Hans Gawlik

Hans Gawlik

Hans Gawlik auch Johannes Gawlik (* 29. August 1904 in Breslau; † ? nach 1968) war ein deutscher Jurist und Beamter, der erst als Strafverteidiger in NS-Prozessen und dann als Leiter der Zentralen Rechtsschutzstelle (ZRS) von 1950–1968 eine bedeutende Rolle bei der Integration von NS-Tätern in die Bundesrepublik spielte.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Gawlik promovierte 1930 an der Fakultät Rechts- u Staatswissenschaften der Universität Breslau mit einem zivilrechtlichen Thema.[1] 1933 trat Gawlik der NSDAP bei.[2] In der Zeit des Nationalsozialismus war Gawlik Erster Staatsanwalt am OLG Breslau.[3] Ab 1942 war er Staatsanwalt am Sondergericht Breslau, und damit mit der Ausschaltung politischer Gegner des Nationalsozialismus befasst.[2] Am 15. Februar 1945 wurde Breslau von der vorrückenden Roten Armee eingeschlossen. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich noch 80.000 Zivilisten im belagerten Gebiet. Am 6. Mai 1945 kapitulierte die Garnison Breslaus und die Stadt wurde vollständig eingenommen.[4] Es ist nicht bekannt, ob Gawlik die Stadt vor dem 15. Februar 1945 gen Westen verließ, oder erst nach der Kapitulation.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges ließ sich Gawlik als Anwalt in Nürnberg nieder. 1945/46 wurde er im Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher zum Verteidiger für die als kriminell angeklagte Organisation des Sicherheitsdienst des Reichsführers SS (SD) bestellt. 1947/48 war er der Verteidiger von Erich Naumann im Einsatzgruppen-Prozess. Gawlik vertrat auch den KZ-Arzt Waldemar Hoven im Nürnberger Ärzteprozess[5]. Im Prozess Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt der SS war er Anwalt von Leo Volk und Hanns Bobermin.[6]

1949 wurde Gawlik zum Leiter der "Koordinierungsstelle zur Förderung des Rechtsschutzes für die deutschen Gefangenen im Ausland" beim Länderrat in Stuttgart, der deutschen Zweizonenverwaltung. Nach Gründung der Bundesrepublik wurde aus der Koordinierungsstelle Anfang März 1950 die Zentrale Rechtsschutzstelle (ZRS), deren Leiter Gawlik blieb. Die ZRS war eine staatliche Institution, zuerst dem Bundesjustizministerium und dann dem Auswärtigen Amt angegliedert.

Die von Gawlik geleitete ZRS organisierte Rechtsbeistand für Deutsche, die im Ausland wegen Kriegsverbrechen angeklagt waren. Daneben sammelte die Behörde Prozessunterlagen aus dem Ausland, um in Abwesenheit verurteilte Deutsche vor dem Besuch von Ländern zu warnen, in denen sie auf der Fahndungsliste standen.[7] Um die Anschriften von im Ausland verurteilten NS-Tätern zum Zweck der Warnung in Erfahrung zu bringen, arbeitete Gawlik u.a. mit dem Roten Kreuz und auch mit der Stillen Hilfe zusammen.[8] So suchte die ZRS ab 1964 über den Suchdienst des Deutschen Roten Kreuzes nach insgesamt 800 Deutschen und Österreichern, die von französischen Gerichten in Abwesenheit wegen Kriegsverbrechen verurteilt worden waren. Die Angelegenheit kam 1968 ans Licht, als die Liste von gesuchten Österreichern, die das DRK an das Wiener Rote Kreuz gegeben hatte, in einem Mitteilungsblatt der Kameradschaft der Linzer 45. Infanterie-Division erschien, wo sie Freunden von Simon Wiesenthal auffiel. Diese Warnliste enthielt unter anderem den Namen von Alois Brunner. Gawlik war zu diesem Zeitpunkt Vortragender Legationsrat 1. Klasse.[7] Gawlik wurde daraufhin 1968 pensioniert.[9]

Literatur

  • Bernhard Brunner: Der Frankreich-Komplex: die nationalsozialistischen Verbrechen in Frankreich und die Justiz der Bundesrepublik Deutschland. Wallstein-Verlag, Göttingen 2004, ISBN 3-89244-693-8.
  • Norbert Frei: Vergangenheitspolitik: die Anfänge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit. Beck, München 1996, ISBN 3-406-41310-2.
  • Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, zweite aktualisierte Auflage. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 2005.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Hans Gawlik: Die unwiderrufliche Vollmacht. Hochschul-Verlag, Breslau 1930. (Dissertationsschrift)
  2. a b Ernst Klee Das Personenlexikon zum Dritten Reich, zweite aktualisierte Auflage. Frankfurt am Main 2005, S. 175, Eintrag zu Gawlik, Hans.
  3. Norbert Frei: Vergangenheitspolitik, München 1996, S. 184.
  4. Christopher Duffy: Red storm on the Reich: the Soviet march on Germany, 1945. Routledge, London 1991, ISBN 0-415-03589-9, S. 253–267.
  5. George J. Annas, Michael A. Grodin: The Nazi doctors and the Nuremberg Code. Oxford University Press, 1995, ISBN 0195101065, S. 111.
  6. Mazal Library [1]
  7. a b Ist benachrichtigt. In: Der Spiegel. Nr. 16, 1968, S. 51 (15. April 1968, online).
  8. Oliver Schröm und Andrea Röpke: Stille Hilfe für braune Kameraden: das geheime Netzwerk der Alt- und Neonazis, 2. Auflage. Ch. Links Verlag, Berlin 2002, ISBN 3861532662, S.51-52.
  9. Ulrich Keitel: Das Auswärtige Amt im Zwielicht oder Wieviel Angriffsfläche bietet das Auswärtige Amt?. Kommentar im Hessischen Rundfunk vom 17. August 1968.

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