Zaha Hadid

Zaha Hadid

Zaha Mohammad Hadid, CBE (arabisch ‏زها حديد‎, DMG Zahā Ḥadīd) (* 31. Oktober 1950 in Bagdad) ist eine aus dem Irak stammende Architektin und Architekturprofessorin britischer Nationalität. Als erste Frau erhielt sie 2004 die bedeutendste Ehrung in der Architektur, den Pritzker-Preis. Im Jahre 2009 wurde ihr der Praemium Imperiale verliehen.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Werk

Zaha Hadids Eltern Wajiha Sabunji (gest. 1983) und Muhammad Hadid (1907–1999) entstammten Familien aus Mosul, die mit Handel, industriellen Investitionen und Immobilien großen Reichtum erlangt hatten. Ihr Vater Muhammad Hadid studierte von 1928 bis 1931 an der London School of Economics, wo er sich auch eine lebenslang anhaltende Bewunderung sowohl für die Ökonomen Sidney Webb, Hugh Dalton, John Maynard Keynes als auch für die sozialdemokratischen Ideen der Fabian Society erwarb.[1] Neben seinem geschäftlichen Engagement wurde er mehrmals Finanzminister und war 1946 Mitbegründer der Iraqi Democratic Party und 1960 der Mitbegründer und Leiter der »Progressive Democratic Party«.[2] Da ihre Eltern einen westlichen Lebensstil pflegten, wuchs Zaha Hadid mit ihren beiden Brüdern in einem der ersten Häuser Bagdads auf, die vom Bauhaus-Stil beeinflusst waren.[3] Schon als Kind entwarf sie ihr eigenes Kinderzimmer neu, dieser Plan wurde dann von einem Tischler als Vorlage für viele weitere Kinderzimmer in Bagdad ausgeführt.[4] In den späten 1950er Jahren konnte sie auch den Bau des irakischen Planungsministeriums beobachten, das Gio Ponti als eine Replik des Pirelli-Hochhauses in Bagdad erbauen ließ. Ihre Schulzeit verbrachte sie in einer von katholischen Nonnen geleiteten Klosterschule in Bagdad, später in einem Schweizer [5] und einem englischem Internat.[6]

Ausbildung

Bis 1971 studierte sie Mathematik an der American University of Beirut. Von 1972 bis 1977 belegte sie den Studiengang für Architektur an der Architectural Association School (AA) in London. Unter Leitung von Alvin Boyarski wurde die AA in den 1970er Jahren ein Zentrum für die Gegenbewegung einer zweiten architektonischen Moderne.[7] Dozenten wie Rem Koolhaas und Bernard Tschumi standen für eine Suche nach neuen Formen jenseits der klassischen Moderne und des Neo-Historismus. Schon damals galt sie als außerordentlich begabt. Ihre Abschlussarbeit war ein Hotel an der Londoner Hungerford Bridge, das sie Malevich’s Tectonics nannte, als Reverenz an den russischen Suprematisten Kasimir Malewitsch.[7] 1977 nahm sie das Angebot an, Mitarbeiterin an Koolhaas’ Office for Metropolitan Architecture (OMA) zu werden und lehrte nun selbst auch an der AA mit ihren OMA-Partnern Rem Koolhaas und Elia Zenghelis. Die britische Hauptstadt wurde zu ihrer Wahlheimat. Dort eröffnete sie 1980 auch ihr eigenes Architekturbüro,[8] der deutsche Architekt und heutige Architekturprofessor Patrik Schumacher (* 1961) ist seit 1988 ihr Geschäftspartner.[9]

Projekte und Objekte

1983 erregte sie mit dem – ungebauten – Freizeit- und Erholungspark The Peak Leisure Club an einem Berghang in Hongkong erstmals internationales Aufsehen und erhielt dafür eine Auszeichnung. Mit diesem Entwurf war sie 1988 auch an der einflussreichen Deconstructivist Architecture-Ausstellung des New Yorker Museum of Modern Art vertreten und galt daher anfänglich als eine theoretische Vordenkerin des Dekonstruktivismus. Gleichwohl war sie nicht dem Dekonstruktivismus verpflichtet, sondern auf der Suche nach einer erst noch zu findenden Formensprache der Moderne. Lange Zeit waren ihre Projekte den Bauherren zu kühn. Viele nicht ausgeführte Entwürfe stehen für eine lange Durststrecke. Darunter befinden sich ungebaute Projekte wie ein Bürohaus am Kurfürstendamm 70 in Berlin-Charlottenburg, 1. Preis 1986 (mit nur 2,5 m [!] Sockelbreite,[10] den Zuschlag erhielt Helmut Jahn) und der neue Zollhof in Düsseldorf, 1990 (den Zuschlag erhielt später Frank Gehry).

Feuerwache für das Vitra-Werk in Weil am Rhein, 1993

Erst 1993 schaffte sie den Durchbruch und konnte ihren ersten Entwurf realisieren: das Feuerwehrhaus des Vitra-Werks in Weil am Rhein. Sie verdankte dies der Innovationsfreude von Rolf Fehlbaum, dem geschäftsführenden Inhaber von Vitra, der bereits eine Reihe angesehener Architekten wie Tadao Ando und Frank Gehry für den Bau neuer Produktionsstätten, anderer Firmengebäude und des Vitra Design Museums engagiert hatte. Zwar hatte sie schon 1987 mit dem Bau eines vergleichsweise unauffälligen Hauses mit Wohnhof zur IBA in Berlin-Kreuzberg begonnen, doch wurde dieses erst 1994 fertiggestellt.[11] Ihr bislang größtes Projekt in Deutschland ist das phæno in Wolfsburg (Bauzeit 2001-2005), ein interaktives Erlebnismuseum der Naturwissenschaften, bei dem sie neue Möglichkeiten der dynamischen Gestaltung des Raumes erprobte. Hadid hält diesen Entwurf für ihr bisher ehrgeizigstes Bauwerk in Deutschland, da es trotz seiner komplexen Konstruktion „schwerelos wirke“.[12]

Hadids Architekturbüro ist auch im Bereich Design tätig und realisiert unter anderem Möbelentwürfe, Inneneinrichtungen, Messepavillons, Ausstellungsgestaltungen und Gebrauchsgegenstände.

Ihre architektonischen Vorbilder sind vor allem die russischen Suprematisten und Konstruktivisten wie Kasimir Malewitsch oder El Lissitzky. Demgegenüber hält sie die Postmoderne Architektur für eine intellektuelle Katastrophe. Hadids Arbeiten scheinen nach Ansicht von Beobachtern dem Credo von Malewitsch zu folgen: „Wir können nur dann Raum wahrnehmen, wenn wir uns von der Erde loslösen, wenn der Auflagepunkt verschwindet.“ (1928) [7] Hadids Abneigung gegen das Primat des rechten Winkels brachte sie auf mathematische Weise zum Ausdruck:

„Das Wichtigste ist die Bewegung, der Fluss der Dinge, eine nicht-euklidische Geometrie, in der sich nichts wiederholt: eine Neuordnung des Raumes.“

Zaha Hadid [13]

Lehrtätigkeit

In den späten 1980ern konzentrierte sich Hadid auf die theoretische Arbeit als Gastprofessorin an der Graduate School of Design, Harvard University (Kenzō Tange-Chair), dann auf der School of Architecture der University of Chicago (Sullivan-Chair). Es folgten weitere Gastprofessuren an der Hochschule für bildende Künste Hamburg, der Knolton School of Architecture in Ohio und am Masters Studio der Columbia University in New York. Seit 2000 hat Hadid eine Professur am Institut für Architektur an der Universität für angewandte Kunst Wien inne, dort leitet sie das studio-hadid-vienna. Im Semester 2002 nahm sie eine Eero Saarinen Visiting Professorship an der Yale School of Architecture in New Haven (Connecticut) wahr.

Werkschau

Bauwerke und Projekte (Auswahl)

Auszeichnungen

Literatur

  • Elisabeth Blum: Ein Haus, ein Aufruhr. Anmerkungen zu Zaha Hadids Feuerwehrhaus. Vieweg, Wiesbaden 1997, ISBN 3-528-08142-2
  • Zaha Hadid und Hélène Binet: Architecture of Zaha Hadid in Photographs of Hélène Binet. Lars Müller Verlag, Baden 2000, ISBN 3-907078-12-8
  • Sonia Ricon Baldessarini: Wie Frauen bauen. Architektinnen von Julia Morgan bis Zaha Hadid. AvivA, Berlin 2001, ISBN 3-932338-12-X
  • Zaha Hadid und Patrik Schumacher: Latent Utopias. Experiments within Contemporary Architecture. steirischer herbst 2002, Springer, Wien u. a. 2002, ISBN 3-211-83865-1
  • Markus Dochautschi: Space for Art. Zaha Hadid, Contemporary Arts Center, Cincinnati. Lars Müller Verlag, Baden 2003, ISBN 3-03778-005-3
  • Peter Noever: Zaha Hadid – Architektur. Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Museum für angewandte Kunst (Wien). Hatje Cantz, Ostfildern 2003, ISBN 3-7757-1364-6.
  • Patrik Schumacher: Digital Hadid. Landscapes in motion. Birkhäuser, Basel 2004, ISBN 978-3-7643-0172-9
  • Peter Giovanni und Zaha Hadid: Zaha Hadid. Terminal Hoenheim-Nord Strasbourg. Lars Müller Verlag, Baden 2004, ISBN 3-03778-028-2
  • Gordana Fontana-Giusti und Patrik Schumacher: Zaha Hadid. Das Gesamtwerk. Vier Bände im Schuber, Birkhäuser, Basel 2005, ISBN 978-3-7643-7089-3
  • Todd Gannon: Zaha Hadid. BMW Central Building, Leipzig, Germany. Princeton Architectural Press, New York 2007, ISBN 978-1-56898-536-7
  • Zaha Hadid: Zaha Hadid. Gesamtwerk 1978-2008. Aus dem Englischen übersetzt von Laila G. Neubert-Mader, DVA, München 2009, 256 S., ca. 600 farb. Abb., ISBN 978-3-421-03746-6
  • Philip Jodidio: Zaha Hadid. Complete Works 1979-2009. Taschen, Köln 2009, 500 S., ISBN 978-3-8365-0294-8
  • Moritz Holfelder: Zaha Hadid. Das Fließen der Räume. DOM Publishers, Berlin 2010, Audio-CD mit Beschreibungen von Gebäuden und Interviewpassagen der Architektin zu ihrer Arbeitsweise, 75 Minuten + Booklet, ISBN 978-3869221229

Filme

  • Diva mit phantastischen Raumvisionen. Wie die Stararchitektin Zaha Hadid die Schwerkraft besiegt. Fernseh-Reportage, Deutschland, 2009, 4:52 Min., Regie: Horst Brandenburg, Produktion: WDR, Erstsendung: ARD, 2. August 2009, Reihe: ttt – titel, thesen, temperamente, Filmtext
  • Zaha Hadid and Guangzhou Opera House. Fernseh-Dokumentation, VR China, 2008, 26 Min., Produktion: CCTV, Erstausstrahlung: 27. Dezember 2008, Filmseite mit Online-Videos (1. Teil und 2. Teil à 13 Min., englisch)
  • Durch die Nacht mit … Zaha Hadid und Michael Schindhelm. Dokumentation, Vereinigte Arabische Emirate, 2007, 52 Min., Regie: Cordula Kablitz-Post, Produktion: ZDF, Erstsendung: 17. Januar 2008, Inhaltsangabe von arte
  • A Day with Zaha Hadid. Dokumentation, 2004, 52 Min., Regie: Michael Blackwood, Produktion: Michael Blackwood Productions
    (Hadid spricht über ihre Bauten und Projekte anlässlich einer Werk-Retrospektive im Museum für angewandte Kunst (Wien) im Sommer 2003)

Einzelnachweise

  1. Alan Rush: Obituary: Muhammad Hadid, The Independent, 6. August 1999
  2. National Democratic Party (al-Hizb al-Watani al-Dimuqrati), middleeastreference.org.uk, 9. September 2004
  3. Nicolai Ouroussoff: „Zaha Hadid: A Diva for the Digital Age“, New York Times, 2. Juni 2006
  4. „Zwtl.: Zaha Hadid“, Stadt Wien, 25. März 2004
  5. Jonathan Glancey: „I don't do nice“, The Guardian, 9. Oktober 2006
  6. Susanne Beyer, Ulrike Knöfel: Triumph der Domina. In: Der Spiegel. Nr. 21, 2004, S. 168–170 (online).
  7. a b c Zaha Hadid, British Council, 2005
  8. Biography, pritzkerprize.com, 2004
  9. Homepage von Patrik Schumacher und Universitätsseite, Universität für angewandte Kunst Wien
  10. Jordan Mejias: Bürogebäude Kurfürstendamm 70, Berlin 1986, FAZ, 29. Juni 2006, siehe Bild 12
  11. a b Wohnhaus Stresemannstraße 109, 1987-94. In: archINFORM. Abgerufen am 2. Januar 2010
  12. Eva Karcher: „Architektin Zaha Hadid. Über Ecken“, Süddeutsche Zeitung, 14. November 2009, Interview
  13. Zaha Hadid zitiert in: Ausstellungsrückblick Zaha Hadid. Architektur. 14. Mai 2003 bis 17. August 2003, Museum für angewandte Kunst (Wien)
  14. Fotos auf architecture in berlin.com - Zaha Hadid and Will Alsop on Stresemannstrasse
  15. „Zaha Hadid gewinnt Wettbewerb für Bibliothek in Sevilla“, BauNetz, 24. Februar 2006
  16. Zaha Hadid gewinnt Museums-Wettbewerb auf Sardinien, Baunetz, 7. November 2006
  17. LIM 2, skyscrapercity.com
  18. „Lilium Tower, Warsaw, Poland“, designbuild-network.com, 2008
  19. Birgit Ochs: „Wohnhochhäuser. Vertikale Wohnwelten“, FAZ, 17. Dezember 2008
  20. Informationen zur Brückenpavillon (englisch) und ein Panoramabild
  21. Niki May Young: „Hadid wins with design for Library and Learning Centre in Vienna“, worldarchitecturenews.com, 18. Dezember 2008
  22. Bilderserie vom Guangzhou Opera House, skyscrapercity.com, 2010 und innen
  23. Gezackte Bewegung in: Süddeutsche Zeitung vom 29. August 2011, Seite 15
  24. Erich-Schelling-Architekturpreis, archiviert
  25. „Terminus Hoenheim-Nord, Strasbourg, France (1999–2002)“, KultureFlash Issue no. 61, 2002, archiviert

Weblinks

Interviews

Artikel

Bilder und Videos

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