens“ in Salzburg im Sommer 1960 studierte von Holst Kunstgeschichte, Theaterwissenschaften und Klassische Archäologie in München, Florenz und Berlin. Stipendien des Deutschen Akademischer Austauschdienstes (DAAD) und der Stiftung Volkswagenwerk ermöglichten ihm 1966 und 1967 längere Studienreisen in Italien, Frankreich, England und quer durch die Vereinigten Staaten von Amerika. Im Oktober 1968 promovierte er an der Freien Universität Berlin mit einer Arbeit über Francesco Granacci, einen Schüler Domenico Ghirlandaios und Jugendfreund Michelangelos.
Von Januar 1969 bis Ende 1974 war er Mitglied des Kunsthistorischen Instituts in Florenz: zunächst zwei Jahre als Stipendiat, von 1971 an als wissenschaftlicher Assistent. Sein Forschungsschwerpunkt lag im Bereich der Malerei und Skulptur der florentinischen Früh- und Hochrenaissance. Nebenbei kuratierte er die deutschen Sektionen bei den Gemälde- und Graphikbiennalen im Palazzo Strozzi. Enge Beziehungen bestanden zur Villa Romana und deren Künstler. 1971 veranstaltete von Holst in der Accademia delle Arti del Disegno die erste Villa Romana-Ausstellung in Florenz.
Von 1975 bis 2006 arbeitete von Holst an der Staatsgalerie Stuttgart. Er begann als Referent für Malerei und Plastik des 19. Jahrhunderts sowie für Öffentlichkeitsarbeit. 1976 bis 1979 nahm er parallel dazu einen Lehrauftrag an der Universität Stuttgart wahr. Bereits in Florenz mit Umbau- und Erweiterungsplänen des Kunsthistorischen Instituts befasst, wurde von Holst Ende 1977 Baureferent der Neuen Staatsgalerie von James Stirling und 1981 Stellvertreter des Direktors. Nachfolgend wurde er vielfach als Berater bei in- und ausländischen Museumsprojekten (Neubauten und Sanierungsvorhaben) angesprochen. In Jurys von Museumsbauwettbewerben fungierte er als Sachpreisrichter, so zum Beispiel 1983 bei dem Museum für Moderne Kunst von Hans Hollein in Frankfurt, 1999 dem MAXXI (Museo Nazionale delle Arti del XXI Secolo) von Zaha Hadid in Rom, 2001 dem Literaturmuseum der Moderne in Marbach von David Chipperfield oder 2005 dem Porsche Museum von Delugan Meissl in Stuttgart. Nach der Eröffnung des Stirlingbaus im Jahr 1884 war er für das Sanierungskonzept der Alten Staatsgalerie verantwortlich. 1990 entwarf er eine Raumgliederung ihrer Ausstellungssäle in Anlehnung an Stirlings Architektur. 1990/91 bereitete er den Realisierungswettbewerb eines Museums zeitgenössischer Kunst vor, den Arata Isozaki gewann. Die Ausführung kam nicht zustande.
Nach seiner florentinischen Forschungsphase machte sich von Holst mit Ausstellungen zu Gottlieb Schick (1976), Dante (1980), Johann Heinrich Dannecker (1987), Joseph Anton Koch (1989) und dem Großprojekt „Schwäbischer Klassizismus“ zum 150-jährigen Bestehen des Museums (1993) als Kenner der Kunst um 1800 einen Namen.
Von Frühjahr 1994 bis Oktober 2006 war von Holst Direktor der Staatsgalerie Stuttgart. Trotz anfänglich schwieriger Finanzverhältnisse gewann das Haus dank seines engagierten Mitarbeiterstabes und wachsender Förderung von außen an Ansehen und Anerkennung.
Seit 2007 ist er als selbständiger Kunstberater tätig.
Von Holst ist Mitglied
- seit 1989 im Vorstand des Vereins zur Förderung des Kunsthistorischen Instituts in Florenz (Max Planck Institut) e.V.[1]
- seit 2006 im Kuratorium der Sammlung-Dr.-Georg-Schäfer-Stiftung sowie im Beirat des Museum Georg Schäfer in Schweinfurt
- seit 2007 im Beirat der Galerie Stihl Waiblingen.
Leistungen
Die Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart wurde besonders qualifiziert durch
- 1998 – die Einbindung der Sammlung Steegmann als Dauerleihgabe mit ganzen Werkgruppen von Picasso, Klee, Giacometti und anderen
- 1998/99 – Matthias Grünewalds „Stuppacher Madonna“ als Ehrengast und Ausstellungsanlass, wenn auch nur für wenige Monate
- 2003 – den Erwerb der einzigartigen, aus zwölf Tafeln bestehenden „Grauen Passion“ von Hans Holbein dem Älteren, der nur dank der großen Unterstützung durch die Kulturstiftung der Länder und vieler befreundeter Geldgeber möglich war.
Ein Markstein war auch die Errichtung eines Erweiterungsbaues hinter der Alten Staatsgalerie durch Wilfrid und Katharina Steib im Jahr 2002, womit die Graphische Sammlung endlich angemessene Räumlichkeiten erhielt und die Sammlungen erweiterte Ausstellungsflächen.
Hervorzuheben ist außerdem die Zusammenarbeit mit der Beratungsfirma McKinsey & Company. Auf Ausschau nach Verbesserungsmöglichkeiten für das Museum in schwieriger Zeit, wurde von Holst im Herbst 1997 von Dr. Wilhelm Rall, Direktor des McKinsey-Office in Stuttgart, eine Pro Bono-Studie angeboten. Bis Mitte 1998 arbeiteten unter Leitung von Dr. Luca Marighetti vier McKinsey-Fachleute für und in der Staatsgalerie. Das Resultat der Kooperation mit allen Bereichen des Hauses wurde als „Stuttgarter Aufbruch – Neuausrichtung der Staatsgalerie“ in ganz Deutschland und darüber hinaus bekannt. Das Museum gewann auch als Pilotamt zur Erprobung neuer Steuerungselemente an Bedeutung.
Diese basierte zudem auf neuen Aktivitäten, wie z. B. den monatlichen „Kunstnächten“, der ausgeweiteten Öffentlichkeits- und Vermittlungsarbeit sowie der Reihe von jährlichen, besonders erfolgreichen Ausstellungen, wie zu Gauguin, Grünewald, Pissarro, Manet, Picasso und anderen. Deren finanzielle Erträge ermöglichten es, weitere, künstlerisch genauso wichtige, aber nicht ganz so spektakuläre Projekte zu realisieren. Entscheidender war in allen Museumsaktivitäten jedoch die verstärkte Hinwendung zum Betrachter als konstitutivem Element im Dialog mit den Kunstwerken.
Diese intensivierte Besucherorientierung spiegelt sich besonders in den Mitgliederzahlen des Stuttgarter Galerievereins. Der Freundeskreis der Staatsgalerie wuchs von gut 5.000 auf knapp 12.000 Personen im Jahr 2006 an und wurde damit einer der größten seiner Art im deutschsprachigen Raum.
Neben der Herausgabe aller Publikationen der Staatsgalerie zwischen Frühjahr 1994 und Herbst 2006 war von Holst an zwei der sog. Publikumsausstellungen auch direkt beteiligt. Im Jahr 2000 verantwortete er das Projekt „Franz Marc – Pferde“ und 2006, zusammen mit Christofer Conrad, seine Abschiedsschau „Claude Monet: Effet de soleil – Felder im Frühling“, die mit über 260.000 Besuchern die bisher erfolgreichste Ausstellung der Staatsgalerie Stuttgart wurde.[2] Dadurch kam es zu Mehreinnahmen von knapp 1,6 Millionen Euro im Jahr 2006, über die sein Nachfolger Sean Rainbird als stattliches Startkapital verfügen konnte.[3]
Publikationen
- Francesco Granacci. München 1974, ISBN 3-7654-1549-9. (Italienische Forschungen, hrsg. vom Kunsthistorischen Institut in Florenz, Dritte Folge, Band VIII)
- mit Ulrike Gauss: Gottlieb Schick. Ein Maler des Klassizismus. Katalog zur Ausstellung der Staatsgalerie. Stuttgart 1976.
- Dante-Vergil-Geryon. Der 17. Höllengesang in der bildenden Kunst. Katalog zur Ausstellung der Staatsgalerie. Stuttgart 1980.
- Johann Heinrich Dannecker. Der Bildhauer, Katalog zur Ausstellung der Staatsgalerie. Stuttgart 1987, ISBN 3-922608-45-0.
- Joseph Anton Koch, 1768-1839. Ansichten der Natur. Katalog zur Ausstellung der Staatsgalerie (und des Ferdinandeums in Innsbruck 1989/90). Stuttgart 1989, ISBN 3-89322-155-7.
- Schwäbischer Klassizismus zwischen Ideal und Wirklichkeit, 1770-1830. als Herausgeber und Hauptautor, Katalogband zur Ausstellung der Staatsgalerie. Stuttgart 1993, ISBN 3-77570-517-5 (formal falsche ISBN). als Herausgeber und Vorwort des Aufsatzbandes. Stuttgart 1993, ISBN 3-7757-0418-3.
- Franz Marc – Pferde. Katalog zur Ausstellung der Staatsgalerie. Ostfildern 2000, ISBN 3-7757-0923-1.
- mit Christofer Conrad: Claude Monet: Effet de soleil – Felder im Frühling. Katalog zur Ausstellung der Staatsgalerie. Ostfildern 2006, ISBN 3-7757-1749-8.
und anderes sowie wissenschaftliche Aufsätze wie
- Ein Marmorrelief von Pontormo. In: Jahrbuch der Berliner Museen. 8, 1966, S. 204-236.
- Michelangelo in der Werkstatt Botticellis? In: Pantheon. 25, 1967, S. 329-335.
- Joseph Anton Koch – Beobachtungen und Ergänzungen. In: Römische Historische Mitteilungen. 52, 2010, S. 231-302.
Auszeichnungen
- 1997: Schillerpreis der Stadt Marbach am Neckar
- 2005: Chevalier dans l’Ordre des Arts et des Lettres
- 2007: Chevalier dans l’Ordre de la Légion d’Honneur
Quellen
- Christian von Holst zum 65. Geburtstag. Information der Staatsgalerie Stuttgart vom 17. August 2006 (Word-Dokument, 55 KB)
Einzelnachweise
- ↑ Internetpräsenz des Vereines zur Förderung des Kunsthistorischen Instituts in Florenz (Max-Planck-Institut) e.V.
- ↑ Kunststaatssekretär Birk: Direktor von Holst und sein Team haben großartige Leistung vollbracht. Pressemitteilung des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg vom 31. August 2006.
- ↑ Haushaltsrechnung des Landes Baden-Württemberg 2006, Rechnungen der Einzelpläne, Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, Position 1483 Staatsgalerie Stuttgart, Seite 2, "verbliebene Haushaltsreste" PDF
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