Deutsche im amerikanischen Bürgerkrieg

Deutsche im amerikanischen Bürgerkrieg

Deutsche (bzw. deutschstämmige Amerikaner) stellten im amerikanischen Bürgerkrieg (1861–1865) die größte Gruppe ausländischer Soldaten. Um 1860 lebten rund 1,3 Millionen in Deutschland geborene Einwanderer in den USA, davon lediglich etwa 72.000 in den Südstaaten.

Inhaltsverzeichnis

Nordstaaten

Zwischen 1850 und 1860 kamen mehr als eine Million deutsche Auswanderer nach Nordamerika, davon allerdings nur etwa 70.000 in die Südstaaten. Infolge dessen stiegen die Auflagen deutschsprachiger Zeitungen. Zahlreiche Turnvereine wurden gegründet, die sich zu Zentren des republikanischen Idealismus entwickelten. Deutsche traten vielfach in die Republikanische Partei ein. So gewann Abraham Lincoln bei der Präsidentschaftswahl 1860 im Süden nur in zwei Wahlkreisen, die von deutschen Einwanderen dominiert wurden (St. Louis und Gasconada, heute Gasconade County). Vor allem Achtundvierziger sahen in ihrem Engagement für die Republikaner die Fortsetzung ihres Kampfes für die Freiheit (der Sklaven) und Einheit (der USA) an, den sie in Europa verloren hatten.

Während des Bürgerkrieges meldeten sich republikanische Einwanderer häufiger freiwillig zum Militärdienst als demokratische. B.A. Could von der U.S. Sanitary Commission erstellte Quoten für jede nationale Gruppe entsprechend ihren Anteil an der Bevölkerung. Diese ergaben, dass deutsche Einwanderer mit etwa 50% die wehrwilligste Gruppe waren. Die deutlichsten Verhältnisse zeigten sich in Missouri. Dort hatte die Republikanische Partei die größte Anhängerschaft innerhalb der deutschen Bevölkerung. Gleichzeitig war hier der höchste Anteil von Deutschen in der Unionsarmee zu verzeichnen. Missouri lag an sechster Stelle bei den deutschen Siedlern und an zweiter Stelle bei der Truppenstellung. Nur in Wisconsin demonstrierten die Deutschen gegen die Einberufung.

Um 1860 lebten im Norden rund 1,3 Millionen in Deutschland geborene Einwanderer. In der Nordstaatenarmee war fast jeder 10. Soldat ein deutscher Einwanderer (etwa 200.000). Ein Großteil diente freiwillig (aus Überzeugung oder den Umständen gehorchend), nur ein Sechstel wurde eingezogen. Drei Viertel dienten in Regimentern, in denen Deutsche höchstens 15% ausmachten, wobei diese oft in deutsche Kompanien aufgestellt wurden. Etwa 30 Regimenter bestanden zur Hälfte aus Deutschen (zirka 15.000 Mann), ebenso viele waren nahezu „reindeutsche“ Regimenter (30.000 Mann) mit deutschen Offizieren. Gelegentlich desertierten deutschstämmige Wehrpflichtige, um sich im anschließend "deutschen" Einheiten anzuschließen. Im späteren Verlauf des Krieges wurden Regimenter ohne Rücksicht auf ethnische Herkunft aufgefüllt. Viele deutsche Einheiten stammten aus einer bestimmten Region, oft waren sie „Abbilder“ der dortigen Turnvereine. Bis 1862 war in diesen Einheiten Deutsch die offizielle Kommando- und Umgangssprache, bis sich Englisch durchsetzte. Deutsche Einheiten hatten oft eigene (den deutschen nachempfundene) Uniformen und eigene Exerzierregeln. Die Gründe für eigene deutsche Einheiten waren oft mangelnde Sprachkenntnisse und kulturelle Differenzen gegenüber anderen Bevölkerungsteilen. Zudem erhofften sich die Befehlshaber schlagkräftige und militärisch erfahrene Truppenverbände bestehend aus Europäern. Das Vertrauen in Offiziere der eigenen Nationalität sollte zu mehr Freiwilligenmeldungen führen.

Zeitgleich wurden deutsche Soldaten und Offiziere von deutschsprachigen Zeitungen gelobt und besonders hervorgehoben. Andeutungen eines schlechten Rufes in Artikeln und zeitgenössischen Briefen sind nur selten zu finden. Oft wird attestiert, dass „deutsche Offiziere besser kommandieren, deutsche Regimenter besser kämpfen, deutsche Feldlager sauberer und deutsche Truppen gesünder seien". Dennoch gab es eine deutschfeindliche Stimmung in amerikanischen Zeitungen und innerhalb des Militärs. Dies mag zusätzlich zur Gründung deutscher Einheiten geführt haben, da sich deutsche Soldaten in andere Einheiten eher isolierten, bzw. desertierten. Vor allem nach der Schlacht bei Chancellorsville waren deutsche Soldaten Zielscheibe nativistischer Anfeindungen.

Bedeutende Offiziere und Generäle mit deutscher Abstammung waren unter anderem Carl Schurz, Ludwig Blenker, Peter Joseph Osterhaus, Alexander Schimmelfennig, Franz Sigel und August Willich.

Die zweite badische Revolution: Missouri 1861

Zu Beginn des Bürgerkrieges stand der Bundesstaat Missouri am Scheideweg: Verbleib als sklavenhaltender Staat in der Union oder Übertritt zu den Südstaaten. Die Auseinandersetzung fand vor allem zwischen den stark landwirtschaftlich geprägten Landesteilen und der Bevölkerung von St. Louis statt, welche aus Handwerkern und Geschäftsleuten bestand. Diese sahen ihre Zukunft im industriellen Norden. 1861 waren von 170.000 Einwohnern von St. Louis etwa 60.000 Deutsche.

Bei den Präsidentschaftswahlen 1860 gingen nur zwei Wahlbezirke an Abraham Lincoln, einer davon in St. Louis, wo etwa ein Viertel der Stimmen für Lincoln von deutschen Wählern kam. Nach dem Beginn der Abspaltung der Südstaaten sympathisierte der Gouverneur Claiborne Fox Jackson mit der Konföderation. Gerade das Bundesarsenal mit seinem großem Vorrat an Waffen und Munition war für beide Seiten von großer Bedeutung.

Im Frühjahr 1861 organisierten Adam Hammer, ein ehemaliger badischer Militärarzt und Revolutionär von 1848, und Gustav Körner Waffenlieferungen, um notfalls das Bundesarsenal selbst zu verteidigen. In den Turnervereinen wurde bereits unter der Leitung von unter anderem Franz Sigel militärisch gedrillt. Deutsch-amerikanische Offiziere der überwiegend sezessionistisch geprägten Staatsmiliz gaben ihre Patente zurück. Der örtliche Führer der Republikanischen Partei, Francis Preston Blair, arbeitete zu dieser Zeit sehr eng mit den deutschen Revolutionären zusammen, um das Arsenal und die Stadt in der Union zu halten.

In zwei deutschsprachigen Zeitungen ("Anzeiger des Westens" und "Westliche Post") wurde am 11.Januar 1861 folgende Anzeige veröffentlicht:

Aufruf Schwarzes Jäger Corps.

Wir haben unter heutigem Datum beschlossen, eine unabhängige Jägerkompanie zu bilden und zwar unter dem Namen "Unabhängiges schwarzes Jäger-Corps". Jeder treu zur Union stehende Deutsche, der gesonnen ist, dieser Compagnie beizutreten, ist gebeten sich heute Abend im Versammlungs-Lokal einzufinden.

Am 6. Februar 1861 stellten Turnervereine ein Bataillon mit drei Kompanien und 280 Mann auf. Nach dem Beginn des Bürgerkrieges im April 1861 verweigerte Gouverneur Jackson jedoch die Bereitstellung der Quote Missouris der für den Krieg ausgerufenen Freiwilligen. Darauf hin begannen Blair, der aus Kansas berufene Captain Nathaniel Lyon und die deutschen Revolutionäre mit der Aufstellung eigener Freiwilligenverbände für den Bundesdienst. Anfangs waren nur vier Feldregimenter vorgesehen, später folgten ein weiteres sowie fünf Regimenter Heimwehr. Von den vier Feldregimentern wurden drei von Deutschen kommandiert (Heinrich Börnstein, Franz Sigel und Nikolaus Schüttner). Dem dritten Regiment unter Sigel war eine, im Aufruf Lincolns eigentlich nicht vorgesehene, Artillerie-Batterie angegliedert. Diese wurde von Franz Backhoff kommandiert, einen ehemaligen badischen Artilleriewachmeister und Revolutionär. Die Truppen aller zehn Regimenter bestanden zu 75% aus Einwanderer aus dem deutschsprachigen Raum und Deutsch-Amerikanern und waren wie folgt gegliedert:

  • 1. Missouri Volunteer Infantry Regiment (Colonel Francis P. Blair)
  • 2. Missouri Volunteer Infantry Regiment (Colonel Heinrich Börnstein)
  • 3. Missouri Volunteer Infantry Regiment (Colonel Franz Sigel)
  • 4. Missouri Volunteer Infantry Regiment - "Schwarze Jäger" (Colonel Nikolaus Schüttner)
  • 5. Missouri Volunteer Infantry Regiment (Colonel Karl Eberhard Salomon)
  • zusätzlich fünf Regimenter Heimwehr

Mit den hauptsächlich deutschen Einheiten wagten Blair und Lyon einen Putsch gegen die Regierung von Jackson. Zuerst wurden Mitte April, noch vor Beginn der Truppenaufstellung, die Bestände des Bundesarsenals nach Illinois und Indiana gebracht. Am 10. Mai 1861 begannen die Unionstruppen unter Lyon und Sigel mit einem Angriff auf das „Camp Jackson“ westlich von St. Louis, wo sich die Staatsmiliz versammelte. Diese wurde entwaffnet und verhaftet. Bei den folgenden Straßenschlachten starben einigen Soldaten und etwa 20 Zivilisten. Im Juni unterlagen die Sezessionisten in einer Schlacht bei Boonville, die Staatsregierung musste anschließend aus ihrer Residenz in Jefferson City fliehen.

Das Ergebnis der „zweiten badischen Revolution“ war der Verbleib Missouris in der Union.

Südstaaten

Der Anteil der Deutschen in den Südstaaten war im Vergleich zu den Nordstaaten sehr gering. Um 1860 lebten dort nur etwa 72.000 Deutsche. Bürgerliche Deutsche, die nicht in größeren Gruppen auswanderten, passten sich eher der südstaatlichen Lebensweise an. Zugleich gab es starke Unterschiede zwischen den deutschen Gemeinden in Charleston, Richmond und New Orleans. Charleston war die älteste und zugleich reichste, homogenste Gemeinde. Gleichzeitig besaß keine deutsche Gemeinde mehr Sklaven und unterstützte die CSA stärker als Charleston. Deutsche im Diensten der CSA waren in der Regel auch Sklavenhalter. In Richmond hingegen lebten viele Neuankömmlinge. Sie standen unter Verdacht, illoyal zu sein. Die größte und zugleich heterogenste Gemeinde war New Orleans. Dort unterstützten führende deutschsprachige Zeitungen den Nordstaatenkandidaten der Demokraten, Stephen A. Douglas. New Orleans stellte zwar fünf Kompanien der 20th Louisiana Infantry (einziges deutsches Regiment der CSA), jedoch liefen viele Soldaten zur Union über, als die Stadt fiel. Dies führte zu großem Misstrauen gegenüber den Deutschen. Zwischen 1862 und 1864 wurden in Richmond insgesamt 384 Deutsche ohne weitere Begründung inhaftiert. Ein weiterer Grund war die hohe Beteiligung deutscher Soldaten auf Seiten der Union.

Unterstützung fanden die deutschen Soldaten im Dienste der Südstaaten durch den preußischen Konsul in New Orleans, Augustus Reichard. Dieser finanzierte und befehligte eigene Truppen. Zudem war mit Christopher Gustavus Memminger ein gebürtiger Württemberger Finanzminister der CSA.

Die Texas-Deutschen

In Texas lebtem um 1860 rund 20.000 deutsche Auswanderer. Vor allem im Westen des Landes konnten sich viele deutschen Gemeinden erhalten, während die Deutschen im Osten des Landes in der Regel viel stärker integriert waren. In einem Referendum am 23. Februar 1861 entschied sich die Bevölkerung für die Sezession, weniger als 25% der Wähler stimmten für die Union. Mehrheitlich von Deutschen bewohnte Wahlkreise lehnten die Sezession am stärksten ab. Beispielsweise stimmte das Colorado County mit 64% für den Austritt aus der Union, aber in drei deutschen Wahlkreisen votierten 86% gegen den Austritt. In zwei überwiegend von Deutschen bewohnten Grenzcounties fiel die Zustimmung mit 96% noch größer aus. Lediglich im Comal County gab es eine deutsche Mehrheit für die Südstaaten.

Während des Krieges schlossen sich viele Deutsche den Unionstruppen an. So dienten im 1st und 2nd Texas Cavalry viele Deutsche, obwohl das Rekrutierungszentrum in der Gegend um Brownsville an der Mündung des Rio Grandes lag, weit entfernt von den deutschen Siedlungsgebieten. Insgesamt stellten Deutsche 13% der texanischen Unionstruppen (bei einem Bevölkerungsanteil von 7%). Nach dem Beginn des Krieges war eine Flucht in den Norden erschwert worden, Kriegsdienstverweigerern drohte die Todesstrafe. Eine Flucht setzte somit auch eine ideologische Überzeugung voraus. Zwar dienten nunmehr Deutsche in den Truppen der Südstaaten, dies jedoch oft widerwillig. Im Januar 1863 geriet das 6th Texas Infantry bei Askansas Post in Gefangenschaft, kurz darauf legten 152 Soldaten, meist Deutsche und Polen, den Loyalitätseid auf die Vereinigten Staaten ab. Die deutsche Kompanie war damit praktisch verschwunden.

Interne Verweise

Literatur

  • Brancaforte, Charlotte L.: The German Forty-Eighters in the United States. New York 1989
  • Finzsch, Nobert: Konsolidierung und Dissens – Amerika von 1800 – 1865. Münster 2005 Bd. 5.
  • Helbich, Wolfgang (Hrsg.): Deutsche im amerikanischen Bürgerkrieg: Briefe von Front und Farm 1861 – 1862. Paderborn 2002.
  • Hochbruck, Wolfgang: Achtundvierziger / Forty-Eighters - Die deutsche Revolution von 1848/49, die Vereinigten Staaten und der amerikanische Bürgerkrieg. Münster 2000.
  • Wersich, Rüdiger (Hrsg.): Carl Schurz. Rastatt 1999.

Weblinks


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