- Hans Harmsen
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Hans Harmsen (* 5. Mai 1899 in Berlin-Charlottenburg; † 5. Juli 1989 in Bendestorf) war ein deutscher Sozialhygieniker und Bevölkerungswissenschaftler. Bis Ende des Zweiten Weltkrieges betrieb er Eugenik im Sinne der nationalsozialistischen Machthaber. Nach 1945 wurde er Professor an der Universität Hamburg. Er war Mitgründer, Präsident und schließlich Ehrenpräsident von Pro Familia.
Inhaltsverzeichnis
Werdegang
Nach Studien von Medizin und Nationalökonomie wurde Harmsen in beiden Fächern promoviert. Er war Schüler des sozialdemokratischen Eugenikers Alfred Grotjahn, unterschied sich von diesem aber bereits früh durch rassenhygienische Argumentation. Dies geht auch aus einer Stellungnahme auf der evangelischen Fachkonferenz für Eugenik am 18. Mai 1931 hervor: „Dem Staat geben wir das Recht, Menschenleben zu vernichten – Verbrecher und im Kriege. Weshalb verwehren wir ihm das Recht zur Vernichtung der lästigen Existenzen?“[1]
In der Zeit des Nationalsozialismus war Harmsen kein Mitglied der NSDAP, hatte aber verschiedene Ämter inne, wie ab 1937 die Position als leitender Arzt der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege.[2] Bis 1942 war er zusätzlich Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft für Volksgesundung, bevor er bei der Wehrmacht als beratender Hygieniker einer Panzerdivision im Osten tätig war.[2] 1939 wurde Harmsen an der Universität Berlin mit dem Thema Möglichkeiten und Grenzen der Eugenik habilitiert. Er argumentierte weiterhin rassenhygienisch, war aber laut Schleiermacher[3] nicht bereit, bis zur „Euthanasie“ zu gehen, er habe „eugenisch indizierten Schwangerschaftsabbruch“ ebenso abgelehnt wie Krankenmord. Dagegen akzeptierte er den rassistisch bedingten Antisemitismus, da er darin keinen Widerspruch zum Christentum sah.
1946 übernahm Harmsen die Leitung des Institut für Hygiene und Umwelt in Hamburg und wurde Professor für Allgemeine und soziale Hygiene an der Universität Hamburg. Zudem wurde er 1952 Vorsitzender des Deutschen Gesellschaft für Bevölkerungswissenschaft und 1953 Präsident der Deutschen Akademie für Bevölkerungswissenschaft. Diese Vereinigungen dienten, so der Wissenschaftsjournalist Ludger Weß,[4] „als Auffangbecken und Netzwerk der führenden Köpfe der NS-Rassen- und Bevölkerungsbiologie“.
In der Sowjetischen Besatzungszone wurde seine Schrift Die Bevölkerungspolitik des italienischen Faschismus (Bevölkerungspolitischer Ausschuß, Berlin 1929) auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[5]
1952 war Harmsen Mitbegründer von Pro Familia, wurde bis 1984 deren erster Präsident und anschließend Ehrenpräsident. Ebenso gehörte er dem wissenschaftlichen Beirat des Familienministeriums an. Seit 1958 war er zusätzlich Präsident der Ernst Barlach Gesellschaft Hamburg. 1980 wurde er vom Zentralverband der Ärzte für Naturheilverfahren mit der Hufeland-Medaille ausgezeichnet.[2]
Literatur
- Sabine Schleiermacher: Sozialethik im Spannungsfeld von Sozial- und Rassenhygiene. Der Mediziner Hans Harmsen im Centralausschuß für die Innere Medizin; Husum: Matthiesen 1998, ISBN 3-7868-4085-7
- Peter Schneck: Sozialhygiene und Rassenhygiene in Berlin: Die Schüler Alfred Grotjahns und ihr Schicksal unter dem NS-Regime; in: Wolfram Fischer (Hrsg.): Exodus von Wissenschaften aus Berlin: Fragestellungen – Ergebnisse – Desiderate; Entwicklungen vor und nach 1933; Berlin, New York: de Gruyter, 1994; ISBN 3-11-013945-6; S. 494–509.
- Rainer Bookhagen: Die evangelische Kinderpflege und die Innere Mission in der Zeit des Nationalsozialismus, Mobilmachung der Gemeinden; Band 1: 1933 bis 1937; Göttingen 1998; ISBN 978-3-525-55729-7; S. 558–559.
- Hugo Maier (Hrsg:) Who is who der Sozialen Arbeit, Freiburg im Breisgau : Lambertus 1998 ISBN 3-7841-1036-3
Weblinks
- Literatur von und über Hans Harmsen im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Michael Sontheimer: Lange braune Schatten; in: Spiegel-Special 8/2006 vom 24. Oktober 2006
Einzelnachweise
- ↑ Zitat bei Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, ISBN 978-3-596-16048-8, S. 227.
- ↑ a b c Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Zweite aktualisierte Auflage, Frankfurt am Main 2005, S. 227.
- ↑ Schleiermacher: Sozialethik im Spannungsfeld von Sozial- und Rassenhygiene; S. 251 ff.
- ↑ Zitiert nach Sontheimer, siehe Weblinks.
- ↑ http://www.polunbi.de/bibliothek/1948-nslit-h.html
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