Frankfurter Allee Süd

Frankfurter Allee Süd

Frankfurter Allee Süd ist ein Wohngebiet im Berliner Ortsteil Lichtenberg des gleichnamigen Bezirks. Das Gebiet hat etwa 10.000 Einwohner, die meisten davon in den Häusern einer in den 1970er Jahren entstandene Großsiedlung. Namensgebend ist die Straße Frankfurter Allee.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Das Wohngebiet liegt im Südwesten des Bezirks Lichtenberg etwa sechs Kilometer östlich des Alexanderplatzes. Nach Norden trennt es die breite Frankfurter Allee von den anderen Teilen des Ortsteils Lichtenberg. In die anderen Richtungen bilden mehrere Bahnstrecken, meist in Hochlage verlaufend, eine deutliche Grenze zu den benachbarten Gebieten. In Richtung Westen liegt hinter der Berliner Ringbahn der Ortsteil Friedrichshain. Richtung Süden trennt eine Verbindungsbahn das Gebiet von der Victoriastadt, Richtung Südosten schließt sich hinter den ausgedehnten Anlagen des Bahnhofs Lichtenberg der Weitlingkiez an.

Geschichte

Mauritiuskirche mit Pfarrhaus

Ab 1771 entstand an der Frankfurter Chaussee, der heutigen Frankfurter Allee, südlich des Dorfes Lichtenberg die Kolonie Friedrichsberg. Sie erstreckte sich entlang der Frankfurter Chaussee zu beiden Seiten der Kreuzung mit der heutigen Gürtel- Ecke Möllendorfstraße.[1] Die Kolonie, die stets zu Lichtenberg gehörte, entwickelte sich zunächst nur langsam, 1817 wurden 46 Einwohner gezählt, 1840 waren es 225.[2] Seit 1871 erschließt die Berliner Ringbahn das Gebiet, Friedrichsberg bekam einen Bahnstation, den späteren Bahnhof Berlin Frankfurter Allee. Die anschließende Bebauung mit größeren Mietskasernen konzentrierte sich vor allem auf das Gebiet innerhalb der Ringbahn.[3] Einige Wohnbauten entstanden außerhalb der Bahnstrecken auch auf dem heutigen Gelände des Wohngebietes Frankfurter Allee Süd östlich der Ringbahn. Markantestes Bauwerk in diesem Areal war die 1892 geweihte katholische Kirche St. Mauritius. Daneben gab es hier einige Ausflugsgaststätten, darunter die Gaststätte Schwarzer Adler mit Biergarten an der Frankfurter Allee Ecke Gürtelstraße, die bereits 1844 auf Landkarten namentlich verzeichnet war.[4] Die Wohnbebauung konzentrierte sich vor dem Zweiten Weltkrieg auf den Westteil des Areals, daneben gab es Gärten und einige Betriebe. Seit den 1870er Jahren waren im Bereich Frankfurter Allee /Eckertstraße (der heutigen Buchberger Straße) die Eckert-Werke entstanden, ein großer Betrieb zur Produktion von Landmaschinen. Anfang der 1930er Jahre wurde dort die Produktion eingestellt.

1907 bekam Lichtenberg das Stadtrecht, 1920 wurde die Stadt Lichtenberg Teil von Groß-Berlin.

Zum Ende des Zweiten Weltkriegs wurde ein Großteil der Bebauung bei Bombenangriffen zerstört. Vor allem war das Gebiet direkt an der Frankfurter Allee betroffen, wo die meisten Häuser zerstört wurden.

Das heutige Wohngebiet Frankfurter Allee Süd war bis in die 1960er Jahre ein relativ locker bebautes Gebiet aus einzelnen Wohnhäusern, kleineren Betrieben, Gärtnereien und Werkstätten. Vor allem im südöstlichen Teil des Gebietes gab es Kleingärten.[5]

Namensgebung der John-Sieg-Straße, 1972

Ende der 1960er Jahre wurde in Ost-Berlin dringend Wohnraum benötigt und eine Reihe von Neubaugebieten entstanden. Da das Gebiet südlich der Frankfurter Allee vergleichsweise locker bebaut war, wurde es zum Standort eines Neubaugebietes gewählt und der größte Teil der vorhanden älteren Bebauung abgerissen und die Kleingärten, die teilweise auch als Wohnraum dienten, beseitigt.[6]

Im Jahre 1969 begann der Bau des Neubauwohngebietes, das ursprünglich mit 4372 Wohneinheiten für 16.000 Einwohner vorgesehen war.[7] Nur ein kleiner Teil der ursprünglichen Bebauung blieb erhalten. Eine Reihe von Wohnungen und Gewerbeeinheiten musste geräumt werden, um Baufreiheit zu schaffen. Auch in den folgenden Jahren wurde noch einige weitere alte Häuser abgerissen. So wurde erst 1977 das im Besitz der St.-Mauritius-Gemeinde befindliche Haus Wartenbergstraße 12 geräumt.[5]

Ursprünglich war eine C-Tangente genannte Stadtautobahn geplant, die das Wohngebiet in zwei Teile geteilt hätte.[7] Diese wurde allerdings nicht verwirklicht. Die Straßen im neuen Wohngebiet wurden nach antifaschistischen Widerstandskämpfern der Gruppe Rote Kapelle benannt, die 1942/1943 von den Nationalsozialisten hingerichtet wurde. Ein Teil der Wohnungen wurde an Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR vergeben, dessen Zentrale direkt gegenüber dem Wohngebiet auf der anderen Straßenseite der Frankfurter Allee lag.

Nach 1990 wurden die Wohnbauten nach und nach saniert. Dabei kamen Mittel aus dem Urban II-Programm der Europäischen Union zum Einsatz.

Straßen und Bauten

Schulze-Boysen-Straße

1905 erbaute denkmalgeschützte Mildred-Harnack-Schule an der Schulze-Boysen-Straße
Kiezspinne und Hochhaus an der Schulze-Boysen-Straße

Die Schulze-Boysen-Straße ist nach den Mitgliedern der Roten Kapelle, Harro und Libertas Schulze-Boysen benannt. Sie verläuft von Nord nach Süd durch das Wohngebiet. Vor dem Bau des Wohngebietes hieß die Straße Pfarrstraße, die südlich anschließende Straße in der Victoriastadt trägt weiterhin diesen Namen. Beim Bau des Neubaugebietes wurden eine Reihe von Häusern in der Straße abgerissen, darunter fast die gesamte Ostseite.[5] Der ursprüngliche Nordteil der Straße, die früher geradlinig zur Frankfurter Allee führte, wurde überbaut und die Straße etwas versetzt neu angelegt. Die Straße auf der Ostseite mit einem langgezogenen Wohnblock gebaut, im Norden und Süden der Straße entstanden einige Hochhäuser. Das 21- beziehungsweise 18-geschossige Doppelhochhaus mit den Hausnummern 35–37 wurde 2006 saniert und zu einem Niedrigenergiehaus, dem größten Niedrigenergiehaus in Deutschland, ausgebaut.[8]

Auf der Westseite der Straße haben sich von der alten Bebauung einige Wohnhäuser und eine Schule erhalten. Das 1904/1905 von Hans Schütte erbaute Schulgebäude steht unter Denkmalschutz.[9] Am Südende der Straße wurde beim Bau des Wohngebietes ein weiteres Schulhaus gebaut. Nach der Wende wurde es nicht mehr benötigt und abgerissen. An dieser Stelle entstand ab 2004[10] das Nachbarschaftshaus Orangerie, in der das sozio-kulturelle Zentrum Kiezspinne FAS (FAS steht für Frankfurter Allee Süd) diverse Angebote für die Einwohner bereitstellt.

Der Westen des Wohngebietes

Wohnhaus in der Frankfurter Allee östlich der Gürtelstraße kurz vor seiner Fertigstellung, 1973
Kulturvilla in der John-Sieg-Straße

Vor dem Bau des Wohngebietes Frankfurter Allee Süd verliefen zwischen Gürtelstraße und Pfarrstraße parallel der Kietzer Weg, die Wartenbergstraße und die Tasdorfer (früher Rummelsburger) Straße in Nord-Süd-Richtung. In Ost-West-Richtung gab es die kurze Maritiuskirchstraße und ihre Verlängerung, die Wuhlestraße sowie südlich zwischen Tasdorfer und Pfarrstraße den Lockenhauser Weg. Die katholische Kirche St. Mauritius wurde ursprünglich vor allem von Zuwanderern aus Schlesien genutzt, die mit der zunehmenden Industrialisierung Ende des 19. Jahrhunderts als Arbeitskräfte nach Berlin kamen.[6] Im Zweiten Weltkrieg erlitt die Gegend schwere Schäden, die Wohngebäude auf der südlichen Seite der Frankfurter Allee wurden zerstört. Auch das Gebäude der Gaststätte (später mit Kino) Schwarzer Adler an der Frankfurter Allee, Ecke Gürtelstraße wurde zerstört.

Mit dem Bau des Plattenbaugebietes wurden diese Straßen mit Ausnahme der Mauritiuskirchstraße aufgehoben und überbaut. Namensgeber der neu entstanden Straßen waren die Antifaschisten Wilhelm Guddorf und John Sieg. Die John-Sieg-Straße ist eine kurze Straße östlich der Mauritiuskirche, die Wilhelm-Guddorf-Straße verläuft im Bogen von der Gürtelstraße zur Schulze-Boysen-Straße. Hier dominieren ausgedehnte, teilweise mehrere hunderte Meter lange, elfstöckige Wohnblöcke mit Wohnungen des Typs P2[7] das Straßenbild.

Zwischen der Wilhelm-Guddorf-Straße und der Bahntrasse verläuft ein Grünzug, ein altes Wohnhaus ist in diesem Bereich erhalten geblieben. Das Ensemble der Mauritiuskirche mit Kirche und Pfarrhaus steht als Gesamtanlage unter Denkmalschutz,[11] ein Einzeldenkmal ist eine 1928 erbaute Villa für den Fleischfabrikanten Paul Skupin.[12] Ihre Innengestaltung ist weitgehend im Stil der 1920er Jahre erhalten. Ursprünglich lag das Gebäude an der von Norden nach Süden führenden Wartenbergstraße, nun gehört es zur John-Sieg-Straße. Die Villa wird bereits seit 1976 von Bildenden Künstlern genutzt.

Coppi- und Buchberger Straße

Coppistraße

Die südöstliche Grenze des Wohngebietes bildet die Buchberger Straße, die seit 1933 ihren Namen trägt. Davor hieß sie Eckertstraße, nach dem Gründer der dort bis Anfang der 1930er Jahre befindlichen Eckert-Werke. 1975 wurde der Oberweg in die Buchberger Straße einbezogen. Vor der Neubebauung des Gebietes verlief schräg von der Pfarrstraße zur Buchberger Straße der Verbindungsweg und zwischen ihm in Richtung Osten die Straße 44. Dieses Areal war vor 1970 relativ dünn bebaut, es gab einige Kleinbetriebe und Gärten. Nach 1970 entstanden neu die Coppistraße, die Harnackstraße und die Albert-Hößler-Straße. Namensgeber waren die Antifaschisten Hans und Hilde Coppi, Arvid und Mildred Harnack sowie Albert Hößler. Hier sind ebenfalls elfgeschossige Wohnblocks entstanden. In der südlichen Coppistraße und zwischen Albert-Hößler- und Buchberger Straße gibt es mehrere Gewerbeeinrichtungen und Supermärkte, ein Komplex an der Frankfurter Allee wird von der Deutschen Telekom genutzt. In einem ehemaligen Bürogebäude an der Buchberger Straße wurden Proberäume für Rockmusiker eingerichtet.[13] Auf der Südseite der Buchberger Straße befinden sich Diensteinrichtungen des Bahnhofs Berlin-Lichtenberg. Ein Sportplatz liegt an der Ecke Coppi/ Albert-Hößler-Straße.

Wiesenweg

Wartenbergstraße, Blick vom Wiesenweg in Richtung Norden zum Neubaugebiet
Musiktheater Canteatro im Wiesenweg

Das Gebiet um den Wiesenweg liegt im Südwesten des Wohngebietes in einem Dreieck zwischen mehreren Bahndämmen und ist dadurch deutlich von den umliegenden Gebieten getrennt. Bei der Neubebauung nach 1970 wurde dieser Bereich ausgespart, so dass die ursprüngliche Siedlungsstruktur erhalten geblieben ist. Hier befinden sich verstreut einige, weitgehend nicht mehr bewohnte Wohnhäuser und eine Reihe von kleineren Gewerbebetrieben.

Der Wiesenweg verläuft in Ost-West-Richtung, erst in den 1920er Jahren wurde eine Unterführung unter der Ringbahn in Richtung Friedrichshain gebaut, nachdem der weiter nach Süden führende Kietzer Weg für den Bau des Werkes der Knorr-Bremse unterbrochen worden ist. Von Wiesenweg in Richtung Norden führen der Kietzer Weg, die Wartenbergstraße und die Tasdorfer Straße parallel und sind bis zum Neubaugebiet in ihrer ursprünglichen Lage erhalten. Am nördlichen Ast der Verbindungsbahn von der Ringbahn nach Rummelsburg gibt es Unterführungen für die drei Straßen. Nur die Wartenbergstraße ist dabei für den Kraftfahrzeugverkehr zugelassen und bis zur Wilhelm-Guddorf-Straße durchgebunden, die beiden anderen Straßen enden im Grüngürtel neben der Bahntrasse.

Unter Denkmalschutz steht das Gebäude eines 1904 errichteten Umspannwerkes des damaligen Elektrizitätswerks Lichtenberg.[14] Es wurde bis nach 2000 von Energieversorgern genutzt und ist seit 2007 Sitz eines Musiktheaters mit Probenräumen für Musiker.[15][16]

Verkehr

Die öffentlichen Verkehrsmittel tangieren das Gebiet im Norden. Die U-Bahn-Linie U5 hat dort die Bahnhöfe Frankfurter Allee und Magdalenenstraße, Frankfurter Allee ist außerdem Halt der S-Bahnen auf der Ringbahn (S41, S42, S8, S85, S9) und mehrerer Straßenbahnlinien. Der Südteil des Wohngebietes ist mit etwa 800 Metern relativ weit von diesen Haltestellen entfernt. Etwas kürzer ist von dort der Weg zum S-Bahnhof Nöldnerplatz, der mit einem umgangssprachlich Schwarzer Weg genannten Fußweg mit dem Wohngebiet um die Coppistraße verbunden ist. Die Frankfurter Allee ist eine der wichtigsten Straßen in Berlin für den motorisierten Individualverkehr. In Richtung Süden führt nur eine einzige Straße unter den Bahngleisen hindurch. Ein Gutteil des Verkehrs in dieser Richtung nützt statt der Buchberger Straße, welche weitgehend ohne Wohnbauten ist, Schleichwege über die Schulze-Boysen-Straße.[17]

Literatur

  • Interessengemeinschaft Heimatgeschichte an der Kiezspinne FAS e.V. (Hrsg.), Berlin-Lichtenberg, Frankfurter Alle Süd. Eine Spurensuche, Kiezspinne FAS e.V., 2008, 96 Seiten, keine ISBN

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Hans-Jürgen Rach: Die Dörfer in Berlin. Ein Handbuch der ehemaligen Landgemeinden von Berlin. VEB Verlag für Bauwesen, Berlin 1988, ISBN 3-345-00243-4, S. 172
  2. Hans-Jürgen Rach: Die Dörfer in Berlin. Ein Handbuch der ehemaligen Landgemeinden von Berlin. VEB Verlag für Bauwesen, Berlin 1988, ISBN 3-345-00243-4, S. 87
  3. Knut Käpernick: Aus der Entstehungsgeschichte des Gebietes „Frankfurter Allee Süd“ bis 1918/19, in: Berlin-Lichtenberg, Frankfurter Allee Süd. Eine Spurensuche, Kiezspinne FAS e.V., 2008, S. 10–16.
  4. Erhard Bergt: Schwarzer Adler, in: Berlin-Lichtenberg, Frankfurter Allee Süd. Eine Spurensuche, Kiezspinne FAS e.V., 2008, S. 34–38.
  5. a b c Brigitte Möhler: Handwerk und Gewerbe im Gebiet Frankfurter Allee Süd, in: Berlin-Lichtenberg, Frankfurter Allee Süd. Eine Spurensuche, Kiezspinne FAS e.V., 2008, S. 44–52.
  6. a b Knut Käpernick: Ein Spaziergang ist auch ein Gang durch die Geschichte, in: Berlin-Lichtenberg, Frankfurter Allee Süd. Eine Spurensuche, Kiezspinne FAS e.V., 2008, S. 17–22.
  7. a b c Joachim Schulz, Werner Gräbner (Hrsg.): Architekturführer DDR, Berlin, 3. Auflage, VEB Verlag für Bauwesen 1981, S. 21
  8. Die Fenster können immer geschlossen bleiben, Berliner Zeitung, 24. April 2011
  9. Denkmale in Berlin: Schule Schulze-Boysen-Straße
  10. Baubeginn für Kiez-Zentrum. In: Berliner Zeitung vom 13. September 2004
  11. Denkmale in Berlin: Mauritiuskirche
  12. Denkmale in Berlin: Studio Bildende Kunst
  13. Internetpräsenz von berlinerrockhaus.de, abgerufen am 26. April 2011
  14. Denkmale in Berlin: Elektrizitätswerk Lichtenberg
  15. Kulturhaus Canteatro auf locations-berlin, abgerufen am 31. März 2011
  16. Theater mit Hunden und Sofas, In: Berliner Zeitung, 1. November 2008
  17. Anwohner wollen ihre Ruhe. In: Berliner Zeitung vom 19. März 2008
52.50913.482

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