Fabelheraldik

Fabelheraldik
Imaginäre Symbolik von "Gevatter Tod" in einem Fabelwappen (Bild von Hans Holbein der Jüngere)

Fabelheraldik ist die Lehre des imaginären ("bildhaften") Wappenwesens und umfasst primär die Bereiche „imaginäre Wappenkunde“ und „imaginäre Wappenkunst“. Die Imaginäre Heraldik beschäftigt sich mit Wappen, die in ihrem Aufbau, ihrer Symbolik und/oder in ihrer Bedeutung bezug nehmen auf Menschen oder menschenartige Wesen, die vor dem Entstehen der Heraldik Teil des kollektiven Gedächtnis respektive der kollektiven Vorstellung waren.

Zu den „Imaginären Menschen/Menschenartigen“, die in der Heraldik aufgegriffen werden, zählen zum Beispiel die fiktiven Charaktere literarischer Helden, mythologische Menschwesen, aber auch Personifikationen (zum Beispiel menschenartige Figuren, die einen abstrakten Inhalt allegorisch verkörpern wie Gevatter Tod, die Tugenden oder das Laster et cetera).

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Lehre der imaginären Wappen geht auf den französischen Historiker und Heraldiker Michel Pastoureau (1947-) zurück. Nach seiner Ansicht zählt diese zu den wichtigsten wissenschaftlichen Feldern der heraldischen Forschung, die sich seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eröffneten[1].

Es ist kein Zufall, dass die Imaginäre Heraldik ihren Ausgangspunkt in Frankreich nimmt. Schon im 20. Jahrhundert etablieren sich dort umfangreiche, interdisziplinäre Forschungen zum „l’imaginaire“ (dt. "das Imaginäre"), an der insbesondere die französische Philosophie und Soziologie intensiv beteiligt sind. Wichtige Autoren in diesem Zusammenhang sind Michel Maffesoli, Jean-Luc Nancy, Jean-Paul Sartre, Cornelius Castoriadis und im engeren Sinne auch die Schriften des französischen Psychoanalytikers Jacques Lacan.

Ob die Imaginäre Heraldik im Zuge der zunehmenden Lacan- und Pastoureau-Rezeption ein fester Bestandteil der deutschen Heraldik wird, ist noch offen.

Die imaginären Wappenarten

Imaginäres Wappen: Der Held Roland im Wappen des Ortes Wedel

Es gibt verschiedene Arten von Imaginären Wappen. Der Historiker Michel Pastoureau schlägt folgende Kategorisierung vor:

  • Helden und Götter der germanischen und skandinavischen Mythologie: Die Wappen-Darstellungen in dieser Kategorie sind momentan weniger zahlreich als jene aus der griechisch-römischen Mythologie. Zur Kategorie zählen zum Beispiel Wappen mit Referenz auf Odin, Thor, Siegfried dem Drachentöter oder auf Helden des Nibelungenliedes.[7]
  • Echte oder eingebildete Helden und Persönlichkeiten, die außerhalb des westlichen Christentums lebten: Kaiser von Konstantinopel, Emire, Wesire und Sultane, Attila, chinesische Kaiser oder die Fürsten und Prinzen aus deren Umgebung[8].
  • Personen, Königreiche und Plätze, die durch die mittelalterliche Phantasie geschaffen wurden (zum Beispiel der Priesterkönig Johannes).
  • Literarische Helden wie zum Beispiel Roland und seine Gefährten[11], Personen aus germanischen Romanen[12], Artus und seine Gefährten.
  • Verschiedene Personifikationen: Laster und Tugenden, allegorische Personifikation (wie im Rosenroman), Tierfiguren mit einem Menschen (wie in Reineke Fuchs), Flüsse, Winde und der Welt.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Michel Pastoureau, L'Art de l'héraldique au Moyen Âge, éditions du Seuil, Paris, octobre 2009, ISBN: 978-2-02-098984-8, Seite 192.
  2. C. Raynaud, Images et pouvoirs au Mouen Âge, Paris, 1993, p. 101-114.
  3. R.L. Wyss, Die Cäsarteppiche und ihr ikonographisches Verhältnis zur Illustration des Faits des Romains im 14. und 15 Jahrhundert, dans Jahrbuch des Bernischen Historischen Museums in Bern, t.35-36, 1955-1956, p.103-232.
  4. R. Folz, Le souvenir et la légende de Charlemagne dans l'Empire germanique médiéval, Paris, 1950.
  5. N. Civel, Les Neuf Preux et leurs armoiries. Un cas d'héraldique imaginaire, mémoire de maîtrise, Nanterre, Université de Paris X, 1995, dactyl.
  6. C. Van den Bergen-Pantens, Guerre de Troie et héraldique imaginaire", dans Revue belge d'archéologie et d'histoire de l'art, t.52, 1983, p.3-22.
  7. O. Höfler, Zur Herkunft der Heraldik, in Festschrift Hans Sedlmayr, Munich, 1962, p. 134-200 ; G. Scheibelreiter, Tiernamen und Wappenwesen, Vienne et Cologne, 1976.
  8. M. Mollat du Jourdain et J. Devisse, L'Image du Noir dans l'art occidental, t. II : Des premiers siècles chrétiens aux grandes découvertes, Fribourg, 1979.
  9. H. Hostmann, Die Wappen der Heiligen drei Könige, dans Kölner Domblatt. Jahrbuch des Zentral-Dombauvereins, t. 30, 1969, p. 49-66.
  10. R. Dennys, The heraldic imagination, Londres, 1975, p. 96-102
  11. R. Lejeune et R. Stiennon, La légende de Roland dans l'art du Moyen Âge, Bruxelles, 1966.
  12. G.A. Seyler, Geschichte der Herldik, Nuremberg, 1890, p. 1-135.

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