- Kantonsregierung
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Kantonsregierungen sind die Regierungen bzw. Exekutiven der Kantone der Schweizerischen Eidgenossenschaft. Die Regeln unterscheiden sich von Kanton zu Kanton, zeigen aber auch viele Gemeinsamkeiten.
Inhaltsverzeichnis
Wahlmodus
Eine Kantonsregierung wird in der Regel alle vier Jahre vom Volk gewählt. Ausnahmen bilden die Kantone Freiburg und Waadt mit fünf Jahren sowie der Kanton Appenzell Innerrhoden mit einem Jahr. Die Wahl der Kantonsregierung findet meistens gleichzeitig mit der Wahl zum Kantonsparlament statt. Die Amtsdauer entspricht daher i. d. R. der Legislaturperiode. Die meisten Kantone wählen ihre Regierung nach dem Majorzwahlsystem, d. h. es werden Persönlichkeiten und nicht Parteilisten gewählt. In den Kantonen Tessin und Zug gilt hingegen das Proporzwahlsystem.
In einigen Kantonen wie Bern, Schaffhausen, Solothurn und Tessin kann die Kantonsregierung mittels Volksinitiative, die obligatorisch dem Volk zu unterbreiten ist, zum vorzeitigen Rücktritt gezwungen werden. Angesichts der mit vier Jahren nicht überlangen Amtsdauer der Behörde kommt diesem Recht freilich wenig Bedeutung zu.
Zusammensetzung
Die Anzahl Mitglieder beträgt heute in allen Kantonen entweder fünf oder sieben Mitglieder, bis ins letzte Viertel des 20. Jahrhundert hatten einige Kantonsregierungen neun Mitglieder. Der Vorsitzende der Kantonsregierung hat i. d. R. keine markant weiterreichenden Befugnisse als die übrigen Regierungsmitglieder, sondern ist lediglich ein zumeist auf ein Amtsjahr gewählter Primus inter pares. Wie der Bundesrat, die Regierung auf nationaler Ebene, folgen die Kantonsregierungen dem Kollegialitätsprinzip.
Im Rahmen einiger in jüngerer und jüngster Zeit stattgefundenen Verfassungsrevisionen wurde in den Kantonen Appenzell Ausserrhoden, Basel-Stadt, Glarus und Waadt die Amtsdauer des Regierungspräsidenten allerdings auf die ganze Amtsdauer des Regierungsrates, mithin auf vier bzw. fünf Jahre, erstreckt; Appenzell Innerrhoden, Uri und Zug kennen eine Zweijahreslösung.
Bezeichnungen
Aus historischen Gründen lautet die Bezeichnung der Kantonsregierungen und ihrer Mitglieder von Kanton zu Kanton unterschiedlich. In der Deutschschweiz herrscht heute die Bezeichnung Regierungsrat vor, in der französischsprachigen Schweiz Conseil d’Etat, was mit Staatsrat übersetzt wird. «Etat» könnte man auch mit «Kanton» übersetzen, jedoch wird die Bezeichnung Kantonsrat in der Deutschschweiz für die Kantonsparlamente verwendet.
Für den Vorsitzenden oder die Vorsitzende herrscht in ländlichen deutschsprachigen Kantonen die Bezeichnung Landammann vor, in städtischen Regierungspräsident. Für Landammann gibt es i. d. R. keine weibliche Form; man sagt Frau Landammann. Die weiblichen Formen für Regierungsrat, die Regierungsrätin, sowie für Regierungspräsident, die Regierungspräsidentin, sind hingegen üblich. Der Kanton Luzern kannte mit den Begriffen Schultheiss und Statthalter bis 2007 noch alte historische Bezeichnungen für den Vorsteher des Regierungsrates bzw. seinen Stellvertreter. In der Helvetischen Republik bestand die übliche Verwaltung aus einem Regierungsstatthalter mit der Verwaltungskammer, Unterstatthaltern in den Distrikten sowie Agenten in den Gemeinden.
Die Ministerien werden je nach Kanton Departemente oder Direktionen genannt, die Regierungsräte als deren Vorsteher Direktoren, also beispielsweise Bildungsdirektor oder Justiz- und Polizeidirektor, im Kanton Jura Minister (das Wort "ministère" 'Ministerium' wird jedoch nicht verwendet, sondern stattdessen "département").
Kanton Appenzell Innerrhoden
Eine Ausnahme bildet die Regierung des Kantons Appenzell Innerrhoden, die sich Standeskommission nennt. Ihre Mitglieder tragen dabei departementsabhängige, historisch hergeleitete Titel, die teilweise sonst nirgends in der Schweiz gebräuchlich sind. Geleitet wird die Regierung vom regierenden Landammann. Sein Stellvertreter ist der Stillstehende Landammann, der ihn nach zwei Jahren ablöst. Ein weiterer Regierungsrat ist der Statthalter. Unter diesen dreien werden die Departemente (Ministerien) «Volkswirtschaft», «Erziehung» und «Gesundheit und Soziales» von der Standeskommission aufgeteilt. Der Vorsteher des Finanzdepartements heisst Säckelmeister. Der Landeshauptmann steht dem Land- und Forstwirtschaftsdepartement vor, der Bauherr dem Bau- und Umweltdepartement und der Landesfähnrich dem Justiz-, Polizei- und Militärdepartement. Letztgenannte werden von der Landsgemeinde direkt in ihre Funktion gewählt.
Übersicht
Kanton Regierung Mitglied Anzahl Wahlbehörde Vorsitz J. Wahlbehörde Stellvertreter Ehem. Aargau Regierungsrat Regierungsrat 5 Volk
(Majorzwahl)Landammann 1 Regierung Landstatthalter Liste Appenzell Ausserrhoden Regierungsrat Regierungsrat 7 Volk Landammann 4 Volk
(Wahl)Liste Appenzell Innerrhoden Standes-
kommissionRegierungsrat 7 Volk
(Landsgemeinde)Regierender
Landammann2 Volk
(Landsgemeinde)Stillstehender
LandammannListe Bern Regierungsrat
Conseil-exécutifRegierungsrat
membre du C.-ex.7 Volk
(Majorzwahl)Regierungspräsident
président du C.-ex.1 Parlament Regierungs-
vizepräsidentListe Basel-Landschaft Regierungsrat Regierungsrat 5 Volk
(Majorzwahl)Regierungs-
präsident1 Parlament Vizepräsident Liste Basel-Stadt Regierungsrat Regierungsrat 7 Volk
(Majorzwahl)Regierungspräsident 4 Parlament Regierungs-
vizepräsidentListe Freiburg Conseil d’État
StaatsratConseiller d’État
Staatsrat7 Volk
(Wahl)Président du C.
Präsident des St.1 Parlament Vizepräsident
des StaatsratsListe Genf Conseil d’État
(Staatsrat)Conseiller d’État
(Staatsrat)7 Volk
(Majorzwahl)Président du
Conseil d’État1 Regierung Vice-président
du Conseil d’ÉtatListe Glarus Regierungsrat Regierungsrat 5 Volk
(Majorzwahl)Landammann 2 Volk
(Landsgemeinde)Landesstatthalter Liste Graubünden Regierung
Regenza
GovernoRegierungsrat 5 Volk
(Majorzwahl)Regierungspräsident 1 Parlament Regierungs-
vizepräsidentListe Jura Gouvernement
(Regierung)Ministre
(Minister)5 Volk
(Majorzwahl)Président
du Gouvernement1 Parlament Vice-président
du GouvernementListe Luzern Regierungsrat Regierungsrat 5 Volk
(Majorzwahl)Regierungspräsident
(bis 2007: Schultheiss)1 Parlament Vizepräsident
(bis 2007: Statthalter)Liste Neuenburg Conseil d’État
(Staatsrat)Conseiller d’État
(Staatsrat)5 Volk
(Majorzwahl)Président
du Conseil d’État1 Regierung Vice-président
du Conseil d’ÉtatListe Nidwalden Regierungsrat Regierungsrat 7 Volk
(Wahl)Landammann 1 Parlament Landesstatthalter Liste Obwalden Regierungsrat Regierungsrat 5 Volk
(Majorzwahl)Landammann 1 Parlament Landstatthalter Liste Schaffhausen Regierungsrat Regierungsrat 5 Volk
(Majorzwahl)Regierungspräsident 1 Parlament Regierungs-
vizepräsidentListe Schwyz Regierungsrat Regierungsrat 7 Volk
(Majorzwahl)Landammann 2 Parlament Landesstatthalter Liste Solothurn Regierungsrat Regierungsrat 5 Volk
(Majorzwahl)Landammann 1 Regierung Vize-Landammann Liste St. Gallen Regierung Regierungsrat 7 Volk
(Majorzwahl)Regierungspräsident 1 Parlament Liste Tessin Consiglio di Stato
(Staatsrat)Consigliere di Stato
(Staatsrat)5 Volk
(Proporzwahl)Presidente del
Consiglio di Stato1 Parlament Vicepresidente del
Consiglio di StatoListe Thurgau Regierungsrat Regierungsrat 5 Volk
(Majorzwahl)Regierungsrats-
präsident1 Parlament Regierungsrats-
vizepräsidentListe Uri Regierungsrat Regierungsrat 7 Volk
(Majorzwahl)Landammann 2 Volk
(Wahl)Landesstatthalter Liste Waadt Conseil d’État
(Staatsrat)Conseiller d’État
(Staatsrat)7 Volk
(Majorzwahl)Président du
Conseil d’État5 Regierung Vice-président du
Conseil d’ÉtatListe Wallis Conseil d’État
StaatsratConseiller d’État
Staatsrat5 Volk
(Majorzwahl)Président du Conseil d’État
Staatsratspräsident1 Regierung Vice-président du Conseil d’État
Vizepräsident des StaatsratsListe Zug Regierungsrat Regierungsrat 7 Volk
(Proporzwahl)Landammann 2 Parlament Statthalter Liste Zürich Regierungsrat Regierungsrat 7 Volk
(Majorzwahl)Regierungspräsident 1 Regierung Vizeregierungs-
präsidentListe Abberufungsrecht
Seit dem 19. Jahrhundert kann nach den Grundsätzen der Demokratischen Bewegung die Kantonsregierung in mehreren Kantonen mittels Volksinitiative vorzeitig abberufen werden.[1] Diesem Recht kommt faktisch kaum Bedeutung zu, da die ordentlichen Legislaturperioden mit meist vier Jahren nicht übermässig lang sind. Entsprechende Initiativen wurden denn auch nur ganz selten ergriffen und scheiterten jedes Mal in der Volksabstimmung.
Die benötigten Unterschriftenzahlen sind:
- im Kanton Bern (Recht eingeführt 1869) mindestens 30'000 Unterschriften;
- im Kanton Uri (Recht eingeführt 1888) mindestens 600 Unterschriften;
- im Kanton Schaffhausen (Recht eingeführt 1876) mindestens 100 Unterschriften;
- im Kanton Solothurn (Recht eingeführt 1869) mindestens 6000 Unterschriften;
- im Kanton Thurgau (Recht eingeführt 1869) mindestens 20'000 Unterschriften;
- im Kanton Tessin (Recht eingeführt 1892) mindestens 15'000 Unterschriften.
Anlässlich jüngerer Totalrevisionen der Kantonsverfassungen wurde das Abberufungsrecht in verschiedenen Kantonen wieder abgeschafft, nämlich im Kanton Aargau 1980, im Kanton Basel-Landschaft 1984 und im Kanton Luzern 2007.
Einzelnachweise
- ↑ Peter Jankovsky: Der Versuch, eine Exekutive zu stoppen, in: Neue Zürcher Zeitung vom 22. März 2011, S. 13.
Siehe auch
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