Flughafen Mokotów

Flughafen Mokotów
Flugplatz-Gedenkstein im heutigen Park „Pole Mokotowskie“
Auf dem Bild von 1933 ist rechts die ovale Pferderennbahn und links das Flugplatzgelände auf dem Pole Mokotowskie zu erkennen

Der Flughafen Mokotów (polnisch Lotnisko Mokotowskie) war ein Warschauer Flugplatz von 1910 bis 1947. Er lag auf dem Pole Mokotowskie, einem Terrain südlich der Innenstadt. Er war der erste Flughafen Warschaus und einer der ersten in Europa.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Bis zur Einrichtung des Flugplatzes hatten Flugvorführungen behelfsmäßig bereits auf der ebenfalls auf Pole Mokotowskie gelegenen Mokotów-Pferderennbahn stattgefunden. Der Franzose Georges Legagneoux[1] führte dort am 16. September 1909 erstmalig ein von Gabriel Voisin konstruiertes Flugzeug vor. Das Flugzeug hob jedoch nicht richtig ab und das Publikum verlangte die Rückgabe des Eintrittsgeldes. Nachdem ein störender Zaun zwischen der Pferderennbahn und dem angrenzenden Gebiet entfernt worden war, konnte der französische Pilot am folgenden Tag einen 1500-Meter-Flug zeigen. Das nächste Flugzeug wurde am 15. und 16. November 1909 vom belgischen Baron Pièrre de Caters[2] vorgeführt. Die Maschine blieb drei Minuten in der Luft und flog mehrere Kurven. Diese beiden Flüge aus der Pionierzeit der Luftfahrt legten den Grundstein zur Schaffung eines Flughafens.

Im Jahre 1910 erlaubte der zaristische Statthalter der Hauptstadt Kongresspolens der neugegründeten Fluggesellschaft „Awiata“ (poln.: Towarzystwo Lotnicze „Awiata“) dort die Einrichtung eines Flughafens mit Konstruktionsanlagen[3] sowie der ersten zivilen Pilotenschule Polens.[4] Unter dem Eigentümer der „Awiata“, dem bedeutenden Warschauer Unternehmer Stanisław Lubomirski,[5] wurde eine Anlage auf dem bis dahin von russischen Einheiten genutzten militärischen Übungsgelände, dem Pole Mokotowskie errichtet.[6]

Am 15. März 1911 startete der polnische Pilot Michał Scipio del Campo[7] erstmalig vom neuen Flugfeld aus zu einem 17-minütigen Flug über Warschau. Er verwendete eine Etrich Taube. In den neuen Flugzeughallen konstruierte Czesław Tański seine „Łątka”. Hier entstand auch das Flugzeug von Czesław Zbierański[8] und Stanisław Cywiński,[9] genannt „Zbierański i Cywiński“[10] das auf seinem Erstflug ebenfalls von Campo geflogen wurde.

Bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges war der Flugplatz ein beliebter Sport- und Zivilflugplatz. Hier unterrichteten Flugpioniere wie der Russe Henryk Segno.[11] Die Pilotenschule der Awiata verfügte in der Zeit über sieben Flugzeuge: drei Doppeldecker der Firma Farman, zwei Eindecker des Typs Etrich sowie zwei Blériot-Modelle.[6] Am 28. Mai 1913 verunglückte hier der polnische Oberleutnant Aleksander Perkowski. Nach Start und einem mehrminütigem Flug stürzte er aus etwa 100 Metern Höhe ab. Der schwerverletzt Geborgene starb auf dem Weg in das Krankenhaus.[6]

Erster Weltkrieg und Nachkriegszeit

Während des Ersten Weltkrieges wurde der Flugplatz von deutschen Truppen besetzt und genutzt. Es wurden 21 neue Hangars – auch für Luftschiffe vom Typ Parseval – ein Schulungs- sowie verschiedene Wirtschaftsgebäude errichtet.[4] Bereits beim Kriegsende wurde überlegt, den Flugplatz wegen der Begrenzung eines weiteren Ausbaus aufzulösen und den Flugbetrieb der Hauptstadt an drei andere Orte zu verlegen: Sportflugzeuge sollten demzufolge auf einem Flugplatz in Młociny,[12] Militärflugzeuge in Okęcie und Verkehrsflugzeuge in Gocław[13] abgefertigt werden.

Im Jahr 1919 wurde die Anlage jedoch zunächst als Militärflugplatz (so hatte das I Pułk Lotnictwa[14] hier seine Hangars und Unterkünfte) und von der polnischen Flugzeugindustrie genutzt. 1921 eröffnete das polnische Eisenbahn-Ministerium hier erneut auch einen zivilen Flugbetrieb, der fortan „Flug-Station“ genannt wurde. Von hier aus wurde die Linie Paris–Straßburg–Prag–Warschau der französischen Fluggesellschaft Compagnie Franco-Roumaine de Navigation Aérienne bedient. Im ersten Jahr des Flugbetriebes wurden Reisende und Verwaltung in ausrangierten Bahnwaggons im südlichen Ende des Flugfeldes untergebracht. 1922 wurde ein Abfertigungsgebäude etwa an der heutigen Kreuzung von Wawelska-Straße und Niepodlegości-Allee errichtet. Die Station wurde erst von der Gesellschaft Aerolloyd betrieben, ab 1925 durch Aerolot und ab 1929 von der Polskie Linie Lotnicze LOT,[6] die 1930 den IATA-Code LO erhielt. Zunächst wurden von der polnischen Gesellschaft Bukarest, bis 1927 auch Athen, Beirut und Helsinki angeflogen.

Im Jahr 1926 flog der Pilot Bolesław Orliński mit seinem Mechaniker Leonard Kubiak erstmals die Distanzstrecke Warschau–Tokio–Warschau. 1927 wurde dann endgültig entschieden, Okęcie zum Hauptflughafen der Stadt zu machen. Ab 1934 übernahm er den gesamten bisher auf dem Pole Mokotowskie abgewickelten Linienflugverkehr. Bereits seit 1927 war der Flugplatz Mokotów Sitz des Akademischen Flugclubs Warschau (Akademicki Aeroklub Warszawski),[15] dessen Name 1931 in Aeroklub Warszawa geändert wurde.

Am 1. Januar 1928 wurde der Flugzeughersteller Państwowe Zakłady Lotnicze „PZL“ als staatliches Unternehmen gegründet. Die „PZL“ war aus der Zentralen Warschauer Flugzeugwerkstatt „CWL“ (Centralne Warsztaty Lotnicze) hervorgegangen, die bereits 1919 auf dem Gelände des Flugplatzes Mokotów entstanden war. Zunächst waren vor allem Lizenzproduktionen ausländischer Modelle gefertigt worden. Unter der späteren Leitung von Zygmunt Puławski entstanden auch eigene Konstruktionen, wie die erfolgreichen Jagdflugzeuge PZL P.7 oder PZL P.11.

Die Ära der großen Flugwettbewerbe

Eröffnungszeremonie zum 4. Europarundflug (FAI International Touring Aircraft Contest) am 28. August 1934[16]

Der Flugplatz war 1931 Start- und Landeplatz von Stanisław Skarżyńskis[17] großem Afrika-Rundflug, bei dem er mit seiner polnischen PZL Ł-2 (Registrierung: SP-AFA) zwischen dem 1. Februar und dem 5. Mai 1931 eine Gesamtdistanz von 25.770 Kilometer zurücklegte.[10]

Im Jahr 1934 fand der Europarundflug der Fédération Aéronautique Internationale („FAI“) in Warschau statt, da beim vorangegangenen Wettkampf im August 1932 in Berlin der Pole Franciszek Żwirko[18] mit seinem Ingenieur Stanisław Wigura[19] auf einer RWD-6 gewonnen hatte. Im Juni 1933 waren die Wettbewerbsregeln für den 1934er Europarundflug ausgeschrieben worden. Wie schon zuvor wurde in drei Kategorien bewertet: die Technik, die Geschwindigkeit sowie das Abschneiden bei einem Distanzflug über Europa. Die Eröffnungszeremonie wurde am 28. August 1934 mittags auf dem Flugplatz Mokotów in Warschau abgehalten. Das italienische Team war bei der Eröffnung noch nicht anwesend, weil deren Teilnehmer auf dem Flug von Italien nach Warschau in schlechtes Wetter geraten waren. Die siegreiche Mannschaft stellte wiederum das polnische Team: der Erstplatzierte war der Pilot Jerzy Bajan mit seinem Mechaniker Gustaw Pokrzywka, der Zweitplatzierte Stanisław Płonczyński mit S. Ziętek. Beide hatten eine RWD-9 geflogen. Damit hätte Warschau das Recht gehabt, auch den nächsten Europarundflug (1936) auszurichten; es lehnte dieses aber aus finanziellen Gründen ab. Da auch die anderen teilnehmenden Nationen den Wettbewerb nicht mehr ausrichten wollten, war der Warschauer Europarundflug der Letzte der Serie. Der Wanderpokal verblieb beim Polnischen Aero Club.

In den Jahren 1934, 1935 und 1936 war der Flugplatz Startpunkt der internationalen Ballonsportveranstaltung Gordon-Bennett-Cup. Der Pole Franciszek Hynek konnte 1934 seinen Vorjahressieg in Chicago hier wiederholen. Sein Copilot war Władysław Pomaski.[20] In 57 Stunden und 54 Minuten war der Ballon 1.650 Kilometer bis nach Tiszkino bei Stalingrad geflogen. Im Folgejahr (1935) siegte der Pole Zbigniew Burzyński, der 1933 bereits Copilot von Hynek gewesen war, auf der „SP-AMY Polonia II“.

1935 wurde eine umfangreiche Wohnbebauung des ehemaligen Flughafen-Geländes auf der Pole Mokotowskie geplant. Der neu zu erstellende Stadtteil sollte nach Józef Piłsudski benannt werden. Auch der bereits seit 150 Jahren geplante Tempel der Göttlichen Vorsehung sollte nun hier errichtet werden. Diese Pläne wurden nicht umgesetzt; der Flugplatz Mokotów blieb bis 1947 bestehen und wurde vor Allem als Sport- und Militärflugplatz genutzt. Der Flughafen blieb auch ein Zentrum für die Ausbildung von Piloten, Mechanikern und Beobachtern.

Zweiter Weltkrieg und Einstellung des Flugbetriebs

Das im Jahr 2003 eingeweihte Denkmal der Piloten des Zweiten Weltkrieges (Pomnik Lotników Polskich) im Nordosten von Pole Mokotowskie

Im Jahr 1939 spielte der Flugplatz bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges noch einmal eine wichtige Rolle. Hier bildete die Brygada Pościgowa (ein ursprünglich in Kraków stationiertes Regiment mit zwei Geschwadern und zusammen 5 Staffeln, die mit PZL P.11 und PZL P.7-Jagdflugzeugen ausgestattet waren) mit der 152. Eskadra Myśliwska (eine mit verschiedenen Typen der PZL P.11 ausgerüstete Jägerstaffel, die der Modlin-Armee unterstellt war) und der 41. Eskadra Rozpoznawcza (eine mit Flugzeugen der Typen PZL.23 Karaś und PZL.43 ausgestattete Aufklärungs-Staffel aus Toruń) ab dem 9. September 1939 den Zespół Lotniczy Obrony Warszawy.[4] Die hier startenden Einheiten wurden im Abwehrkampf um Warschau eingesetzt.[10]

Während der Besetzung Warschaus durch die deutschen Truppen kam der Flugverkehr auf dem Flugplatz Mokotów fast völlig zum Erliegen. Nach Kriegsende wurde der Flugplatz in Mokotów II umbenannt. Er wurde vor Allem zu den Paraden anlässlich der Feiern zum Tag des Sieges am 9. Mai genutzt. 1947 wurde die Anlage endgültig liquidiert, zum Teil bebaut (wie mit der heutigen Hauptverkehrsstraße Aleja Niepodległości und dem neuen Gebäude der polnischen Nationalbibliothek) und zum Park Pole Mokotowskie umgestaltet. An die Geschichte des Flugplatzes erinnert heute ein Denkmal auf einer kleinen Anhöhe im Park.

Weblinks

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Georges Legagneoux (1882–1914) war ein französischer Flugpionier.
  2. Pièrre de Caters (1875–1944) war ein belgischer Flugpionier.
  3. gem. Artikel The Polish Airforce 1918–1939. bei Polandinexile.com (in Englisch)
  4. a b c gem. Information Lotnisko Mokotowskie. auf der Webseite der Stadt Warschau (in Polnisch)
  5. Stanisław Prinz Lubomirski (1875–1932) war ein polnischer Unternehmer und Finanzier. Er gehörte zu den wohlhabendsten und einflussreichsten polnischen Unternehmern seiner Zeit. Unter anderem war er der Vorsitzende des damaligen Arbeitgeberverbandes Lewiatan, des Verbandes der Industrie sowie des Bankenverbandes, gem. der Information Aleja Zasłużonych. zum Warschauer Powązki-Friedhof (in Polnisch)
  6. a b c d gem. Artikel Historia Pole Mokotowskiego. auf Polamokotowskie.pl (in Polnisch)
  7. Michał Scipio del Campo (1887–1984) war ein polnischer Pilot, Ingenieur und Pionier der polnischen Luftfahrt.
  8. Czesław Zbierański (1885–1982) war ein polnischer Major, Ingenieur, Flugzeugkonstrukteur und Pilot.
  9. Stanisław Cywiński (1884–1939) war ein polnischer Ingenieur und Flugzeugkonstrukteur.
  10. a b c gem. Artikel Lotnisko Mokotowskie. auf der Webseite des Warschauer Clubs der Luftfahrt-Senioren (in Polnisch: Warszawski Klub Seniorów Lotnictwa) (in Polnisch)
  11. Henryk Segno (1882–1964), gem. Webseite des Museums in Czeladź (in Polnisch)
  12. Der Flugplatz Młociny, auch als Flugplatz Bielany bekannt, war ein Sportflugplatz, der in den 1950er Jahren liquidiert wurde.
  13. Der Flugplatz Gocław wurde in den 1970er Jahren liquidiert.
  14. 1. Luft-Geschwader
  15. Der Akademicki Aeroklub Warszawski wurde am 19. Oktober 1927 gegründet. Der derzeitige Sitz des Clubs befindet sich in Warschau-Babice (Bielany).
  16. Vlnr: Polnisches Team (sieben Hochdecker RWD-9 and fünf Tiefdecker PZL.26), tschechisches Team (ein Hochdecker RWD-9 und zwei Tiefdecker Aero A.200), deutsches Team (dreizehn Tiefdecker der Typen Messerschmitt Bf 108, Klemm Kl 36 und Fieseler Fi 97). Das fehlende italienische Team war wegen schlechten Wetters noch nicht angekommen und verpasste die Zeremonie.
  17. Stanisław Jakub Skarżyński (1899–1942) war ein polnischer Pilot und Offizier, der durch mehrere Langstreckenflüge bekannt wurde.
  18. Franciszek Żwirko (1895–932) war ein polnischer Militär- und Sportpilot. In Polen gibt es zahlreiche nach ihm und seinem Ingenieur und Co-Piloten Wigura benannte Straßen.
  19. Stanisław Wigura (1903–1932) war ein polnischer Flugzeugingenieur und -Konstrukteur und gehörte zu den Gründungsmitgliedern der luftfahrttechnischen Fakultät an der Technischen Hochschule in Warschau.
  20. gem. Zeittafel der Ballonfahrt-Geschichte: 1900–1950. bei Ballonfahrer-online.de
52.21083321

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