Irrtum (Recht)

Irrtum (Recht)

Ein Irrtum ist eine Fehlvorstellung von der Wirklichkeit. Im Zivilrecht ist der Irrtum insbesondere im Zusammenhang mit der Abgabe von Willenserklärungen von Bedeutung, also unter anderem beim Abschluss von Verträgen. Er macht eine Willenserklärung zwar grundsätzlich nicht unwirksam, berechtigt aber in bestimmten Fällen dazu, die Folgen der irrtümlich abgegebenen Willenserklärung rückwirkend zu beseitigen. Im Strafrecht ist ein Irrtum für den subjektiven Tatbestand relevant; er kann den Vorsatz des Täters ausschließen, während ein Verbotsirrtum das Verschulden ausschließt, wenn er nach den Umständen nicht vorwerfbar ist.

Inhaltsverzeichnis

Rechtslage in Deutschland

Der Irrtum ist neben der arglistigen Täuschung einer von zwei Gründen zur Anfechtung von Willenserklärungen. Folgende Irrtümer berechtigen zur Anfechtung:[1]

  • Inhaltsirrtum (§ 119 Abs.1, 1. Fall BGB): Der Erklärende weiß, was er sagt, irrt sich aber über die objektive Bedeutung des Inhaltes.
  • Erklärungsirrtum (§ 119 Abs. 1, 2. Fall BGB): Der Erklärende erklärt etwas, was er nicht sagen wollte (zum Beispiel durch einen Versprecher oder Verschreiben).
  • Eigenschaftsirrtum (§ 119 Abs. 2 BGB), das heißt der Irrtum über verkehrswesentliche Eigenschaften, also über die wertbildenden Merkmale einer Sache oder Person, die für das Rechtsgeschäft von Bedeutung sind.
  • Übermittlungsirrtum (§ 120 BGB): Die Willenserklärung wurde durch die mit der Übermittlung beauftragten Person unrichtig wiedergegeben.

Ein Kalkulationsirrtum, also ein Irrtum in der vorausgegangenen Berechnung, berechtigt dagegen nicht zur Anfechtung.

Rechtslage in Österreich

Motivirrtum

Der Motivirrtum fragt nach dem Beweggrund, warum der Erklärende überhaupt eine Erklärung abgegeben hat. Dieser Beweggrund hat nichts mit dem Inhalt der Erklärung zu tun, liegt also außerhalb des Geschäftsinhaltes. Folgende Fälle gehören ebenfalls zu den Motivirrtümern:

  • Kalkulationsirrtum
  • Rechts-(folgen-)irrtum (nicht zu verwechseln mit dem Rechtsirrtum außerhalb der Rechtsgeschäftslehre)
  • Wertirrtum
  • Irrtum über Zukünftiges

Da der Motivirrtum zur Risikosphäre des Erklärenden gehört, ist nur ausnahmsweise eine Anfechtung möglich.
Und zwar:

  • wenn ihn der Vertragspartner listig herbeigeführt hat (§ 870 ABGB)
  • bei unentgeltlichen Geschäften (§ 901 Satz 3 ABGB)
  • bei letztwilligen Verfügungen
  • wenn der Beweggrund durch die Parteien zur Bedingung gemacht wurde, sodass ein Geschäftsirrtum vorliegt (§ 901 ABGB).

Geschäftsirrtum im weiteren Sinn

Geschäftsirrtum im weiteren Sinn umfasst:

Erklärungsirrtum

Erklärungsirrtum liegt vor, wenn der Erklärende irrtümlich etwas anderes erklärt, als er erklären wollte oder er gar nicht weiss, dass er etwas erklärt.
Es sind mehrere Fälle möglich:

  • Der Erklärende erklärt etwas, obwohl er gar keine Erklärung abgeben wollte (Erklärung ohne Erklärungsbewusstsein).
  • Fehler beim Erklären (z.B: der Erklärende verspricht oder verschreibt sich)
  • Fehler in der Übermittlung
  • Irrtum über die Bedeutung der Erklärung

Kein Erklärungsirrtum liegt bei der falsa demonstratio vor.

Einzelnachweise

  1. Anfechtung Willenserklärungen bei juraforum.de

Literatur

  • Peter Bydlinski: Allgemeiner Teil. 4. Auflage. Springer, Wien 2007, ISBN 978-3-211-74074-3. In: Peter Apathy (Hrsg.): Bürgerliches Recht.
Rechtshinweis Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten!

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