Heinrich Neumann (Psychiater)

Heinrich Neumann (Psychiater)

Heinrich Wilhelm Neumann (* 17. Januar 1814 in Breslau; † 14. Oktober 1884 in Breslau) war ein deutsch-jüdischer Psychiater, der sich in der frühen Wissenschaftstheorie seines Fachgebiets einen bleibenden Namen gemacht hat.

Inhaltsverzeichnis

Leben

1836 promovierte Heinrich Neumann in Breslau und war anschließend Regimentschirurg. In der Revolutionszeit versuchte er als Assistent in der schlesischen Anstalt Leubus eine »konstitutionelle Verwaltung« einzuführen. Dabei sollten alle Personalgruppen Sitz und Stimme erhalten. Die traditionellen Psychiater bezeichnete Neumann als »eingesessene Kaste«. Dadurch war er in Leubus nicht mehr länger tragbar. Beim polnischen Aufstand 1849-1850 war er Militärarzt. 1852 gründete er die Privatirrenanstalt Pöpelwitz bei Breslau, die er als »Medizinalanstalt« bezeichnete und deren Leiter er war. 1859 gab er an der Heilanstalt Erlangen unter A. Solbrig sein „Lehrbuch der Psychiatrie“ heraus.[1] Dieses Buch war in drei Teile untergliedert:

  1. Physiologische Einleitung
  2. Allgemeine Pathologie
  3. Specielle Pathologie und Therapie

Im zweiten Teil ging Neumann auf die psychiatrische Krankheitslehre ein. Christian Roller, der Gründer der für die europäische Psychiatrie wegweisenden Anstalt Illenau, betonte in seiner 1831 erschienenen Schrift „Die Irrenanstalt nach allen ihren Beziehungen“, dass die Arbeitstherapie ein Mittel ärztlicher Behandlung sei, nicht eine ökonomische Maßregel. Er befürchtete jedoch, dass Johann Michael Leupoldt und Neumann in Erlangen aus der Psychiatrie „fast ein Arbeitshaus“ zu machen schienen. Seit 1862 war Neumann ordentlicher Professor. 1867 leitete er die psychiatrische Abteilung des Allerheiligenhospitals in Breslau. 1874 wurde er zum Direktor der psychiatrischen Universitätsklinik Breslau ernannt. 1881 verkaufte er die Anstalt Pöpelwitz. 1883 erschien sein Werk „Leitfaden der Psychiatrie“.[2] [3] [4]

Leistungen

Heinrich Neumann gilt als einer der ersten Anstaltsgründer in Deutschland. Durch das Konzept der Einheitspsychose hat er sich einen bleibenden Namen in der Psychiatrie gemacht. Er gilt als „Urvater“ der Psychiatrie, weil sich verschiedenste Generationen von Psychiatern auf ihn beriefen. Karl Ludwig Kahlbaum, der Gründer klinischen Psychiatrie in Deutschland, knüpfte an Johann Spielmann und Heinrich Neumann an, indem er den Verlauf der Krankheit zum wichtigen Kritrium bei der Beurteilung der Schwere der Krankheit machte.[3] Emil Kraepelin griff diesen Gedanken wieder bei Kahlbaum auf. Außerdem gilt Neumann als Begründer der „analytischen Methode“ in der Psychiatrie. Diese ergab entscheidende Impulse für Carl Wernicke und für Sigmund Freud.[4] [5]

Werke

  • Lehrbuch der Psychiatrie. 1859
  • Leitfaden der Psychiatrie. 1883

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Neumann, Heinrich: Lehrbuch der Psychiatrie. Erlangen 1859, 242 Seiten, 309 Paragraphen
  2. Degkwitz, Rudolf et al. (Hrsg.): Psychisch krank. Einführung in die Psychiatrie für das klinische Studium. Urban & Schwarzenberg, München 1982, ISBN 3-541-09911-9; Seite 360
  3. a b Peters, Uwe Henrik: Lexikon Psychiatrie, Psychotherapie, Medizinische Psychologie. Urban & Fischer, München 62007; ISBN 978 3-437-15061-6; Seite 387 (online)
  4. a b Dörner, Klaus: Bürger und Irre. Zur Sozialgeschichte und Wissenschaftssoziologie der Psychiatrie. [1969] Fischer Taschenbuch, Bücher des Wissens, Frankfurt / M 1975, ISBN 3-436-02101-6; Seite 312 f., 314
  5. Jaspers, Karl: Allgemeine Psychopathologie. Springer, Berlin 91973, ISBN 3-540-03340-8; Anhang § 4 Historisches über Psychopathologie als Wissenschaft. Schilderer und Analytiker Seite 708

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