Erstgeburtstitel

Erstgeburtstitel

Erstgeburtstitel (oder Primogeniturtitel von lat. "primus" der erste und "genitus" geboren) sind nach alter Sitte bzw. altem Adelsrecht ein oder mehrere Titel, die nur an den Erstgeborenen, nicht aber an die weiteren Nachgeborenen weitervererbt wurden. Erstgeburtstitel kamen als vererbbare Primogentiturtitel bei Familien des hohen Adels (z. B. Fürst von Schönburg-Hartenstein, ältester Sohn Erbprinz von Schönburg-Hartenstein, die Nachgeborenen Prinzen bzw. Prinzessinen von Schönburg-Hartenstein), aber auch bei Familien des niederen Adels (z. B. Erstgeburtstitel Graf von Wuthenau-Hohenthurm, die Nachgeborenen "nur" von Wuthenau-Hohenturm) vor.

Die Erstgeburts- oder Primogeniturtitel waren in unterschiedlicher Kombination denkbar (zum Beispiel Fürst und Graf zu Stolberg, der älteste Sohn Erbprinz zu Stolberg, die Kinder des Fürsten und des Erbprinzen Prinzen und Prinzessinnen zu Stolberg-Stolberg, die übrigen Nachgeborenen Grafen bzw. Gräfinnen zu Stolberg-Stolberg). Die Erstgeburtstitel konnten bis 1920 weder durch Erbschaft noch durch Adoption oder sonstwie auf ein anderes Geschlecht übertragen werden und erloschen mit dem Aussterben des damit beliehenen Geschlechts.

Inhaltsverzeichnis

Namensbestandteil (Deutschland)

Seit dem Inkrafttreten der Weimarer Reichsverfassung von 1919 mit der Aufhebung der adeligen Standesvorrechte gelten Erstgeburtstitel wie alle Adelstitel nur noch als Bestandteil des Namens und dürfen nicht mehr verliehen werden.[1] Personen, die bis 1919 Adelstitel führten, welche auf Primogenitur beruhten, konnten diese bis an ihr Lebensende als ihren Namensbestandteil weiterführen. Das Preußische Adelsgesetz vom 23. Juni 1920 führt dazu im § 22 aus:

„Stand zur Zeit des Inkrafttretens der Reichsverfassung einem Familienangehörigen vor den anderen Familienangehörigen eine besondere Bezeichnung zu, so darf er diese Bezeichnung für, seine Person […] beibehalten.[2]

Sie konnten ihre Primogeniturtitel aber nicht mehr vererben, auch nicht in ihrem eigenen Geschlecht. Seit beispielsweise die im Jahr 1919 noch lebenden Personen des Namens Fürst von Bismarck und Fürst von Thurn und Taxis verstorben sind, sollte es nur noch den Namen Graf von Bismarck bzw. Prinz von Thurn und Taxis sowie die entsprechenden weiblichen Deklinationen geben. Die bekannte „Fürstin“ Gloria heißt demnach korrekt Prinzessin von Thurn und Taxis, so wie die übrigen Mitglieder der Familie. Die Namensbestandteile Herzog, Fürst oder Graf gibt es nur noch, wenn die ganze Familie so heißt (zum Beispiel die Familie Fürst von Urach oder Herzog von Württemberg).

Ehemals adelige Familien mit vor 1919 primogen erworbenen Titeln sind gegen die Abschaffung mehrfach auch schon während der Weimarer Republik vergeblich vor Gericht gezogen:

Das Reichsgericht, so berichtete der Spiegel in Heft 15/1966,[3] beseitigte schließlich jeden Zweifel an der Rechtslage. Es entschied, dass …

„… das beim Adel oft einzelnen Familienangehörigen, namentlich dem Familienoberhaupt [zustehende Recht], eine ihn vor den übrigen Familienangehörigen auszeichnende Bezeichnung, zum Beispiel als "Fürst" oder "Graf", zu führen nicht als Teil des Familiennamens gelten [könne], weil der Familienname […] sich auf alle Abkömmlinge des Namensträgers vererbe.“

Mit der vom Spiegel angeführten Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht mit 11. März 1966 die namensrechtliche Regelung der Weimarer Reichsverfassung, die nach Art. 123 Grundgesetz als einfaches Bundesrecht weitergilt, bestätigt.[4] In dem Verfahren, das dieses höchstrichterliche Grundsatzurteil herbeiführte, ging es um einen Kläger mit dem Namensbestandteil "Freiherr von", dessen Vorfahren seit 1840 den Grafentitel führten und dessen verstorbener Vater nach dem Primogenituradel noch die alte Adelsbezeichnung "Graf von" als Bestandteil seines Namens geführt hatte. Der Kläger beanspruchte trotz der an ihn herangetragenen Zweifel des von den Deutschen Adelsvereinigungen unterhaltenen Adelsarchivs und der zuständigen Personenstandsbehörde, die ihm lediglich den amtlichen Namensbestandteil "Freiherr" zugestand, in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren den Namensbestandteil "Graf". Die Klage wurde in allen drei verwaltungsgerichtlichen Instanzen unter Hinweis auf die Weimarer Reichsverfassung, Art. 109 Abs. 3 und das Namenänderungsgesetz, § 8, bis zum Bundesverwaltungsgericht mit der Begründung abgewiesen, dass er nicht befugt sei, "seinen freiherrlichen Namen beim Tode seines Vaters in einen gräflichen Namen zu ändern, weil er nur zur Führung eines freiherrlichen Namens berechtigt" sei.[5]

Früher nach dem Adelsrecht primogen in der Familie weitervererbte Titel können mit der Aufhebung der Adelsvorrechte und der damit verbundenen Abschaffung des Primogenituradels nicht mehr als Teil des bürgerlichen Familiennamens geführt werden. Umgekehrt ist der Verzicht auf einen Titel oder das sogenannte Adelsprädikat „von“ nicht ohne weiteres möglich. Da es sich bei diesen um Bestandteile des Namens handelt, stellt der Verzicht eine Namensänderung dar, die rechtsgültig nur nach einem entsprechenden Namensänderungsverfahren vor den zuständigen Behörden möglich ist.

Adelsrecht (Österreich)

In Österreich stellt sich die Problematik insofern nicht, da mit dem Adelsaufhebungsgesetz von 1919 der Adel, seine äußeren Ehrenvorzüge, sowie bloß zur Auszeichnung verliehene, mit einer amtlichen Stellung, dem Beruf oder einer wissenschaftlichen oder künstlerischen Befähigung nicht im Zusammenhang stehenden Titel und Würden und die damit verbundenen Ehrenvorzüge österreichischer Staatsbürger aufgehoben wurden. Damit sind, im Gegensatz zu Deutschland, die ehemaligen Adels- bzw. Primogeniturtitel auch nicht zu einem Bestandteil des Namens geworden.

Siehe auch

Weblink

Website Adelsrecht.de – Lexikon der Adelsbegriffe

Einzelnachweise

  1. Siehe Art. 109 Abs. 3 Weimarer Verfassung (Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, BGBl. III, Gliederungsnummer 401-2).
  2. Preußisches Adelsgesetz: Online (PDF zum Gesetzestext mit Dokument anzeigen rechts oben erreichbar.)
  3. Primogenitur – Nur eine Silbe. In: Der Spiegel, Heft 15/1966, 4. April 1966, S. 61. (Volltext in Spiegel Online.)
  4. 11. März 1966 BVerwG VII C 85/63, abgedruckt in: BVerwG Amtliche Sammlung Bd. 23, S. 344–347. (Volltext bei Wikisource.)
  5. Bundesverwaltungsgericht, Az. VII C 85/63.

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