Herblingertal

Herblingertal

Das Herblingertal ist ein Industrie-, Gewerbe- und Dienstleistungsgebiet nördlich der Stadt Schaffhausen in der Schweiz. Es wurde in den Jahren 1966 bis 1974 durch grosse Erdverschiebungen geschaffen. Seinen Namen erhielt das Herblingertal von dem direkt angrenzenden, ehemaligen Bauerndorf und heutigen Stadtquartier Herblingen.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Die Industrialisierung setzte erst relativ spät in Schaffhausen ein. Um die Wasserkraft nutzen zu können, entstanden die ersten Industriebetriebe an den Flüssen Durach und Rhein. Im Jahre 1802 gründete Johann Conrad Fischer (1773–1854) im Mühlental eine Giesserei. Aus ihr ging später die Georg Fischer AG hervor. 1866 wurde der von Heinrich Moser geplante Moser-Damm im Rhein gebaut. Er war seinerzeit das grösste Wasserkraftwerk der Schweiz. Dank der mittels Drahtseiltransmissionen transportierten Energie siedelten sich mehrere Betriebe entlang dem Rheinufer an. 1900 wurden die Transmissionen durch Stromgeneratoren ersetzt. Dies ermöglichte es, weitere Industriegebiete mit Energie zu versorgen. In den Jahren 1908 bis 1911 wurde das an das Herblingertal angrenzende Industriequartier Ebnat erschlossen. Der Moser-Damm durch 1967 durch ein modernes Flusskraftwerk ersetzt.

Von der Idee zum Bau

Der grosse industrielle Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg führte in Schaffhausen zu einem Mangel an Industrieflächen. Bereits während dem Zweiten Weltkrieg wurde der Ausbau des Herblingertals in Erwägung gezogen. 1942 beabsichtigten Investoren, im Herblingertal eine Wohnsiedlung zu erstellen. Um dies zu verhindern, erwirkte der Stadtrat beim Schaffhauser Regierungsrat eine sofortige Bausperrung. Im gleichen Jahr erwarb die Stadt Schaffhausen die Landparzelle. In der Nacht vom 25. auf den 26. Februar 1960 brannten die Gebäude des Landwirtschaftlichen Genossenschafts-Verbandes Schaffhausen (GVS) an der Spitalstrasse in Schaffhausen. Ein Wiederaufbau kam wegen der geplanten Nationalstrasse N4 nicht in Frage. Die GVS war einer der ersten Betriebe, welche im Herblingertal ihre neuen Gebäude errichtete. Kanton und Stadt Schaffhausen, die Gemeinde Herblingen sowie Grundeigentümer gründeten 1962 die Genossenschaft Industriequartier Herblingertal. In einer Abstimmung bewilligten die Stimmbürger von Stadt und Kanton Schaffhausen je eine Kostenbeteiligung von 30 % an den Erschliessungskosten von 36 Millionen Franken. Per 1. Januar 1964 wurde Herblingen in die Stadt Schaffhausen eingemeindet.

Bau

Die Erschliessung des Herblingertals dauerte von 1966 bis 1974. Beinahe 3 Millionen Kubikmeter Erdreich musste abgetragen werden. Zur selben Zeit wurden in Schaffhausen das neue Rheinkraftwerk, die Rheinuferstrasse sowie die neue Rheinbrücke gebaut. Ein Teil des Erdreichs wurde für diese Bauwerke verwendet. Die Staustrecke des Kraftwerks musste ebenfalls neu gestaltet werden. Die Rheinpromenade Lindli vom Güterhof über den Salzstadel bis nach Büsingen wurde mit aufgeschüttetem Material aus dem Herblingertal dem Rhein abgerungen.

SBB Rangierbahnhof

1963 genehmigte der SBB-Verwaltungsrat das Projekt für den Bau eines neuen Rangierbahnhofs in Schaffhausen. 1948 hatte der Schaffhauser Stadtpräsident Walter Bringolf Einsitz im Verwaltungsrat genommen. Der neue Rangierbahnhof wurde im Fulachtal erbaut und 1968 provisorisch und 1975 definitiv eingeweiht. Durch ein Erschliessungsgleis wurde das im Bau befindliche, nördlich des Fulachtals gelegene Herblingertal an das SBB-Eisenbahnnetz angeschlossen.

Deutsche Bahn

Die Hochrheinstrecke Basel – Schaffhausen – SingenKonstanz der Deutschen Bahn unterquert in einem 1966/67 im Tagbau erstellten 530 Meter langen Tunnel das Herblingertal. Im Tunnel integriert ist die Haltestelle Schaffhausen-Herblingen. Diese soll im Rahmen einer Regio-S-Bahn aufgewertet werden.

A4 / J15

1973 wurde die damalige Autostrasse N4 (Bargen – Schaffhausen) fertiggestellt. Nordwestlich des Herblingertals wurde die N4 mit der J15 von Thayngen kommend kreuzungsfrei verknüpft.

Das Herblingertal in den Jahren 1965–1989

1968 wurde der Grundstein für das neue Stahlwerk der Georg Fischer AG gelegt. Im neuen Werk wurden bis 1989 Stahlfelgen gegossen. Die Werkhallen werden seit der Aufgabe der Giesserei durch andere Firmen genutzt.

Technischer Fortschritt und beengte Platzverhältnisse in der Altststadt veranlassten mehrere Handwerks- und Gewerbebetriebe neue Verkaufs- und Produktionsstätten im Herblingertal zu bauen. 1979 entstanden im Herblingertal zwei Einkaufszentren, die 2001 durch einen Verbindungsbau zum Herblinger Markt ausgebaut wurden. Die Verkehrsbetriebe Schaffhausen verlegten 1987 ihr Busdepot mit Werkstätten und Verwaltungsgebäude ins Herblingertal. Am alten Standort beim Schwabentor wurde das neue Feuerwehrmagazin erbaut. Seit einem Ausbau vereint das Depot die Fahrzeugflotte der Verkehrsbetriebe Schaffhausen sowie von SchaffhausenBus (Überlandbusse).

In den 1980er Jahren suchte der US-amerikanische Glaskonzern Guardian Industries nach einem neuen Standort in Europa für die Produktion von Flachglas. Der Stadtrat bemühte sich sehr um die Ansiedelung des Industriebetriebs. Die Glasfabrik hätte jedoch grosse Mengen von Schadstoffen ausgestossen. Die aufkommende Diskussion um das Waldsterben mobilisierte eine grosse Bürgerbewegung, welche gegen den Bau der Fabrik protestierte. Der Konzern entschied sich schliesslich gegen den Standort Schaffhausen und baute die Glasfabrik in Luxemburg.

Das Herblingertal in den Jahren 1990–2010

Die Schaffhauser Nachrichten verlegen 1991 ihr Druckzentrum von der Altstadt ins Herblingertal und gründen dafür die ZDS Zeitungsdruck Schaffhausen AG. Jumbo und die Falkenbrauerei eröffneten 1992 einen Bau-, Hobby- und Getränkemarkt. Nach einer Erweiterung eröffneten 2001 auch Athleticum und Qualipet eine Filiale. 2000 wurde ein Multiplex-Kino mit 8 Sälen und total 1500 Sitzplätzen eröffnet. Die beiden Detailhandelsketten Aldi Suisse und Landi eröffnen 2006 Filialen im Herblingertal. Die zu Johnson & Johnson gehörende Pharmafirma Cilag errichtete ein neues Logistikzentrum. Ein 1972 ursprünglich von der Georg Fischer AG erbautes Bürogebäude wird umfassend saniert und ausgebaut. Danach stehen auf 8500 m² Büroflächen zur Verfügung.

Zukunft

Sofern ein Investor gefunden wird, soll das neue Fussballstadion FCS Park des FC Schaffhausen gebaut werden. Das 130 Mio. Franken teure Projekt sieht eine Mantelnutzung mit Einkaufszentrum vor. Es soll direkt neben dem unterirdischen Bahnhof Schaffhausen-Herblingen erbaut werden. Der einsetzende Strukturwandel der Schweizer Wirtschaft hatte auch direkte Auswirkungen auf das Industriegebiet Herblingertal. Grossindustriebetriebe siedelten sich nur wenige im Herblingertal an. Grosse Flächen wurden durch Speditions-, Handels- und Dienstleistungsunternehmen genutzt. Ein Grossteil der Nutzfläche im Herblingertal wurde bereits überbaut. Der in den 1980er Jahren einsetzende Strukturwandel der Schweizer Wirtschaft hatte auch direkte Auswirkungen auf das Industriegebiet Herblingertal. Es siedelten sich weniger Industriebetriebe, als von den Erbauern erhofft, an. Das Gebiet wird mehrheitlich von Speditions-, Gewerbe- und Dienstleistungsbetrieben aller Art genutzt. Der Branchenmix ist sehr gross. In den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts wurden im Schweizersbild und im Merishausertal zusätzlich weitere Gewerbegebiete auf Stadtgebiet erschlossen. Das Herblingertal ist jedoch weiterhin das grösste Industrie- und Gewerbegebiet von Schaffhausen geblieben. Die beim Bau verursachten Wunden an der Natur sind mittlerweile durch Wald überwachsen.

Literatur

  • Schaffhauser Kantonsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts. Band 1 und 2, Herausgeber: Historischer Verein des Kantons Schaffhausen

Weblinks

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