Dieselmotoren für die Kaiserliche Marine

Dieselmotoren für die Kaiserliche Marine

Die Entwicklung und der Bau von Dieselmotoren für die Kaiserliche Marine in Deutschland wurden besonders vorangetrieben nach der Verabschiedung der Flottengesetze. Die Flottengesetze stellten im deutschen Kaiserreich die gesetzliche Grundlage für den Bau der deutschen Schlachtflotte vor dem Ersten Weltkrieg dar. Daraus folgte ein hoher Bedarf an Antriebsaggregaten für Kriegsschiffe.

Inhaltsverzeichnis

Einführung

Als einer der ersten Entwickler und Unternehmer suchte Rudolf Diesel parallel zum Schriftwechsel mit dem Münchener Patentamt eine Firma für den Bau seines neu entwickelten Motorprinzips. Nach längeren Verhandlungen erklärte sich erst die Maschinenfabrik Augsburg, ab 1908 Augsburg-Nürnberg MAN, und bald auch Krupp bereit, nach den Entwürfen Diesels einen Motor zu finanzieren. Dafür wurden sie Mitinhaber von Diesels Patenten.

Rudolf Diesel mit seinem Ölmotor, wie Dieselmotoren anfangs hießen

Versuchsmaschinen ab 1893

Diese erste Versuchsmaschine wurde 1893 bei MAN in Augsburg als Viertaktmotor zunächst wie im Patent formuliert, ohne Kühlung ausgeführt und fremd angetrieben. Bei diesen Versuchen gelang es nicht, den Motor mit eigener Kraft zum Laufen zu bringen. Da die Kühlung fehlte, war ohne Zerstörung des Motors immer nur eine kurze Betriebszeit möglich. Das unmittelbare Einspritzen des Kraftstoffs bereitete Schwierigkeiten, denn mit der damaligen Technologie war man noch nicht in der Lage, Einspritzpumpen mit der erforderlichen Genauigkeit und Oberflächengüte herzustellen. Deshalb änderte Diesel das Einspritzverfahren. Es wurde nun mit dem Hilfsmittel Druckluft Petroleum zum Zündzeitpunkt in den Zylinder eingeblasen. Druckluft wurde später auf Schiffen auch das Medium zum Anlassen der Dieselmotoren.

Erster Versuchsmotor in Augsburg

Der zweite Motor 1894

Der mit Wasserkühlung versehene zweite Motor drehte sich 1894 zum ersten Mal mit eigener Kraft. Es bedurfte aber noch vieler Versuche, Berechnungen und konstruktiver Änderungen, bis die Maschine betriebsreif war.

Der dritte Motor 1897

1897 war es dann endlich so weit, dass Diesel seinen Motor, es war inzwischen der dritte Motor, einem größeren Kreis von Interessenten vorführen konnte. Professor Schröter aus München untersuchte den Motor auf dem Prüfstand und ermittelte eine Leistung von 13,1 kW bei 154 Umdrehungen je Minute. Der Kraftstoffverbrauch betrug 324 Gramm je Kilowatt-Stunde. Mit diesem spezifischen Kraftstoffverbrauch übertraf der Dieselmotor alle damals gebauten Wärmekraftmaschinen.

So war es Diesel tatsächlich mit Hilfe von Krupp und MAN gelungen, die wirtschaftlichste Wärmekraftmaschine seiner Zeit zu schaffen. Diese Überlegenheit im Kraftstoffverbrauch hat sich der Dieselmotor bis in unsere Tage erhalten. Beide Firmen, besonders MAN haben lange an der Spitze der Entwicklung von Schiffsdieselmotoren gestanden. Auch heute noch zählt MAN mit ihren zahlreichen Patentnehmern weltweit zur Nummer 1 im Schiffsdieselmotorenbau.

Umsetzung in der Schifffahrt

Trotz der überzeugenden Vorteile war man in Schifffahrtskreisen bezüglich der Anwendung der neuen Technik sehr zurückhaltend, man wartete auf Beweise der Bewährung - mit Recht, denn in der Weiterentwicklung sollte es viele Rückschläge gegeben. Weltweit werden aber inzwischen durch Lizenznehmer Dieselmotoren gebaut und weiterentwickelt. Der 1897 erfolgreich erprobte Dieselmotor ermöglichte im Vergleich zum Dampfantrieb kompakte Antriebsanlagen, die etwa ab 1900 auf Fluss- und Seeschiffen erprobt wurden, zunächst jedoch ohne Erfolg. Jedoch auf der Vandal und dem Schwesterschiff Ssarmat, russische Flusstanker, bewährte sich der Dieselantrieb schon 1902/1903. Der 1100 Tonnen tragende Tanker Vandal hatte drei mittschiffs angeordnete, nicht umsteuerbare Dieselmotoren zu je 120 PS von der schwedischen Firma Aktiebolaget Diesels Motorer, die mit elektrischen Fahrmotoren nach dem Prinzip von del Proposto auch rückwärts fahren konnten.

Besonders viel ereignete sich natürlich an der Geburtsstätte des Motors, dem MAN-Werk in Augsburg, sowie bei Krupp, aber auch bei Deutz und Sulzer. Bezüglich der Bauweise ist man von den der Dampfkolbenmaschine nachempfundenen offenen Gestellen teilweise schon zu den geschlossenen Motorgehäusen übergegangen mit gleichzeitiger Einführung der Druckumlaufschmierung der Triebwerkslager. 1908 bildeten MAN und Blohm & Voss eine Studiengemeinschaft zur Entwicklung eines langsamlaufenden doppeltwirkenden Zweitaktmotors für die Handelsmarine, da innovative Reeder hier Bedarf zeigten. Daraus entstand "Fritz" (1915), das erste Handelsschiff mit doppeltwirkenden Zweitakt-Dieselmotoren. Außerdem wurde versucht, auch bei der Reichsmarine (RMA) Interesse für diesen Motortyp zu wecken.

Junkers Motorideen setzten sich in der Schifffahrt (Doxford) und in der Luftfahrt (Jumo 205) durch

Verfahren, Bauarten und Ladungswechsel

Bei der MAN wird 1901 der erste Motor ohne Kreuzkopf, ein Tauchkolbenmotor, gebaut. Man unterscheidet Kreuzkopf,- Tauchkolben, und Gegenkolbenmotoren mit und ohne Kreuzkopf. Der von Junkers mitentwickelte Gegenkolbenmotor wird später von Doxford zu einer bewährten Schiffshauptmaschine weiterentwickelt. Der Gegenkolbenmotor ist nur als 2-Takter gebaut worden, mit oder ohne Kreuzkopf. Später sogar ohne Kurbelwelle als Junkers- Freikolbenluftkompressor oder nach dem Patent von Raúl Pateras Pescara als Modag-Freikolben-Treibgaserzeuger für Gasturbinen.

Die Steuerung der Ventile für den Ladungswechsel, für die Brennstoffeinblasung und das Anlassen erfolgt durch Nocken, die für Hauptmotoren bereits umgesteuert werden können; Sulzer ab 1906, MAN ab 1907. Die 2-Takt-Motoren benötigen für den Ladungswechsel einen Spülluftüberdruck, der von angehängten Pumpen erzeugt wird. Außerdem ist man von der ursprünglichen Längsspülung durch Spülventile im Zylinderdeckel und Auslassschlitze in der Zylinder-Laufbuchse weitgehend übergegangen zur reinen Schlitzsteuerung durch den Arbeitskolben, z.B. Sulzer 1909 zur Querspülung, MAN zur Umkehrspülung. Hier werden dann nur die Anlass- und Brennstoffnocken umgesteuert. Die Brennstoffeinspritzung erfolgt unverändert durch Einblasen mit Einblaseluft, deren Druck von ca. 60 atü in der Regel von einem dreistufigen angehängten Kompressor erzeugt wird.

Das Linienschiff PRINZREGENT LUITPOLD sollte als Mittelmaschine den 12.000 PS Dieselmotor erhalten

Dieselmotoren für Schlachtschiffe der Deutschen Kaiserlichen Marine

Bei der Entwicklung von praxistauglichen U-Booten spielte der Antrieb eine entscheidende Rolle. Hier konnte der Dieselmotor als 4-Taktmotor (MAN) oder als 2-Taktmotor (Krupp Germaniawerft) ihre Vorteile beweisen und löste alle anderen Primärantriebe (Dampf, Druckluft, Ottomotor, Petroleummotor) ab. Lag die Zylinderleistung 1901 bei 30 PS, waren es 1909 bereits 200 PS (MAN). Zu dieser Zeit zeigte das Reichsmarineamt großes Interesse an Langsamläufern mit 2.000 PS pro Zylinder. Mit sechs Zylindern sollte diese Maschine 12.000 PS leisten.

Doppelt wirkende Zweitaktmotoren mit 2.000 PS pro Zylinder

MAN-Nürnberg, hier Anton von Rieppel, hatte eine doppelt wirkende Zweitaktmaschine mit dieser extrem hohen Leistung von 12.000 PS für ausführbar erklärt, ebenso wie die Motorenbauer der Krupp-Germaniawerft.

MAN Versuchsmotor 1914 fertig montiert

Werk Nürnberg der MAN

Das Werk Nürnberg der MAN hatte nach Vorgesprächen mit dem RMA (u. a. Veith, Laudahn) den Auftrag für diesen Versuchsmotor 1910 von der Marineleitung erhalten. Er sollte anfangs als 3-Zylindermotor mit 850 mm Kolbendurchmesser und 1050 mm Hub gebaut und erprobt werden. Als 6-Zylindermotor sollte er dann als wirtschaftliche Mittelmaschine des geplanten Linienschiffes SMS Prinzregent Luitpold dienen. In Nürnberg wurde mit dieser Arbeit im März 1910 an einer Dreizylinder-Maschine begonnen, und nach mehrfacher Änderung der Konstruktion des Arbeitszylinders wurden die thermischen Spannungen beherrscht. Immer wieder führten die hohen Beanspruchungen zu Rissen oder Brüchen. Bei einem schweren Unglück im Januar 1912 verloren zehn Mitarbeiter von Rieppel ihr Leben, 14 wurden schwer verletzt. Die Konstruktion der Motoren war sehr aufwändig. Jeder Zylinderdeckel, der obere und untere hatte vier Brennstoff- und vier Spülventile, die durch vier Steuerwellen mechanisch betätigt wurden. Die zwei Druckluft gesteuerten Anlassventile im oberen und unteren Zylinderdeckel hatten zugleich die Funktion als Sicherheitsventil. Der Nürnberger 6-Zylinder-Maschine lief im Februar 1914 zum ersten Mal und wurde bis September behutsam mit 10.000 PS belastet.

Die Brennstoffeinbringung erfolgte mit Einblaseluft, die von einem dreistufigen 600 PS-Kompressor erzeugt wurde und außerdem auch für die Anlassluft sorgte. Die waagerecht angeordneten Brennstoffventile und Plattenzerstäuber ergaben im Leistungsbereich um 10.000 PS eine unzureichende Verbrennung. Die Ergebnisse mit Hülsenzerstäuber waren erheblich besser, die Abgasfärbung nahm ab, und die Leistung stieg bei geringerem Brennstoffverbrauch. Inzwischen war der Erste Weltkrieg ausgebrochen, Gasöl wurde bald knapp und die Versuche wurden erschwert durch Verwendung von Steinkohlenteeröl in Kombination mit Zündöl. Die dazu notwendigen Vorversuche erfolgten mit einem einzylindrigen Versuchsmotor, der im April 1915 erstmals und im Mai bereits 72 Stunden und 2.130 PS mit Teeröl lief. Die Umstellung des Sechszylindermotors auf Teeröl dauerte dann bis 1917. Am 24. März 1917 wurde für zwölf Stunden die Leistung von 12.200 PS bei 135/min gefahren und Ende März erfolgte die Hauptabnahme. Dabei verbrauchte der Motor 214 g/PSh Teeröl und 29 g/PSh Zündöl. Die enorme ingenieurtechnische Leistung wurde wegen des Krieges kaum gewürdigt, andere Heldentaten standen inzwischen im Vordergrund.

Friedrich Alfred Krupp (1854-1902) in 1900
Krupp Germaniawerft, Einzylinderversuchsmotor für 2000 PS

Krupp-Germaniawerft

Im Mai 1911 erhielt die Krupp-Germaniawerft vom RMA den Auftrag für eine 6.000 PS Dreizylinder-Maschine mit 875 mm Kolbendurchmesser und 1050 mm Hub, die als Versuchsmaschine gedacht war. Nach erfolgreicher Erprobung sollte sie anschließend als Sechszylinder-Maschine mit 12.000 PS ausgebaut werden. Die Germaniawerft hatte jedoch aus eigenen Stücken schon vorher mit einem Einzylinder-Motor gleicher Abmessungen begonnen. Bei der Krupp-Germaniawerft wurden die Spül- und Brennstoffventile ölhydraulisch (mit Rizinusöl) betätigt. Die Zylinderkonstruktion wurde nach ersten Versuchen völlig geändert. Risse erforderten eine dritte und vierte Konstruktion. Dann ließ man die Spülventile weg und statt der Gleichstromspülung ging man zur Querspülung über. Hier konnte man die Ventile durch Schlitze ersetzen. Zur möglichst vollständigen Spülung erhielten die Kolbenstangen jetzt Ablenkerflächen, die die Strömung beeinflussten. Nach ersten Versuchen mit einer Einzylindermaschine war die Dreizylindermaschine im Juli 1912 für Prüfstandsversuche fertig. Im Mai 1914 wurde eine Zylinderleistung von 1.760 PS bei 150/min erreicht, eine höhere Belastung vertrugen die Kolben nicht. Daher wurden neue Kolben konstruiert, die Bronzehaube wurde durch eine Stahlgusshaube ersetzt. Damit wurden 1.800 PS/Zylinder ermöglicht und die Marineleitung erteilte die Genehmigung zum Ausbau als Sechszylindermaschine, die im August 1916 fertig gestellt war. Im Mai 1917 wurden 10.600 PS bei 140/min während einer fünftägigen Dauererprobung gefahren, für eine Stunde wurden 12.060 PS bei 150/min erreicht. Ähnlich wie bei der MAN-Maschine wurden die fantastischen Leistungen der an diesem Erfolg beteiligten Ingenieure, Techniker und Versuchspersonal kaum gewürdigt, denn der Krieg war inzwischen fast verloren. Die Marine hatte andere Sorgen, die Maschinen wurden weitgehend verschrottet und so gerieten die 12.000 PS Maschinen schnell in Vergessenheit.

Verwandte Themen

Literatur

  • Romberg, F.: Über Schiffsgasmaschinen, STG Jahrbuch Nr. 11/1912, S. 437
  • Bauer, G.: Der Schiffsmaschinenbau, 3. und 4. Band, Verlag von R. Oldenbourg, München und Berlin 1941
  • Sass, F.: Geschichte des deutschen Verbrennungsmotorenbaues von 1860 bis 1918. Springer Verlag 1962.
  • Bösche, K.; Hochhaus, K.-H; Pollem, H.; Taggesell,J.: Dampfer, Diesel und Turbinen – Die Welt der Schiffsingenieure, 2005 Convent Verlag, Hamburg

Weblinks


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