- Türkisch-Deutsche Universität
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Die Türkisch-Deutsche Universität[1][2] (türkisch Türk-Alman Üniversitesi TAÜ) in Istanbul ist eine gemeinsam von der Republik Türkei und der Bundesrepublik Deutschland errichtete staatliche Universität. Der künftige Campus der TDU liegt im Stadtteil Beykoz auf der asiatischen Seite des Bosporus. Die TDU befindet sich derzeit noch im Aufbau, wird aber die größte deutsche Auslandsuniversität sein.[3]
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die Idee zur Errichtung einer Türkisch-Deutschen Universität geht zurück auf das am 8. Mai 1957 abgeschlossene Kulturabkommen zwischen den Regierungen Deutschlands und der Türkei.[4] Erste Pläne wurden in den 1990er Jahren unter der Kanzlerschaft Helmut Kohls entwickelt, konnten aber vor allem aus finanziellen Gründen (Lasten der Deutschen Wiedervereinigung) nicht realisiert werden. Am 6. Dezember 2007 wurde ein Regierungsabkommen zwischen den beiden Ländern geschlossen. Am 30. Mai 2008 unterzeichneten der türkische Außenminister Ali Babacan, der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier sowie die deutsche Bundesministerin für Bildung und Forschung Annette Schavan das Gründungsabkommen, als Bestandteil der bereits im September 2006 von Steinmeier und seinem damaligen Amtskollegen Abdullah Gül ins Leben gerufenen Ernst-Reuter-Initiative für kulturellen Dialog und Verständigung.[5] Am 10. April 2010 wurde das Gesetz über die Gründung der Deutsch-Türkischen Universität im türkischen Staatsanzeiger veröffentlicht.
Die TDU wird gemeinsam von beiden Staaten finanziert, wobei die Türkei den größeren Anteil der Kosten übernimmt. Sie stellt das zwölf Hektar große Gelände (eine ehemalige Baumschule, die im Besitz des türkischen Landwirtschaftsministeriums war), errichtet und finanziert die Gebäude und die Infrastruktur und trägt die laufenden Kosten. Vom deutschen Bundesministerium für Bildung und Forschung finanziert werden die Dozenten und Lektoren, die Ausarbeitung der Curricula (Lehrpläne), der Aufbau eines Sprachlernzentrums, Zuschüsse zu Ortsgehältern, Stipendien sowie Fortbildungen. Die Kosten der deutschen Seite werden auf 12 Mio. Euro für die ersten vier Jahre, insgesamt auf annähernd 40 Mio. Euro beziffert.
Im Juni 2009 wurde ein Konsortium aus zunächst 22 deutschen Hochschulen gegründet, das unter Federführung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) die akademische Ausgestaltung der TDU mit dem auf türkischer Seite verantwortlichen Hochschulrat der Türkei abstimmt und die Einzelheiten der Gründung, des Betriebs, der Zulassung und der Finanzierung ausarbeitet. Zuletzt waren im Konsortium 27 Mitglieder vertreten (26 Hochschulen und der DAAD). Im Präsidium des Konsortiums sind sechs Universitäten vertreten, den Vorsitz hat für drei Jahre die frühere Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth inne. Neben den universitären Partnern sollen sich auch private Stiftungen und Wirtschaftsunternehmen an der Planung beteiligen.
Die Grundsteinlegung der TDU erfolgte am 22. Oktober 2010 in Anwesenheit des deutschen Bundespräsidenten Christian Wulff und des türkischen Staatspräsidenten Abdullah Gül. Begonnen wird zunächst mit vorbereitenden Sprachkursen, Seminaren und Workshops zur Qualifizierung von Nachwuchspersonal. Der reguläre Lehrbetrieb soll mit anfänglich etwa 600 Studenten voraussichtlich zum Wintersemester 2011/12 starten, vorerst in einem angemieteten Ausweichgebäude im Stadtteil Fatih in der auf europäischer Seite gelegenen Altstadt.[6] Der Vollbetrieb mit bis zu 5.000 Studenten wird voraussichtlich erst nach drei bis vier Jahren erreicht sein. Ein späterer Ausbau auf bis zu 20.000 Studienplätze ist beabsichtigt.
Universität
Die TDU ist eine staatliche Universität nach türkischem Recht. Rektor der Universität ist daher ein nach den nationalen Vorschriften bestimmter Türke, sein Stellvertreter wird ein Deutscher sein. Zum Gründungsrektor ernannte Staatspräsident Abdullah Gül am 13. Oktober 2010 aus den drei Vorschlägen des türkischen Hochschulrates Ziya Şanal, bis dahin Professor an der Fakultät Bauingenieurwesen der Hochschule München.[7]
Begonnen wird zunächst mit fünf Fakultäten, Schwerpunkt werden die Ingenieur- und Naturwissenschaften (in Klammern angegeben jeweils die für Aufbau und Betrieb der Forschungsbereiche und Studiengänge federführende der sechs Universitäten im deutschen Hochschulkonsortium):[8]
- Ingenieurwissenschaften (Technische Universität Berlin)
- Naturwissenschaften (Universität Potsdam)
- Rechtswissenschaften (Freie Universität Berlin)
- Wirtschafts- und Verwaltungswissenschaften (Universität zu Köln in Kooperation mit Universität Münster)
- Kultur- und Sozialwissenschaften (Universität Heidelberg)
Hinzu kommt ein Zentrum für Fremdsprachen (Universität Bielefeld). Die Gründungsdekane der Fakultäten stehen noch nicht fest (Stand Oktober 2010).
Zugangsvoraussetzung ist für Schüler aus der Türkei die im Land obligatorische zentrale Aufnahmeprüfung (Öğrenci Seçme Sınavı; an den Oberschulen der Türkei gibt es keine dem deutschen Abitur vergleichbare Abschlussprüfung). Für die Absolventen deutscher Schulen soll das Reifezeugnis über die Allgemeine Hochschulreife genügen, die offizielle Anerkennung steht bislang jedoch noch aus.
Die Studiengänge werden interkulturell ausgerichtet. Unterrichtssprache wird – im Unterschied zu anderen deutschen Auslandsuniversitäten – ganz überwiegend Deutsch sein, in einigen Kursen auch Türkisch und Englisch. Daher werden die Studenten voraussichtlich überwiegend Absolventen solcher türkischer Oberschulen sein, die in Deutsch unterrichten (zum Beispiel die Deutsche Schule Istanbul) oder deutsche Lehrprogramme anbieten, sowie deutsche und türkischstämmige Absolventen von Gymnasien in Deutschland. Prinzipiell ist die Universität aber international offen. Für die Studenten werden deutsche Sprachkurse angeboten, sowie die Möglichkeit, einige Semester in Deutschland zu absolvieren. Weitere Merkmale der Universität sollen der enge wissenschaftliche Austausch mit deutschen Universitäten und eine intensive Kooperation mit türkischen und deutschen Unternehmen sein.
Die Absolventen sollen einen in beiden Ländern anerkannten gemeinsamen Abschluss der TDU oder einen Doppelabschluss bekommen können; vorgesehen sind Bachelor, Master und Promotion (Ph.D.). Diese Abschlüsse sowie die Lehrpläne und deren Qualitätssicherung orientieren sich am Bologna-Prozess.
Siehe auch
Weblinks
- Webseite der Universität, Webseite der Türkisch-Deutschen Universität
- Weitere Informationen, Seiten des Deutschen Generalkonsulats Istanbul
- „Plädoyer für eine deutsch-türkische Universität“, Gemeinsamer Aufruf von Bundesaußenminister Dr. Frank-Walter Steinmeier und Bundestagspräsidentin a.D. Prof. Dr. Rita Süssmuth am 8. März 2007
- Lerngemeinschaft am Bosporus, süddeutsche.de, 8. März 2007
- Deutscher Leuchtturm am Bosporus, süddeutsche.de, 31. Mai 2008
- Ein Schritt nach Istanbul: Deutsch-Türkische Uni hat 22 Partnerinnen, Der Tagesspiegel, 25. Juni 2009
- Deutsch an türkischer Uni - Die Tageszeitung, 31.März 2010
- Elite für den Orient, Die Zeit, 27. Mai 2010
- Brückenschlag am Bosporus, die tageszeitung, 28. Juli 2010
- Deutsch-Studium am Bosporus, süddeutsche.de, 19. Oktober 2010
Einzelnachweise
- ↑ Türkisch-Deutsche Universität: Genel Bilgiler
- ↑ Resmî Gazete: Resmî Gazete 27547
- ↑ Brückenschlag am Bosporus, die tageszeitung, 28. Juli 2010
- ↑ Text des Abkommens (PDF-Datei)
- ↑ Startschuss für Deutsch-Türkische Universität
- ↑ Deutsch-türkische Uni in den Startlöchern, DW World, 4. August 2010
- ↑ Bisherige Seite von Prof. Dr.-Ing. Ziya Şanal an der Fakultät Bauingenieurwesen
- ↑ Offizielle Seite der TDU
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